In München soll sich ein islamistischer Attentäter aufhalten. Ex-Polizist Robert Fallner erhält von der Sicherheitsfirma seines Bruders den Auftrag, den Mann dingfest zu machen. Als Belohnung sind zwei Millionen Euro ausgesetzt. Aber an der Sache ist was faul. Es gibt keinen offiziellen Auftraggeber, nur ein paar anonyme Hinweise. Da erreicht Fallner ein Brief mit einem noch viel heikleren Auftrag. Bald findet sich Fallner knietief im rechtsradikalen Milieu wieder. Hat es jemand auf ihn abgesehen?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2019Austeilen, einstecken
Krimis in Kürze: Klaus Oppitz, Adam Brookes und Franz Dobler
Martin Pietsch ist ein Mann ohne nennenswerte Eigenschaften. In jeder Hinsicht Durchschnitt: Aussehen, Gewicht, Meinungen, Interessen. Ein arbeitsloser Softwareentwickler, Single, der bei Facebook ist und gelegentlich postet. Nicht verhaltensauffällig. Bis das eine Posting kommt, das alles ändert. Er rutscht da eher hinein, ein paar Gläser Rotwein zu viel, aber kein ideologischer Wahn. "Redet ruhig weiter. Ich helfe euch. Ich mache das inzwischen für euch. Gebt mir sein Messer, und ich schlachte ihn genauso ab wie er das kleine Mädchen", so führt er die hasserfüllten Posts zum Mord an einem kleinen tschetschenischen Mädchen fort. Die Resonanz ist überwältigend.
Pietsch ist der Protagonist in "Die Hinrichtung des Martin P." (Kremayr & Scheriau, 192 S., geb., 22,- [Euro]) von Klaus Oppitz. Dem österreichischen Autor, Regisseur und Kabarettisten ist Satire zweite Natur. Sein Heimatland liefert das Material frei Haus. Inspiriert hat Oppitz diesmal eine Äußerung der Staatssekretärin Karoline Edtstadler aus dem Jahr 2018, die erkannt zu haben glaubte, dass die Justiz am besten funktioniere, "wenn die Urteile auf große Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen".
Oppitz zeigt in seinem Buch, was passieren könnte, wenn man Pietschs Posting beim Wort nähme: Das Innenministerium bietet ihm an, seine Worte in die Tat umzusetzen. Belohnung: eine Festanstellung im Ministerium. Zu konstruiert wirkt dieses Szenario nicht, was an der ruhigen, nüchternen Art liegt, mit der Oppitz das Innenleben und Handeln seines Protagonisten beschreibt. Immerhin quält Pietsch dann, als seine Idee zur realen Gewalt werden soll, die Frage, "ob wir doch mehr sind als unsere Tweets". So sieht Satire aus, die oft kaum noch von unserer Gegenwart zu unterscheiden ist.
Was zu unserer Zeit gehört, das lässt sich auch ein paar tausend Kilometer weiter östlich erfahren. High-Tech-Überwachung und digitale Kriegsführung spielen bei Adam Brookes eine wichtige Rolle. Aber "Der chinesische Verräter" (Suhrkamp, 402 S., br., 15,95 [Euro]) ist keine Satire, sondern ein kompakter Spionageroman, der von Brookes' Arbeit als BBC-Korrespondent in China profitiert. Es überrascht daher nicht, dass ein britischer Korrespondent in Peking eine zentrale Figur ist. Neben einem chinesischen Raketenwissenschaftler, Spitzname "Peanut", der schon für den MI6 aktiv war, bevor er nach dem Massaker von Tiananmen für zwanzig Jahre im Arbeitslager verschwand.
Aus dem Lager geflohen, sucht er den Kontakt zum Journalisten. Das Material, das er noch zu bieten hat, soll ihm die Ausreise sichern. Der Journalist lässt sich widerwillig vom Geheimdienst rekrutieren. Doch Regie bei dem, was auf der Pekinger Bühne geschieht, führen andere Kräfte. Und zwar nicht nur die zuständige MI6-Abteilung in London, sondern private Sicherheitsfirmen, mit denen der Dienst sich eingelassen hat und die nicht unbedingt der gleichen Agenda folgen. Brookes' Roman ist spannend, voller Atmosphäre und Action, nur die Figuren bleiben ein bisschen zu skizzenhaft.
Und dann ist da noch ein alter Bekannter, der ehemalige Polizist Fallner, der noch immer am liebsten in der Security-Firma seines Bruders kündigen würde. Franz Dobler schenkt ihm in "Ein Schuss ins Blaue" (Tropen, 288 S., geb., 20,-[Euro]) den dritten Auftritt, und man stellt fest, dass man Fallners noch nicht müde ist. Er teilt aus, er steckt ein, er muss all die Fragen einer Vierzehnjährigen aus kaputter Familie, um die sich seine Frau kümmert, beantworten; Fragen nach Gott, Theodizee und Ähnlichem, was dem Fallner als großem Grübler nur halb so schwerfällt, wie er tut. Denn in seinem unablässigen inneren Monolog, der sein Markenzeichen ist, hat er immer schon viel mehr Fragen verhandelt, als ihm je gestellt werden könnten.
Er hat, dank Doblers drastischer, kraftvoller und hartgesottener Prosa, auch immer noch die besten Sprüche, wenn er zum Beispiel beim Blick auf "zwei kichernde Vollbusen-Blondinen" zu dem Schluss kommt: "der Traum jeder Gartengrillparty, bei der man nicht über die Essays von Slavoj Zizek diskutierte". Einen Fall gibt es auch, wenngleich der in Fallner-Romanen nie das wichtigste Ingredienz ist: Mit seinem jüdischen Kollegen Landmann soll Fallner einen islamistischen Attentäter in München aufspüren. Man würde todsicher nicht lesen wollen, was neunundneunzig Prozent der deutschen Krimiautoren dazu einfiele. Bei Dobler weiß man: Es wird schon werden.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Klaus Oppitz, Adam Brookes und Franz Dobler
Martin Pietsch ist ein Mann ohne nennenswerte Eigenschaften. In jeder Hinsicht Durchschnitt: Aussehen, Gewicht, Meinungen, Interessen. Ein arbeitsloser Softwareentwickler, Single, der bei Facebook ist und gelegentlich postet. Nicht verhaltensauffällig. Bis das eine Posting kommt, das alles ändert. Er rutscht da eher hinein, ein paar Gläser Rotwein zu viel, aber kein ideologischer Wahn. "Redet ruhig weiter. Ich helfe euch. Ich mache das inzwischen für euch. Gebt mir sein Messer, und ich schlachte ihn genauso ab wie er das kleine Mädchen", so führt er die hasserfüllten Posts zum Mord an einem kleinen tschetschenischen Mädchen fort. Die Resonanz ist überwältigend.
Pietsch ist der Protagonist in "Die Hinrichtung des Martin P." (Kremayr & Scheriau, 192 S., geb., 22,- [Euro]) von Klaus Oppitz. Dem österreichischen Autor, Regisseur und Kabarettisten ist Satire zweite Natur. Sein Heimatland liefert das Material frei Haus. Inspiriert hat Oppitz diesmal eine Äußerung der Staatssekretärin Karoline Edtstadler aus dem Jahr 2018, die erkannt zu haben glaubte, dass die Justiz am besten funktioniere, "wenn die Urteile auf große Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen".
Oppitz zeigt in seinem Buch, was passieren könnte, wenn man Pietschs Posting beim Wort nähme: Das Innenministerium bietet ihm an, seine Worte in die Tat umzusetzen. Belohnung: eine Festanstellung im Ministerium. Zu konstruiert wirkt dieses Szenario nicht, was an der ruhigen, nüchternen Art liegt, mit der Oppitz das Innenleben und Handeln seines Protagonisten beschreibt. Immerhin quält Pietsch dann, als seine Idee zur realen Gewalt werden soll, die Frage, "ob wir doch mehr sind als unsere Tweets". So sieht Satire aus, die oft kaum noch von unserer Gegenwart zu unterscheiden ist.
Was zu unserer Zeit gehört, das lässt sich auch ein paar tausend Kilometer weiter östlich erfahren. High-Tech-Überwachung und digitale Kriegsführung spielen bei Adam Brookes eine wichtige Rolle. Aber "Der chinesische Verräter" (Suhrkamp, 402 S., br., 15,95 [Euro]) ist keine Satire, sondern ein kompakter Spionageroman, der von Brookes' Arbeit als BBC-Korrespondent in China profitiert. Es überrascht daher nicht, dass ein britischer Korrespondent in Peking eine zentrale Figur ist. Neben einem chinesischen Raketenwissenschaftler, Spitzname "Peanut", der schon für den MI6 aktiv war, bevor er nach dem Massaker von Tiananmen für zwanzig Jahre im Arbeitslager verschwand.
Aus dem Lager geflohen, sucht er den Kontakt zum Journalisten. Das Material, das er noch zu bieten hat, soll ihm die Ausreise sichern. Der Journalist lässt sich widerwillig vom Geheimdienst rekrutieren. Doch Regie bei dem, was auf der Pekinger Bühne geschieht, führen andere Kräfte. Und zwar nicht nur die zuständige MI6-Abteilung in London, sondern private Sicherheitsfirmen, mit denen der Dienst sich eingelassen hat und die nicht unbedingt der gleichen Agenda folgen. Brookes' Roman ist spannend, voller Atmosphäre und Action, nur die Figuren bleiben ein bisschen zu skizzenhaft.
Und dann ist da noch ein alter Bekannter, der ehemalige Polizist Fallner, der noch immer am liebsten in der Security-Firma seines Bruders kündigen würde. Franz Dobler schenkt ihm in "Ein Schuss ins Blaue" (Tropen, 288 S., geb., 20,-[Euro]) den dritten Auftritt, und man stellt fest, dass man Fallners noch nicht müde ist. Er teilt aus, er steckt ein, er muss all die Fragen einer Vierzehnjährigen aus kaputter Familie, um die sich seine Frau kümmert, beantworten; Fragen nach Gott, Theodizee und Ähnlichem, was dem Fallner als großem Grübler nur halb so schwerfällt, wie er tut. Denn in seinem unablässigen inneren Monolog, der sein Markenzeichen ist, hat er immer schon viel mehr Fragen verhandelt, als ihm je gestellt werden könnten.
Er hat, dank Doblers drastischer, kraftvoller und hartgesottener Prosa, auch immer noch die besten Sprüche, wenn er zum Beispiel beim Blick auf "zwei kichernde Vollbusen-Blondinen" zu dem Schluss kommt: "der Traum jeder Gartengrillparty, bei der man nicht über die Essays von Slavoj Zizek diskutierte". Einen Fall gibt es auch, wenngleich der in Fallner-Romanen nie das wichtigste Ingredienz ist: Mit seinem jüdischen Kollegen Landmann soll Fallner einen islamistischen Attentäter in München aufspüren. Man würde todsicher nicht lesen wollen, was neunundneunzig Prozent der deutschen Krimiautoren dazu einfiele. Bei Dobler weiß man: Es wird schon werden.
PETER KÖRTE
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»Exzellente Story, geschrieben im typischen sprachlichen Dobler-Sound. Ein weiterer Volltreffer, punktgenau.« Kleine Zeitung, 13.10.2019 »Mit Robert Fallner hat [...] Franz Dobler eine Figur geschaffen, die heraussticht aus dem Überangebot an deutschen Ermittlern, die im In- und Ausland in bekannten oder weniger bekannten Städten, Regionen und Weilern Verbrechen aufdecken. [...] Wieder schön eigenwillig« Augsburger Allgemeine, Miriam Zissler, 12.10.2019 »Doblerkrimis spielen in einer hohen Liga.« Christian Döring, Amazon, 07.10.2019