Ambivalenz des „Wissen-wollens“ und „Besser-nicht-wissen“
In Lisa Quentins Roman 'Ein völlig anderes Leben' wird die 32jährige Hauptfigur Jule dabei begleitet, wie sie sich nach dem Tod ihrer Mutter umorientieren muss.
“Vorsicht Spoiler!”: Der Leser beobachtet Jule, wie sie verzweifelt nach
ihrer wahren Identität sucht: wie sie sich gehen lässt, wie sie mit der Ambivalenz des…mehrAmbivalenz des „Wissen-wollens“ und „Besser-nicht-wissen“
In Lisa Quentins Roman 'Ein völlig anderes Leben' wird die 32jährige Hauptfigur Jule dabei begleitet, wie sie sich nach dem Tod ihrer Mutter umorientieren muss.
“Vorsicht Spoiler!”: Der Leser beobachtet Jule, wie sie verzweifelt nach ihrer wahren Identität sucht: wie sie sich gehen lässt, wie sie mit der Ambivalenz des „Wissen-wollens“ und „Besser-nicht-wissen“ kämpft.
Lisa Quentins Schreibstil ermöglicht verschiedene Stimmungen deutlich zu machen: Auf der einen Seite werden Häuser raffiniert - fast vermenschlicht - beschrieben oder Naturerscheinungen mit wunderbaren Worten bedacht; auf der anderen Seite wird unschön Erlebtes mit einer Nüchternheit belegt, dass ich das Gefühl hatte, nur mit abgehacktem Tempo lesen zu können. Vielleicht wurde das von der Autorin genauso gewünscht…
“Vorsicht Spoiler!”: Der Leser muss sich auf den Wechsel von Jules Erleben und den Monologen ihrer Mutter einstellen. Ich muss gestehen, dass mir das ein wenig schwergefallen ist, da für mich erst nicht zu erkennen war, von wem hier die Rede ist.
Den Anfang las ich mit einem Rutsch, da dieser gefällig geschrieben war. Als es mehr in die Tiefe ging, musste ich öfter innehalten, um die Menge an Informationen zu sortieren. Es gab für mich zwei besonders spannende Momente (ab Seite 143 und dann wieder ab Seite 167), die ich mir ausführlicher beschrieben gewünscht hätte. Ja, da hätte ich gerne mehr von gehabt.
“Vorsicht Spoiler!”: Ansonsten werden viele Themen angesprochen: wie die Flucht im 2. Weltkrieg, das Leben der Nachkriegskinder, das Leben in der ehemaligen DDR mit seinen Folgen und das Hauptthema Adoption, daneben noch Zerrissenheit und Parentifizierung. Vielleicht hätte das Nachkriegsgeschehen weniger Raum gebraucht. Mir waren das zu viele Themen in einem Buch; eventuell wäre diese Vielzahl in zwei Bänden besser untergebracht.
Scheinbar bin ich als Nachkriegskind nicht objektiv genug und habe zu viel über die Schrecken der Flucht gehört oder gelesen. Emotionslose und auf Fakten bezogene Berichte, wie auch in 'Ein völlig anderes Leben' erwähnt und so transportiert. Der Schrecken lässt sich vermutlich auch gar nicht in Worte fassen. Das wurde mir wieder einmal deutlich gemacht.