Wo sind wir, wenn wir reisen? David Wagner, ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse für sein Buch "Leben", schreibt in seinem neuen Buch über Hotelzimmer, wie jeder sie kennt und so noch nie gesehen hat.
Ein Mann reist von Stadt zu Stadt, quer durch Deutschland und Europa bis nach China und in den Iran, aber Augen hat er immer nur für das: Hotelzimmer. Er kann sich nicht sattsehen an ihnen, bestaunt mit nie erlahmender Neugier, was es da alles gibt: Erdbeeren in einem Schüsselchen. Liegt neben dem Telefon ein Bleistift - spricht seiner Erfahrung nach für ein besseres Hotel - oder ein Kugelschreiber? In wildgemusterte Teppichböden sind Flecken offenbar schon eingearbeitet worden. Energiesparfunzeln, er müsste Glühbirnen dabei haben. "Zum Lesen sollte ich mich eigentlich ins Badezimmer setzen, dort, im Schminklicht, ist es hell genug." Eine "Kulturgeschichte der Unterwäsche" mit vielen Abbildungen steht im Regal, fast hätte er das Buch geklaut. Ein kleiner Frosch, den er aus einem Eingangsbereich gerettet hat, springt in ein Farnbüschel und ist verschwunden - "oder wollte er geküsst werden?" Das Glück, in einem Turmzimmer nächtigen zu können, auf einen See zu schauen, das Licht. Das Unglück der Zierkissenpest. Und warum steht in manchen Bädern eine Waage?
David Wagner, Meister der poetischen Alltagsbeobachtung und immer wieder gerühmt für seine Beschreibungskunst bei höchster stilistischer Eleganz, nimmt uns mit in mehr als einhundert Hotelzimmer, wie jeder sie kennt und so noch nie gesehen hat. Ein Buch für alle, die unterwegs sind oder anderen eine Bleibe geben. Eine aufregende, anregende Reise der Wahrnehmung von lauter Sensationen des Gewöhnlichen - eine Schule des Sehens.
Ein Mann reist von Stadt zu Stadt, quer durch Deutschland und Europa bis nach China und in den Iran, aber Augen hat er immer nur für das: Hotelzimmer. Er kann sich nicht sattsehen an ihnen, bestaunt mit nie erlahmender Neugier, was es da alles gibt: Erdbeeren in einem Schüsselchen. Liegt neben dem Telefon ein Bleistift - spricht seiner Erfahrung nach für ein besseres Hotel - oder ein Kugelschreiber? In wildgemusterte Teppichböden sind Flecken offenbar schon eingearbeitet worden. Energiesparfunzeln, er müsste Glühbirnen dabei haben. "Zum Lesen sollte ich mich eigentlich ins Badezimmer setzen, dort, im Schminklicht, ist es hell genug." Eine "Kulturgeschichte der Unterwäsche" mit vielen Abbildungen steht im Regal, fast hätte er das Buch geklaut. Ein kleiner Frosch, den er aus einem Eingangsbereich gerettet hat, springt in ein Farnbüschel und ist verschwunden - "oder wollte er geküsst werden?" Das Glück, in einem Turmzimmer nächtigen zu können, auf einen See zu schauen, das Licht. Das Unglück der Zierkissenpest. Und warum steht in manchen Bädern eine Waage?
David Wagner, Meister der poetischen Alltagsbeobachtung und immer wieder gerühmt für seine Beschreibungskunst bei höchster stilistischer Eleganz, nimmt uns mit in mehr als einhundert Hotelzimmer, wie jeder sie kennt und so noch nie gesehen hat. Ein Buch für alle, die unterwegs sind oder anderen eine Bleibe geben. Eine aufregende, anregende Reise der Wahrnehmung von lauter Sensationen des Gewöhnlichen - eine Schule des Sehens.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ulrich Rüdenauer reist mit David Wagner von Hotelzimmer zu Hotelzimmer, von Offenburg über Turin bis nach Kairo. An Joseph Roth erinnert, sucht er allerdings vergebens nach einem irgendwie erhellenden Ausgreifen der Texte über das idiosynkratische Erleben des Autors und das mal luxuriöse, mal bescheidene Zimmerinterieur hinaus. Wagner ist vor allem ein Drinni! Erkundet Einrichtung, Atmosphäre und allenfalls die Frühstücksnachbarin. Das macht er elegant, poetisch. Mehr als eine Fingerübung ist das Buch für Rüdenauer aber nicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.201618. Im Hotel übernachten - aber wo?
Der Schriftsteller David Wagner war in Hotels überall in der Welt. Von Stadt zu Stadt ist er gereist, quer durch Deutschland und Europa bis nach China, und hat all seine feinen Beobachtungen festgehalten. Er schreibt keine Hotelkritiken, er sammelt poetische Details: Tischtennisplatte, Tischkicker, Asterix-Hefte und Musikbox im "25Hours Hotel Hamburg Number One" ("Sind wir in eine Jugendherberge geraten?"). Die leere Kondompackung unter dem Zimmertelefon im "Leonardo Hotel" Budapest. Die Initialen J. H., die jemand in der Lehne eines Sessels aus massivem Holz im "Ayre Hotel Caspe" in Barcelona eingeritzt hat (sind es die eignen oder die einer oder eines Geliebten?). Das Klemmbrett, das am Putzwagen des Zimmermädchens im "Best Western Plus Hotel Bahnhof" in Schaffhausen hängt und auf dem die Namen der übrigen Gäste zu lesen sind (Monika Maron wohnt in Zimmer 23, Klaus Modick in der Nummer zwölf). Oder das "Drinking Water"-Schild am dünnrohrigen Wasserhahn im "BFSU Hotel" Peking: Unter dem Waschbecken entdeckt David Wagner dort mehrere hintereinandermontierte Behälter, Schläuche und einen Tank, die er als Wasserreinigungsanlage identifiziert. Ein Schildchen (überall Schilder!) besagt, die Reinigung erfolge durch Umkehrosmose. Er trinkt das Wasser trotzdem nicht. Aber er staunt weiter. Und das ist das Erstaunlichste an Wagners Buch "Ein Zimmer im Hotel", dass er sich trotz der so unterschiedlichen Hotelerfahrungen einen zugewandten, freundlichen Blick bewahrt hat. Wagner, man glaubt es ihm, liebt Hotels. Man glaubt es ihm sogar noch, als er im "Amber Hotel" in Hilden, wo das Teppichmuster Flecken tarnen soll, froh ist, seine Flipflops dabeizuhaben und diesen Teppichboden nicht mit nackten Füßen betreten zu müssen. Eine Übernachtung im Hotel, in London oder Paris, in New York oder Marrakesch, gehört zu den schönsten Geschenken. Für den, der nicht wegwill, reicht "Ein Zimmer im Hotel". Oder, noch schöner, man liest dieses Buch in den Hotels, die David Wagner beschreibt, und setzt seinen Eindrücken die eigenen entgegen. Der französische Schriftsteller Georges Perec hatte einmal vor, alle Ort zu beschreiben, an denen er geschlafen hat. David Wagner hat sich da lieber eingeschränkt. Hotels, in denen Kugelschreiber auf dem Zimmer liegen, seien eher nicht so gute, Hotels, in denen es Bleistifte gibt, eher bessere, sagt der Schriftsteller. Er muss es wissen.
Julia Encke
David Wagner: "Ein Zimmer im Hotel". Rowohlt, 128 Seiten, 18,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Schriftsteller David Wagner war in Hotels überall in der Welt. Von Stadt zu Stadt ist er gereist, quer durch Deutschland und Europa bis nach China, und hat all seine feinen Beobachtungen festgehalten. Er schreibt keine Hotelkritiken, er sammelt poetische Details: Tischtennisplatte, Tischkicker, Asterix-Hefte und Musikbox im "25Hours Hotel Hamburg Number One" ("Sind wir in eine Jugendherberge geraten?"). Die leere Kondompackung unter dem Zimmertelefon im "Leonardo Hotel" Budapest. Die Initialen J. H., die jemand in der Lehne eines Sessels aus massivem Holz im "Ayre Hotel Caspe" in Barcelona eingeritzt hat (sind es die eignen oder die einer oder eines Geliebten?). Das Klemmbrett, das am Putzwagen des Zimmermädchens im "Best Western Plus Hotel Bahnhof" in Schaffhausen hängt und auf dem die Namen der übrigen Gäste zu lesen sind (Monika Maron wohnt in Zimmer 23, Klaus Modick in der Nummer zwölf). Oder das "Drinking Water"-Schild am dünnrohrigen Wasserhahn im "BFSU Hotel" Peking: Unter dem Waschbecken entdeckt David Wagner dort mehrere hintereinandermontierte Behälter, Schläuche und einen Tank, die er als Wasserreinigungsanlage identifiziert. Ein Schildchen (überall Schilder!) besagt, die Reinigung erfolge durch Umkehrosmose. Er trinkt das Wasser trotzdem nicht. Aber er staunt weiter. Und das ist das Erstaunlichste an Wagners Buch "Ein Zimmer im Hotel", dass er sich trotz der so unterschiedlichen Hotelerfahrungen einen zugewandten, freundlichen Blick bewahrt hat. Wagner, man glaubt es ihm, liebt Hotels. Man glaubt es ihm sogar noch, als er im "Amber Hotel" in Hilden, wo das Teppichmuster Flecken tarnen soll, froh ist, seine Flipflops dabeizuhaben und diesen Teppichboden nicht mit nackten Füßen betreten zu müssen. Eine Übernachtung im Hotel, in London oder Paris, in New York oder Marrakesch, gehört zu den schönsten Geschenken. Für den, der nicht wegwill, reicht "Ein Zimmer im Hotel". Oder, noch schöner, man liest dieses Buch in den Hotels, die David Wagner beschreibt, und setzt seinen Eindrücken die eigenen entgegen. Der französische Schriftsteller Georges Perec hatte einmal vor, alle Ort zu beschreiben, an denen er geschlafen hat. David Wagner hat sich da lieber eingeschränkt. Hotels, in denen Kugelschreiber auf dem Zimmer liegen, seien eher nicht so gute, Hotels, in denen es Bleistifte gibt, eher bessere, sagt der Schriftsteller. Er muss es wissen.
Julia Encke
David Wagner: "Ein Zimmer im Hotel". Rowohlt, 128 Seiten, 18,95 Euro
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Kluge Miniaturen über Hotelzimmer. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung