Andere Bands mögen von Stadt zu Stadt jetten und in Hotels leben davon halten Manu Chao und seine damalige Band La Mano Negra gar nichts: Im eigenen, aus Schrottteilen zusammengebastelten Zug durchqueren sie mit einer Gruppe französischer, kolumbianischer und brasilianischer Künstler trotz Warnungen wegen vieler Morde und Entführungen das ländliche Kolumbien. Auf einer Bahnstrecke, die längst nicht mehr befahren wird und so manche Entgleisung verursacht, kommen sie mit der rasanten Geschwindigkeit von 20 Stundenkilometern voran. Auf ihren kostenlosen Konzerten treffen sie auf Bauernfamilien, Heimatlose, Drogendealer, Militärs und Guerilleros, werden mit Hitze und Krankheiten, fehlender Nahrung und Wassermangel, mit Begeisterung und Gastfreundschaft konfrontiert. Hier entsteht das vierte Mano Negra-Album Casa Babylon, und hier beginnt Manu Chaos Leidenschaft fürs Reisen.
Der Bericht von Ramón Chao über diese wahnwitzige Fahrt durch das Tal des Rio Magdalena ist lakonisch, aber auch bunt und schillernd. Er beobachtet die Künstler im Alter seines Sohnes mit sympathisierender Distanz. Zusammen folgen sie den Spuren von Marquez 100 Jahre Einsamkeit und durchstehen ein unvergessliches Abenteuer.
Der Bericht von Ramón Chao über diese wahnwitzige Fahrt durch das Tal des Rio Magdalena ist lakonisch, aber auch bunt und schillernd. Er beobachtet die Künstler im Alter seines Sohnes mit sympathisierender Distanz. Zusammen folgen sie den Spuren von Marquez 100 Jahre Einsamkeit und durchstehen ein unvergessliches Abenteuer.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2009Mit Musik die Menschen erfreuen
Es sind vor allem die Schwarzweißfotografien in der Mitte von Ramón Chaos Reisebericht "Ein Zug aus Eis und Feuer", die erahnen lassen, welche Bedeutung diese phantastisch anmutende Geschichte gehabt haben mag. Auf ihnen sind sie zu sehen, die alternativen Musiker, Kleinkünstler und Tätowierladenbetreiber, die mit einem eigens zurechtgemachten Zug als bunt zusammengewürfelter Wanderzirkus im November 1993 durch Kolumbien fahren. Sie tun es, um Farbenfreude und Musik in die entlegenen kleinen Dörfer zu bringen, deren Bewohner mit den Regierungsmilitärs genauso zu kämpfen haben wie mit der damals noch viel bedeutenderen Drogen-Guerrilla. Viele dieser Menschen haben seit mehr als zwanzig Jahren keinen Zug vor ihrer Haustür halten sehen. Gerade deshalb wirkt es so unvorstellbar, dass die herbeigesehnte Heilserwartung tatsächlich die Gestalt einer demolierten Dampflokomotive haben soll, die schrottreife Schienen entlangstottert. Auf den Bildern ist zu sehen, wie der Zug halten musste und die Insassen gezwungen waren, provisorisch neue Gleise zu verlegen oder verschüttete freizuschaufeln. Außerdem sind Menschen abgebildet, die freudig-neugierig auf die Gäste zugehen. Gerne würde man sie näher kennenlernen und erfahren, ob die aus der Bildbetrachtung abgeleiteten Vermutungen tatsächlich zutreffen. Doch solche Wünsche und Vorstellungen werden enttäuscht. Ramón Chao bleibt in seinem Buch stets an der Oberfläche und wechselt selbst dafür noch viel zu schnell zwischen Personen, Plätzen und verdorbenen Pointen. Da berichtet er etwa, dass nachts die Reisenden ihre kleinen Geschäfte vom Dach des letzten Waggons aus verrichten, der Zug überraschend bremst, beinahe alle herunterfallen, Mechaniker im Mondlicht Schienen reparieren, alles gerade noch mal gutgeht - und dann folgt dieser Kommentar: "Das sind so die kleinen Ereignisse am Rande der Weltgeschichte." Das sind so, möchte man anfügen, die kleinen Sätze, die bei ihm regelmäßig dafür sorgen, dass man nicht weiterlesen möchte.
ala.
"Ein Zug aus Eis und Feuer - Mit Mano Negra durch Kolumbien" von Ramón Chao. Edition Nautilus, Hamburg 2008. 240 Seiten, 30 Fotos. Broschiert, 14,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Es sind vor allem die Schwarzweißfotografien in der Mitte von Ramón Chaos Reisebericht "Ein Zug aus Eis und Feuer", die erahnen lassen, welche Bedeutung diese phantastisch anmutende Geschichte gehabt haben mag. Auf ihnen sind sie zu sehen, die alternativen Musiker, Kleinkünstler und Tätowierladenbetreiber, die mit einem eigens zurechtgemachten Zug als bunt zusammengewürfelter Wanderzirkus im November 1993 durch Kolumbien fahren. Sie tun es, um Farbenfreude und Musik in die entlegenen kleinen Dörfer zu bringen, deren Bewohner mit den Regierungsmilitärs genauso zu kämpfen haben wie mit der damals noch viel bedeutenderen Drogen-Guerrilla. Viele dieser Menschen haben seit mehr als zwanzig Jahren keinen Zug vor ihrer Haustür halten sehen. Gerade deshalb wirkt es so unvorstellbar, dass die herbeigesehnte Heilserwartung tatsächlich die Gestalt einer demolierten Dampflokomotive haben soll, die schrottreife Schienen entlangstottert. Auf den Bildern ist zu sehen, wie der Zug halten musste und die Insassen gezwungen waren, provisorisch neue Gleise zu verlegen oder verschüttete freizuschaufeln. Außerdem sind Menschen abgebildet, die freudig-neugierig auf die Gäste zugehen. Gerne würde man sie näher kennenlernen und erfahren, ob die aus der Bildbetrachtung abgeleiteten Vermutungen tatsächlich zutreffen. Doch solche Wünsche und Vorstellungen werden enttäuscht. Ramón Chao bleibt in seinem Buch stets an der Oberfläche und wechselt selbst dafür noch viel zu schnell zwischen Personen, Plätzen und verdorbenen Pointen. Da berichtet er etwa, dass nachts die Reisenden ihre kleinen Geschäfte vom Dach des letzten Waggons aus verrichten, der Zug überraschend bremst, beinahe alle herunterfallen, Mechaniker im Mondlicht Schienen reparieren, alles gerade noch mal gutgeht - und dann folgt dieser Kommentar: "Das sind so die kleinen Ereignisse am Rande der Weltgeschichte." Das sind so, möchte man anfügen, die kleinen Sätze, die bei ihm regelmäßig dafür sorgen, dass man nicht weiterlesen möchte.
ala.
"Ein Zug aus Eis und Feuer - Mit Mano Negra durch Kolumbien" von Ramón Chao. Edition Nautilus, Hamburg 2008. 240 Seiten, 30 Fotos. Broschiert, 14,90 Euro.
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