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Rosemarie Poiarkovs junge Frauen, denen wir in den zwölf Geschichten begegnen, finden im Alltag das Besondere, sie bauen sich Träume und begeben sich in Gefahr, vom Höhenflug bis zum Absturz ist alles möglich. In diesen Prosastücken klingt der Sound einer neuen Generation an, die wunderbar unprätentiös das Eigene mit dem Täglichen verbindet und die in Rosemarie Poiarkov eine Stimme hat, die für Aufsehen sorgt und noch sorgen wird.

Produktbeschreibung
Rosemarie Poiarkovs junge Frauen, denen wir in den zwölf Geschichten begegnen, finden im Alltag das Besondere, sie bauen sich Träume und begeben sich in Gefahr, vom Höhenflug bis zum Absturz ist alles möglich. In diesen Prosastücken klingt der Sound einer neuen Generation an, die wunderbar unprätentiös das Eigene mit dem Täglichen verbindet und die in Rosemarie Poiarkov eine Stimme hat, die für Aufsehen sorgt und noch sorgen wird.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.06.2001

Im Labyrinth der Eiszeit
Routinierte Affären: Rosemarie Poiarkov hört Kuschelrock

Die Generation Cool hat ein steinernes Herz; ein Herz, erfroren unter den Schweißausbrüchen der Ecstasy-Körper. Alles ist cool, alles läßt kalt, einzig für das "Ur-Coole" kann man sich noch erwärmen. "Eine CD lang", das Debüt der 1973 geborenen Wienerin Rosemarie Poiarkov, wegen dieser Zuflucht zum "Ur" als Fortschreibung der "Mythen des Alltags" zu bezeichnen wäre allerdings zu hoch gegriffen. Alltag ja, Mythos nein: Auch unsere antike Postmoderne kann sich wenig Hoffnung machen, dereinst zu den klassischen Zeitaltern gerechnet zu werden - obwohl dem Plateauschuh eine gewisse Ähnlichkeit mit dem attischen Kothurn nicht abzusprechen ist. Doch das ist nur äußerlich. In den "Liebesgeschichten" Poiarkovs kommen Hochgefühle gar nicht erst auf: Setzt du deinen Fuß auch auf himmelhohe Barhocker, du bleibst doch immer am Boden zerstört.

"Rumhängen" kann denn auch als das Schlüsselwort nicht nur dieser Erzählungen, sondern einer ganzen Generation bezeichnet werden. "Dunkel und muffig" fühlt man sich; man steht "kurz vor der Depression", weiß aber nicht so recht, was das ist - vielleicht das leere Gefühl vor der Wirkung des Gekifften. Man liest und schätzt Jean Amérys Buch über den Selbstmord, lebt aber nicht danach, denn statt aus der "Möglichkeit der Möglichkeiten" heraus zu handeln: statt aus dem "Sein zum Tode" das Streben nach der eigensten Seinsmöglichkeit zu deduzieren, verlungert man seine öden, sinnleeren Nächte im Torso oder im Frey. Diese Wiener Szenelokale bilden die bevorzugten Trinkstätten der Erzählerin und werden als Schauplätze eines studentischen Lebens geschildert, in dem jeder für sich der gemeinsamen Unlust und geistigen Apathie frönt.

Denn zu einer erfüllten zwischenmenschlichen Begegnung kommt es in Poiarkovs "Liebesgeschichten" nicht: Das höchste der Gefühle ist erreicht, wenn man ein bißchen Kuschelrock miteinander haben kann, und sei es auch nur "eine CD lang". Mehr ist nicht drin, und mehr will man auch gar nicht - resignativ, wie die Décadence nun einmal gestimmt ist: "Ich möchte eine Liebesgeschichte erzählen, aber es gibt keine Geschichten mehr über die Liebe." Erzählkrise? Sprachkrise? Das ist nebensächlich für eine Generation, die am steinernen Herzen leidet: "Ich will eine Liebesgeschichte erzählen, aber Liebe gibt es nicht, wird es nie geben, hat es nie gegeben." Und also erzählt man die "Geschichte des Auftretens von Sehnsucht in einem Leben, das die Sehnsucht weit hinter sich gelassen hat". Man erzählt die Geschichte von der Sehnsucht, die eine CD lang währte.

Das Ergebnis: pornographische Bitterschokolade, an der die Erzählerin lutscht, bis jedes Geschmacksempfinden abgestumpft und dem Leser zum Kotzen ist. Dabei könnte alles so kuschelig sein: "Die Erwartung eines warmen Bettes mit einem vertrauten Körper darin, der auf mich warten würde, an den ich mich kuscheln könnte, wenn ich nach Hause käme, so daß ich nicht zu weinen bräuchte." Was man braucht, ist Rockzipfeltrost, aber so, daß keine "Sehnsucht nach dauernder Nähe" aufkommt. Weswegen die Generation Kuschelrock zugleich die Generation des One-Night-Stand ist, und zwar, das ist das Traurige, eines "ganz normalen One-Night-Stand". Denn alles ist hier "ganz normal" und damit auch banal und substanzlos und also beständig des Stoffes bedürftig: Sex and drugs wechseln sich ab. "Zu sehr geübt" ist man auch "in der Nacht- und Betrunkenheitskommunikation", als daß etwas Einmaliges möglich wäre.

Zwar ist es immerhin raffiniert, wenn "Er" Xylophon spielt und "Ihr" dann das Stäbchen in die Kniekehle steckt, doch inmitten der "Automatik des Lachens und Antwortens" wirkt auch solche Verspieltheit unecht: Pulp fiction, so weit das Auge reicht. Denn nicht nur dem Inhalt, sondern auch der Form nach bleibt es in diesem Buch bei geschnorrten Joints: ein bißchen Harold Brodkey, ein bißchen Ulysses, die Coda eine bißchen nach Sangart der Molly, nur daß bei der alles ohne Punkt und Komma und auch nicht so cool ist. "Es gibt keine Geschichten mehr über die Liebe", und also, so scheint es, ist auch kein Erzählen, erst recht kein gekonntes, mehr möglich. Zwar die freie Assoziation versteht die Wienerin meisterlich, doch solche Kunst wird inzwischen ja auch in Talkshows erprobt - von literarischer Autonomie zeugt sie nicht, und so kann dieses Buch auch keinen Ausweg aus dem Ennui weisen, den es schildert. Was traurig genug ist.

SANDRA KLUWE

Rosemarie Poiarkov: "Eine CD lang". Paul Zsolnay Verlag, Wien 2001. 192 S., geb., 29,80 DM.

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