Ned Vizzini hat eine warmherzige, urkomische Geschichte über den manchmal verschlungenen Weg zum Glück geschrieben.
Genau wie so viele Teens in New York sieht auch Craig Gillner die Aufnahme in die Manhattan Executive Pre-Professional High School als Ticket in die Zukunft an. Doch als er den Aufnahmetest bestanden hat, beginnen seine Selbstzweifel, immer stärker zu werden.
Schließlich, als es für ihn nur noch die Alternative'Selbstmord'gibt, weist er sich selbst in die Psychiatrie ein. Und genau dort, wo es niemand vermuten würde, in Gesellschaft einer Gruppe von seltsamen Menschen um seinen ägyptischen Zimmernachbarn, der sich seit Jahren weigert, sein Bett zu verlassen, einen chassidischen Juden, der an den Folgen zu heftigen Acid-Genusses leidet und eines sexsüchtigen Transsexuellen, findet Craig zurück zu alten längst vergessenen Stärken.
Genau wie so viele Teens in New York sieht auch Craig Gillner die Aufnahme in die Manhattan Executive Pre-Professional High School als Ticket in die Zukunft an. Doch als er den Aufnahmetest bestanden hat, beginnen seine Selbstzweifel, immer stärker zu werden.
Schließlich, als es für ihn nur noch die Alternative'Selbstmord'gibt, weist er sich selbst in die Psychiatrie ein. Und genau dort, wo es niemand vermuten würde, in Gesellschaft einer Gruppe von seltsamen Menschen um seinen ägyptischen Zimmernachbarn, der sich seit Jahren weigert, sein Bett zu verlassen, einen chassidischen Juden, der an den Folgen zu heftigen Acid-Genusses leidet und eines sexsüchtigen Transsexuellen, findet Craig zurück zu alten längst vergessenen Stärken.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.10.2007Der Preis des Erfolgs
Ned Vizzini: Eine echt verrückte Story
Ob sich im eigenen Kopf wirklich nur eine graue Masse befindet oder nicht doch vielleicht ein komplizierter dreidimensionaler Stadtplan, mit sechsspurigen Straßen, Auffahrten und Abfahrten, mit Sackgassen und Brücken und Unterführungen und kleinen Flüssen und Parks und Verkehrsinseln?
Wenn es nach unserem tragischen Helden Craig Gilner aus Ned Vizzinis Roman Eine echt verrückte Story ginge, wäre das durchaus vorstellbar. Im Moment scheint der 15-Jährige allerdings jede Orientierung verloren zu haben. Er hat sich freiwillig in eine psychiatrische Klinik begeben, nachdem er in der Nacht zuvor von der Brooklyn Bridge springen wollte. Ein Rätsel. Der junge Mann ist ein wirklich freundlicher Typ. Er hat liebe Eltern und eine gewitzte kleine Schwester. Er ist ein aufgewecktes Bürschchen mit einem für sein Alter ziemlich verständlichen Wunsch: Er möchte Präsident werden oder zumindest sowas Ähnliches. Das heißt, er will auf die beste aller Highschools und er schafft es. Der Erfolg hat seinen Preis: schlaflose Nächte, Erbrechen, schwere Depressionen. Und dazu noch die bittere Erkenntnis, dass es vielen seiner Mitschüler leichter fällt, den Leistungserwartungen zu entsprechen.
Das ist die Zeit, in der der Junge allerorten Tentakel wachsen sieht, die ihn zu erdrücken drohen. Das ist die Zeit, in der sich das Karussell aus Verpflichtung und Selbstverpflichtung immer schneller dreht. Das ist die Zeit, in der ihm, wie er es nennt, „die Anker” verlorengehen, die ihn selbst in stürmischer See ein Gefühl von Geborgenheit gaben. Seine Lieblingsbeschäftigung in glückseligeren Kindertagen war so etwas wie ein Anker. Er zeichnete unterm Küchentisch Stadtpläne, frei erfundene Stadtpläne. Und jetzt, in der Psychiatrie, entdeckt er sein Talent wieder. Craig lässt uns an allem teilhaben, was ihm in den fünf Tagen auf der geschlossenen Station widerfährt, in diesem bunten Häufchen von Menschen, die auf unterschiedlichste Art mit dem Leben draußen nicht mehr zurechtkommen. „Ich sehne mich nach Einfachheit, nach Reinheit, unkomplizierten Entscheidungen und dem Fehlen von Zwängen”, erzählt Craig. „Ich sehne mich nach der Vorschule.” Ned Vizzinis Roman ist so etwas wie eine Vorschule hoffnungsfrohen Denkens, ein Verteidigungskurs gegen die Dämonen des ganz normalen Wahnsinns. Schließlich nimmt der Erwartungsdruck allerorten rasant zu. Vor allem kommt er immer früher und kriecht in alle Poren des Lebens. „Demnächst wird es Siebtel- und Achtellebenskrisen geben”, prognostiziert Craig sarkastisch, nicht nur Midlife-Krisen. Er sieht sich bereits in der Sechstellebenskrise. Je mehr er unter dem schützenden Dach der Station Distanz zum Alltag vor der Tür gewinnt, desto deutlicher wird seine Einsicht: Die Welt draußen ist aus den Fugen. Und: Sein Leben wird nicht geheilt. Es wird bestenfalls gemanagt.
Ned Vizzini hat sich selbst fünf Tage in einer psychiatrischen Klinik aufgehalten und danach binnen drei Wochen seinen Roman geschrieben. Ob er die Tage als teilnehmender Beobachter erlebte oder als Patient, ist nicht bekannt. Jedenfalls schildert der 26-jährige Informatiker und Autor die verworrenen Seelenlagen der Menschen auf der Station wunderbar unprätentiös und unaufgeregt. Ein Hauch von Einer flog über das Kuckucksnest. Vizzini nimmt, bei aller Ironie, seine Figuren nicht nur ernst, er liebt sie. Und diese Liebe für die gebrochenen Helden überträgt sich auf die Leser. Wer am Anfang nicht daran glaubt, dass in seinem Kopf ein bunter und ziemlich komplizierter Stadtplan existiert, der wird nach der Lektüre auf seinen selbstgebastelten Highways entlangbrausen. (ab 13 Jahre) SIGGI SEUSS
NED VIZZINI: Eine echt verrückte Story. Aus dem Amerikanischen von Silvia Morawetz und Werner Schmitz. Rockbuch Verlag 2007. 382 Seiten, 14 Euro.
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Ned Vizzini: Eine echt verrückte Story
Ob sich im eigenen Kopf wirklich nur eine graue Masse befindet oder nicht doch vielleicht ein komplizierter dreidimensionaler Stadtplan, mit sechsspurigen Straßen, Auffahrten und Abfahrten, mit Sackgassen und Brücken und Unterführungen und kleinen Flüssen und Parks und Verkehrsinseln?
Wenn es nach unserem tragischen Helden Craig Gilner aus Ned Vizzinis Roman Eine echt verrückte Story ginge, wäre das durchaus vorstellbar. Im Moment scheint der 15-Jährige allerdings jede Orientierung verloren zu haben. Er hat sich freiwillig in eine psychiatrische Klinik begeben, nachdem er in der Nacht zuvor von der Brooklyn Bridge springen wollte. Ein Rätsel. Der junge Mann ist ein wirklich freundlicher Typ. Er hat liebe Eltern und eine gewitzte kleine Schwester. Er ist ein aufgewecktes Bürschchen mit einem für sein Alter ziemlich verständlichen Wunsch: Er möchte Präsident werden oder zumindest sowas Ähnliches. Das heißt, er will auf die beste aller Highschools und er schafft es. Der Erfolg hat seinen Preis: schlaflose Nächte, Erbrechen, schwere Depressionen. Und dazu noch die bittere Erkenntnis, dass es vielen seiner Mitschüler leichter fällt, den Leistungserwartungen zu entsprechen.
Das ist die Zeit, in der der Junge allerorten Tentakel wachsen sieht, die ihn zu erdrücken drohen. Das ist die Zeit, in der sich das Karussell aus Verpflichtung und Selbstverpflichtung immer schneller dreht. Das ist die Zeit, in der ihm, wie er es nennt, „die Anker” verlorengehen, die ihn selbst in stürmischer See ein Gefühl von Geborgenheit gaben. Seine Lieblingsbeschäftigung in glückseligeren Kindertagen war so etwas wie ein Anker. Er zeichnete unterm Küchentisch Stadtpläne, frei erfundene Stadtpläne. Und jetzt, in der Psychiatrie, entdeckt er sein Talent wieder. Craig lässt uns an allem teilhaben, was ihm in den fünf Tagen auf der geschlossenen Station widerfährt, in diesem bunten Häufchen von Menschen, die auf unterschiedlichste Art mit dem Leben draußen nicht mehr zurechtkommen. „Ich sehne mich nach Einfachheit, nach Reinheit, unkomplizierten Entscheidungen und dem Fehlen von Zwängen”, erzählt Craig. „Ich sehne mich nach der Vorschule.” Ned Vizzinis Roman ist so etwas wie eine Vorschule hoffnungsfrohen Denkens, ein Verteidigungskurs gegen die Dämonen des ganz normalen Wahnsinns. Schließlich nimmt der Erwartungsdruck allerorten rasant zu. Vor allem kommt er immer früher und kriecht in alle Poren des Lebens. „Demnächst wird es Siebtel- und Achtellebenskrisen geben”, prognostiziert Craig sarkastisch, nicht nur Midlife-Krisen. Er sieht sich bereits in der Sechstellebenskrise. Je mehr er unter dem schützenden Dach der Station Distanz zum Alltag vor der Tür gewinnt, desto deutlicher wird seine Einsicht: Die Welt draußen ist aus den Fugen. Und: Sein Leben wird nicht geheilt. Es wird bestenfalls gemanagt.
Ned Vizzini hat sich selbst fünf Tage in einer psychiatrischen Klinik aufgehalten und danach binnen drei Wochen seinen Roman geschrieben. Ob er die Tage als teilnehmender Beobachter erlebte oder als Patient, ist nicht bekannt. Jedenfalls schildert der 26-jährige Informatiker und Autor die verworrenen Seelenlagen der Menschen auf der Station wunderbar unprätentiös und unaufgeregt. Ein Hauch von Einer flog über das Kuckucksnest. Vizzini nimmt, bei aller Ironie, seine Figuren nicht nur ernst, er liebt sie. Und diese Liebe für die gebrochenen Helden überträgt sich auf die Leser. Wer am Anfang nicht daran glaubt, dass in seinem Kopf ein bunter und ziemlich komplizierter Stadtplan existiert, der wird nach der Lektüre auf seinen selbstgebastelten Highways entlangbrausen. (ab 13 Jahre) SIGGI SEUSS
NED VIZZINI: Eine echt verrückte Story. Aus dem Amerikanischen von Silvia Morawetz und Werner Schmitz. Rockbuch Verlag 2007. 382 Seiten, 14 Euro.
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