"Sprachpolizei", "Moralapostel", "Genderkrampf" - warum erhitzen sich die Gemüter so an Political Correctness? Warum protestieren Menschen gegen die Bekämpfung von sexistischem und rassistischem Sprachgebrauch? Der Sprachwissenschaftler und Blogger Anatol Stefanowitsch analysiert aufgeheizte Debatten der letzten Jahre: "Gerechte Sprache allein schafft noch keine gerechte Welt. Aber indem wir sie verwenden, zeigen wir, dass wir eine gerechte Welt überhaupt wollen."
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.03.2018Der Kartoffel-Krieg
Sprache ist Handeln, und Handeln kann verletzen: Politisch korrekte Sprache ist keine autoritäre
Gängelung, sondern das Symptom einer emanzipatorischen Gesellschaft
VON FELIX STEPHAN
Wenn an diesem Mittwoch in Leipzig die Buchmesse eröffnet, wird es neben dem „Fachzentrum Bildung“, dem „Nordischen Forum“ und der „Leseinsel Junge Verlage“ auch wieder einen gesonderten Bereich geben, in dem, das weiß man schon jetzt, Ausnahmezustand herrschen wird. Man weiß das jetzt schon so genau, weil in diesem Bereich die rechten Verlage versammelt sein werden, und da deren Geschäftsmodell davon abhängt, dass die Welt in Aufruhr ist und Deutschland im Untergang begriffen, bringen sie den Ausnahmezustand immer zuverlässig mit.
Eine der wichtigsten Instrumente im Besteckkasten ist dabei die Sprache, auf der Buchmesse vielleicht noch ein wenig mehr als ohnehin. Es wird also in dieser Ecke wieder von der „Systempresse“ die Rede sein, von „Volksverrätern“ und den „Globalisten“, die man am liebsten „vaterlandslose Gesellen“ nennen würde und doch eigentlich „Juden“ meint.
Und wenn sich doch wieder jemand findet, der gegen dieses Vokabular Einspruch einlegt, wird die Meinungsfreiheit aus der Kiste geholt, schließlich ist die akut bedroht, nicht jedoch von den Faschisten, sondern von der allmächtigen politischen Korrektheit. Wenn Frauen vor Gericht ziehen, um eine korrekte Ansprache zu erstreiten, und es Kundenproteste gibt, wenn Gebäck im Schaufenster „Mohrenköpfle“, heißt, dann ist dieser Logik zufolge ein illiberales Regime am Werk, das den Einzelnen seiner Bewegungsfreiheit beraubt.
Dass Freiheit und politische Korrektheit sich gegenseitig ausschließen, ist wahrscheinlich eine der erfolgreichsten Sentenzen der internationalen Rechten. Sie basiert auf der Vorstellung, in den Großstädten sitze eine liberale Elite, die mit den Befindlichkeiten der Minderheiten stärker befasst ist als mit den Angelegenheiten der Allgemeinheit. Die Regulierung der Sprache ist in dieser Rechnung lediglich ein Symptom unter vielen für die Meinungsführerschaft einer entrückten Kaste, die abweichende Ansichten nicht mehr zulässt. Die politische Korrektheit ist kurz gesagt ein Unterdrückungsinstrument, das von den Mächtigen gegen die Machtlosen in Anschlag wird.
In Teilen ist da sogar etwas dran: In seinem Aufsatz „Eine Frage der Moral - Warum wir eine politisch korrekte Sprache brauchen” hat der Bremer Linguist Anatol Stefanowitsch gerade noch einmal darauf hingewiesen, dass Sprache immer auch Handeln ist, und folglich „sprachliche Ausdrucksformen genauso nach moralischen Gesichtspunkten zu bewerten (sind) wie andere Aspekte menschlichen Handelns.” Ob man also physisch oder rein sprachlich Gewalt ausübt oder Personen ausschließt, ist ein Unterschied, der bei genauerem Hinsehen verschwimmt, meint Stefanowitsch. Es gebe „verlässliche Hinweise darauf, dass Menschen, die regelmäßig Ziel diskriminierender Sprache sind, in ihrer psychischen und sogar körperlichen Verfassung beeinträchtigt sind. Sie ziehen sich häufiger aus dem öffentlichen Leben zurück, sind häufiger krank und begehen häufiger Selbstmord als andere Menschen.”
In diesem Sinne ist die Frage, wer straflos Gewalt ausüben und ausschließen darf, wer sein Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit gegen wen durchsetzen darf, natürlich auch eine Machtfrage. Die Diskussion darüber, wer über zulässige und unzulässige Ausdrücke entscheidet, lässt sich nicht zuletzt als eine Art Stellungskampf verstehen, in dem es um die Deutungshoheit im Lande geht.
Neu ist das Phänomen der politischen Korrektheit allerdings nicht, einen Zwang zur korrekten Personenbezeichnung hat es schon immer gegeben. Neu ist sie nur in jenen Milieus, die bislang jeden bezeichnen konnten, wie sie wollten, ohne dass jemand Einspruch dagegen erhoben hätte. Wenn die Macht im Lande in den Händen einer einzigen demografischen Gruppe liegt – sagen wir, versuchsweise, bei den weißen, heterosexuellen Männern –, dann sind die Bezeichnungen, die für Frauen, ethnische Minderheiten oder Homosexuelle im Umlauf sind, naturgemäß völlig unkontrovers, selbst wenn sie unverschämt sind. In die andere Richtung hingegen gilt eiserne politische Korrektheit: Wenn im 19. Jahrhundert eine Näherin ihren Leipziger Fabrikbesitzer eine „Kartoffel” nannte, musste sie mit wesentlich schwereren Konsequenzen rechnen als nur öffentlichem Widerspruch.
Der zivilisatorische Fortschritt des 21. Jahrhunderts besteht darin, dass die Näherin heute in der Lage ist, sich mit anderen Näherinnen zusammenzutun, und auch für sich selbst eine angemessene Bezeichnung einzufordern. Meinungsdiktatur ist das noch nicht, sondern erst einmal nur eine unbestimmte Forderung an die Öffentlichkeit. Für Frauen, Migranten oder Homosexuelle bedeutet es schließlich eher keinen Freiheitsgewinn, wenn sie routinemäßig in aller Öffentlichkeit mit Schimpfwörtern belegt werden können, es also weniger von dem gibt, was die internationale Rechte „politische Korrektheit” nennt. Der Widerstand, den in Dresden auch Uwe Tellkamp spürt, kommt nicht von oben, sondern von unten. Die politisch korrekten Formeln werden nicht von einer liberalen Elite verfügt, sondern von marginalisierten Gruppen eingefordert.
Andererseits ist die Grenze zwischen einem sensiblen Umgang mit der Sprache und einem illiberalen Essenzialismus tatsächlich bisweilen schmal. In den USA gab es vor kurzem einige Aufregung, als in der New York Times eine Rezension über Ta-Nehesi Coates’ Buch „We were eight years in power” (deutsch bei Hanser Berlin, 2018) erschienen ist. Ta-Nehisi Coates ist im Jahr 2015 mit seinem Buch „Zwischen mir und der Welt” als Fundamentalkritiker des zeitgenössischen Rassismus in den USA bekannt geworden. Die New York Times warf ihm jetzt allerdings vor, mit seiner Neigung, jedes gesellschaftliche Problem auf die Hautfarben aller Beteiligten zurückzuführen, rassistisches Denken überhaupt erst wieder einzuführen.
Die Berliner Schriftstellerin Deborah Feldman hat diesen Effekt einmal so beschrieben: Regelmäßig schrieb ihr orthodoxer Onkel Yishai die hebräischen Buchstaben H, M und N auf seine Schuhsohlen und rieb die Sohlen daraufhin auf einem Treppenabsatz ab, bis die Buchstaben verschwunden waren. Das Ritual heißt Yemach Shemo, ähnelt der damnatio memoriae und es geht dabei darum, den Namen des Bösewichts Haman auszulöschen. Mit Hitler und den Nazis sei ihr Onkel ähnlich verfahren: Bei jeder Gelegenheit habe er sie mit dem Fluch „Yemach Shemo” belegt, „sein Name sei ausgelöscht”. Erst später sei ihr die Ironie aufgefallen, schreibt Feldmann: Indem er sich immer und immer wieder daran gemacht habe, ihre Namen auszulöschen, habe er vor allem dafür gesorgt, dass sie ständig präsent waren.
Auch Anatol Stefanowitsch tappt in diese Falle. Weil er rassistische Begriffe wie „Neger” oder „Zigeuner” gar nicht erst ans Licht der Öffentlichkeit gelangen lassen will, verwendet er stattdessen eine Kombination aus dem Anfangsbuchstaben und einer Tilde, was vor allem in Komposita aussieht wie ein Google-Suchbefehl für Fortgeschrittene: „Z-schnitzel” oder „N-kuss”. Und schwierig wird es bei Adressen wie „Mohrenstraße“.
Natürlich wäre es eine sehr leichte Übung, Stefanowitsch und den Seinen vorzuhalten, sie schwüngen sich zu Hütern über die linguistische Moral auf, zum Ad-hoc-Gerichtshöfen, die eigenhändig über Recht und Unrecht entscheiden. Andererseits wird der Einfluss der Linguisten auf die Sprache erstens ohnehin nur von Leuten überschätzt, die sich gern bedroht fühlen. Und zweitens wäre die Anschlussfrage, warum Stefanowitsch dieses Recht weniger zustehen sollte als zum Beispiel dem „Verein deutsche Sprache”. Die Begriffe „E-Business” und „Laptop” wollten die Aktivisten einst durch „Netzhandel” und „Klapprechner” ersetzt wissen, was insgesamt auch nicht wenig wunderlich ist. Die politische Korrektheit von rechts hat in Deutschland in jedem Falle eine sehr viel reichere Tradition als ihr postkolonialer Gegenpart.
Anatol Stefanowitsch: Eine Frage der Moral – Warum wir eine politisch korrekte Sprache brauchen. Dudenverlag, Berlin 2018. 64 Seiten, 8 Euro.
Politische Korrektheit?
Für ihre Gegner nichts als ein
Unterdrückungsinstrument
Wenn man einen Namen immer
wieder auslöscht, bleibt er gerade
dadurch stets präsent
Regelmäßig kommen Aktivisten vorbei und platzieren zwei Punkte über das o: U-Bahnhof Mohrenstraße in Berlin.
Foto: imago stock&people
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Sprache ist Handeln, und Handeln kann verletzen: Politisch korrekte Sprache ist keine autoritäre
Gängelung, sondern das Symptom einer emanzipatorischen Gesellschaft
VON FELIX STEPHAN
Wenn an diesem Mittwoch in Leipzig die Buchmesse eröffnet, wird es neben dem „Fachzentrum Bildung“, dem „Nordischen Forum“ und der „Leseinsel Junge Verlage“ auch wieder einen gesonderten Bereich geben, in dem, das weiß man schon jetzt, Ausnahmezustand herrschen wird. Man weiß das jetzt schon so genau, weil in diesem Bereich die rechten Verlage versammelt sein werden, und da deren Geschäftsmodell davon abhängt, dass die Welt in Aufruhr ist und Deutschland im Untergang begriffen, bringen sie den Ausnahmezustand immer zuverlässig mit.
Eine der wichtigsten Instrumente im Besteckkasten ist dabei die Sprache, auf der Buchmesse vielleicht noch ein wenig mehr als ohnehin. Es wird also in dieser Ecke wieder von der „Systempresse“ die Rede sein, von „Volksverrätern“ und den „Globalisten“, die man am liebsten „vaterlandslose Gesellen“ nennen würde und doch eigentlich „Juden“ meint.
Und wenn sich doch wieder jemand findet, der gegen dieses Vokabular Einspruch einlegt, wird die Meinungsfreiheit aus der Kiste geholt, schließlich ist die akut bedroht, nicht jedoch von den Faschisten, sondern von der allmächtigen politischen Korrektheit. Wenn Frauen vor Gericht ziehen, um eine korrekte Ansprache zu erstreiten, und es Kundenproteste gibt, wenn Gebäck im Schaufenster „Mohrenköpfle“, heißt, dann ist dieser Logik zufolge ein illiberales Regime am Werk, das den Einzelnen seiner Bewegungsfreiheit beraubt.
Dass Freiheit und politische Korrektheit sich gegenseitig ausschließen, ist wahrscheinlich eine der erfolgreichsten Sentenzen der internationalen Rechten. Sie basiert auf der Vorstellung, in den Großstädten sitze eine liberale Elite, die mit den Befindlichkeiten der Minderheiten stärker befasst ist als mit den Angelegenheiten der Allgemeinheit. Die Regulierung der Sprache ist in dieser Rechnung lediglich ein Symptom unter vielen für die Meinungsführerschaft einer entrückten Kaste, die abweichende Ansichten nicht mehr zulässt. Die politische Korrektheit ist kurz gesagt ein Unterdrückungsinstrument, das von den Mächtigen gegen die Machtlosen in Anschlag wird.
In Teilen ist da sogar etwas dran: In seinem Aufsatz „Eine Frage der Moral - Warum wir eine politisch korrekte Sprache brauchen” hat der Bremer Linguist Anatol Stefanowitsch gerade noch einmal darauf hingewiesen, dass Sprache immer auch Handeln ist, und folglich „sprachliche Ausdrucksformen genauso nach moralischen Gesichtspunkten zu bewerten (sind) wie andere Aspekte menschlichen Handelns.” Ob man also physisch oder rein sprachlich Gewalt ausübt oder Personen ausschließt, ist ein Unterschied, der bei genauerem Hinsehen verschwimmt, meint Stefanowitsch. Es gebe „verlässliche Hinweise darauf, dass Menschen, die regelmäßig Ziel diskriminierender Sprache sind, in ihrer psychischen und sogar körperlichen Verfassung beeinträchtigt sind. Sie ziehen sich häufiger aus dem öffentlichen Leben zurück, sind häufiger krank und begehen häufiger Selbstmord als andere Menschen.”
In diesem Sinne ist die Frage, wer straflos Gewalt ausüben und ausschließen darf, wer sein Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit gegen wen durchsetzen darf, natürlich auch eine Machtfrage. Die Diskussion darüber, wer über zulässige und unzulässige Ausdrücke entscheidet, lässt sich nicht zuletzt als eine Art Stellungskampf verstehen, in dem es um die Deutungshoheit im Lande geht.
Neu ist das Phänomen der politischen Korrektheit allerdings nicht, einen Zwang zur korrekten Personenbezeichnung hat es schon immer gegeben. Neu ist sie nur in jenen Milieus, die bislang jeden bezeichnen konnten, wie sie wollten, ohne dass jemand Einspruch dagegen erhoben hätte. Wenn die Macht im Lande in den Händen einer einzigen demografischen Gruppe liegt – sagen wir, versuchsweise, bei den weißen, heterosexuellen Männern –, dann sind die Bezeichnungen, die für Frauen, ethnische Minderheiten oder Homosexuelle im Umlauf sind, naturgemäß völlig unkontrovers, selbst wenn sie unverschämt sind. In die andere Richtung hingegen gilt eiserne politische Korrektheit: Wenn im 19. Jahrhundert eine Näherin ihren Leipziger Fabrikbesitzer eine „Kartoffel” nannte, musste sie mit wesentlich schwereren Konsequenzen rechnen als nur öffentlichem Widerspruch.
Der zivilisatorische Fortschritt des 21. Jahrhunderts besteht darin, dass die Näherin heute in der Lage ist, sich mit anderen Näherinnen zusammenzutun, und auch für sich selbst eine angemessene Bezeichnung einzufordern. Meinungsdiktatur ist das noch nicht, sondern erst einmal nur eine unbestimmte Forderung an die Öffentlichkeit. Für Frauen, Migranten oder Homosexuelle bedeutet es schließlich eher keinen Freiheitsgewinn, wenn sie routinemäßig in aller Öffentlichkeit mit Schimpfwörtern belegt werden können, es also weniger von dem gibt, was die internationale Rechte „politische Korrektheit” nennt. Der Widerstand, den in Dresden auch Uwe Tellkamp spürt, kommt nicht von oben, sondern von unten. Die politisch korrekten Formeln werden nicht von einer liberalen Elite verfügt, sondern von marginalisierten Gruppen eingefordert.
Andererseits ist die Grenze zwischen einem sensiblen Umgang mit der Sprache und einem illiberalen Essenzialismus tatsächlich bisweilen schmal. In den USA gab es vor kurzem einige Aufregung, als in der New York Times eine Rezension über Ta-Nehesi Coates’ Buch „We were eight years in power” (deutsch bei Hanser Berlin, 2018) erschienen ist. Ta-Nehisi Coates ist im Jahr 2015 mit seinem Buch „Zwischen mir und der Welt” als Fundamentalkritiker des zeitgenössischen Rassismus in den USA bekannt geworden. Die New York Times warf ihm jetzt allerdings vor, mit seiner Neigung, jedes gesellschaftliche Problem auf die Hautfarben aller Beteiligten zurückzuführen, rassistisches Denken überhaupt erst wieder einzuführen.
Die Berliner Schriftstellerin Deborah Feldman hat diesen Effekt einmal so beschrieben: Regelmäßig schrieb ihr orthodoxer Onkel Yishai die hebräischen Buchstaben H, M und N auf seine Schuhsohlen und rieb die Sohlen daraufhin auf einem Treppenabsatz ab, bis die Buchstaben verschwunden waren. Das Ritual heißt Yemach Shemo, ähnelt der damnatio memoriae und es geht dabei darum, den Namen des Bösewichts Haman auszulöschen. Mit Hitler und den Nazis sei ihr Onkel ähnlich verfahren: Bei jeder Gelegenheit habe er sie mit dem Fluch „Yemach Shemo” belegt, „sein Name sei ausgelöscht”. Erst später sei ihr die Ironie aufgefallen, schreibt Feldmann: Indem er sich immer und immer wieder daran gemacht habe, ihre Namen auszulöschen, habe er vor allem dafür gesorgt, dass sie ständig präsent waren.
Auch Anatol Stefanowitsch tappt in diese Falle. Weil er rassistische Begriffe wie „Neger” oder „Zigeuner” gar nicht erst ans Licht der Öffentlichkeit gelangen lassen will, verwendet er stattdessen eine Kombination aus dem Anfangsbuchstaben und einer Tilde, was vor allem in Komposita aussieht wie ein Google-Suchbefehl für Fortgeschrittene: „Z-schnitzel” oder „N-kuss”. Und schwierig wird es bei Adressen wie „Mohrenstraße“.
Natürlich wäre es eine sehr leichte Übung, Stefanowitsch und den Seinen vorzuhalten, sie schwüngen sich zu Hütern über die linguistische Moral auf, zum Ad-hoc-Gerichtshöfen, die eigenhändig über Recht und Unrecht entscheiden. Andererseits wird der Einfluss der Linguisten auf die Sprache erstens ohnehin nur von Leuten überschätzt, die sich gern bedroht fühlen. Und zweitens wäre die Anschlussfrage, warum Stefanowitsch dieses Recht weniger zustehen sollte als zum Beispiel dem „Verein deutsche Sprache”. Die Begriffe „E-Business” und „Laptop” wollten die Aktivisten einst durch „Netzhandel” und „Klapprechner” ersetzt wissen, was insgesamt auch nicht wenig wunderlich ist. Die politische Korrektheit von rechts hat in Deutschland in jedem Falle eine sehr viel reichere Tradition als ihr postkolonialer Gegenpart.
Anatol Stefanowitsch: Eine Frage der Moral – Warum wir eine politisch korrekte Sprache brauchen. Dudenverlag, Berlin 2018. 64 Seiten, 8 Euro.
Politische Korrektheit?
Für ihre Gegner nichts als ein
Unterdrückungsinstrument
Wenn man einen Namen immer
wieder auslöscht, bleibt er gerade
dadurch stets präsent
Regelmäßig kommen Aktivisten vorbei und platzieren zwei Punkte über das o: U-Bahnhof Mohrenstraße in Berlin.
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