• Broschiertes Buch

1 Kundenbewertung

In für ein Geschichtsbuch ungewöhnlich eingängiger Sprache schreibt Zinn nicht aus der Perspektive der Eroberer, sondern der Eroberten, spricht nicht vom Ruhm der Sieger, sondern über die Verluste der Besiegten, erklärt nicht im gehobenen Stil der Herrschenden, sondern in der ungeschmückten Sprache der Beherrschten: der Fabrikarbeiter, Frauen, Sklaven, Schwarzen, Indianer, der Vertreter der Arbeiterklasse und der Einwanderer. Seit der ersten Auflage vor 27 Jahren entwickelte sich Zinns unkonventionelle Darstellung der amerikanischen Geschichte von Columbus bis zur Ära Clinton vom Geheimtipp…mehr

Produktbeschreibung
In für ein Geschichtsbuch ungewöhnlich eingängiger Sprache schreibt Zinn nicht aus der Perspektive der Eroberer, sondern der Eroberten, spricht nicht vom Ruhm der Sieger, sondern über die Verluste der Besiegten, erklärt nicht im gehobenen Stil der Herrschenden, sondern in der ungeschmückten Sprache der Beherrschten: der Fabrikarbeiter, Frauen, Sklaven, Schwarzen, Indianer, der Vertreter der Arbeiterklasse und der Einwanderer. Seit der ersten Auflage vor 27 Jahren entwickelte sich Zinns unkonventionelle Darstellung der amerikanischen Geschichte von Columbus bis zur Ära Clinton vom Geheimtipp unter Studenten zu einem Standardwerk an amerikanischen Schulen und Universitäten.
Autorenporträt
Howard Zinn, Historiker und Dramatiker, geboren am 24. August 1922 in Brooklyn, New York, wuchs als Immigrantenkind in einer Arbeiterfamilie in Brooklyn auf. Im Zweiten Weltkrieg war er als Bombenschütze der US Airforce im Einsatz. Nach dem Krieg studierte er an der Columbia University, wo er in Geschichts- und Politikwissenschaft promovierte. In den vergangenen Jahrzehnten war Zinn als Professor für Geschichte und Politik an der Boston University und Gastprofessor an den Universitäten von Paris und Bologna tätig und veröffentlichte zahlreiche Aufsätze und Bücher zur Politik und (Sozial-) Geschichte der Vereinigten Staaten. Zinn erhielt den Thomas Merton Award, den Upton Sinclair Award, den Lannan Literary Award und zuletzt den Prix des Amis du Monde diplomatique 2003. Howard Zinn lebt mit seiner Frau in Auburndale, Massachusetts.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.07.2007

Vom Edelmut des Durchschnittsbürgers
Immer gegen die Mächtigen: Howard Zinns linke Geschichte des amerikanischen Volkes, jetzt in deutscher Ausgabe
Zusammen mit W. A. Williams und Herbert Aptheker gehört Howard Zinn zu den großen alten Männern der linksorientierten amerikanischen Geschichtsschreibung. Unverdrossen kämpft der bald 85-Jährige gegen den „Mythos vom reichen Amerika” und gegen die soziale Benachteiligung des größeren Teils der Bevölkerung. Seine Sympathien liegen bei den kleinen Leuten, bei den Machtlosen, die von den Mächtigen immer wieder hinters Licht geführt und gegeneinander ausgespielt werden. Einen Perspektivenwechsel hat er sich vorgenommen, und so schildert er die Besiedlung Amerikas aus der Sicht der Indianer; das Plantagensystem vom Standpunkt der Sklaven; die Weltkriege mit den Augen der Kriegsgegner. Bereits die Interpretation eines Krieges zu Kolonialzeiten macht Zinns Stil und Haltung deutlich: „Der Krieg hatte den Generälen Ruhm, den einfachen Soldaten den Tod, den Handelsleuten Reichtum und den Armen die Arbeitslosigkeit gebracht.” Zinn hält Kriege generell für nutzlos und überflüssig. Das gilt auch für die Beteiligung der USA am Zweiten Weltkrieg – sicherlich das provokanteste Kapitel in dem fast 700 Seiten starken Band.
Aussagekräftige Zitate dokumentieren den Missbrauch der Macht. Da rät ein hoher Beamter des Pentagon, nordvietnamesische Dämme und Schleusen zu sprengen und eine Hungersnot mit mehr als einer Million Toten auszulösen – ohne einen Aufschrei der Weltöffentlichkeit zu fürchten. Da stuft während der Watergate-Affäre ein Gericht offenkundige Bestechungsgelder als „nicht-willentliche Zahlungen” ein und lässt die Täter mit Bagatellstrafen davonkommen. Da verordnet Kissinger eine Richtlinie, wonach armen Staaten die Lebensmittelhilfe zu kürzen ist, sollten sie es wagen, in der Uno gegen die USA zu stimmen.
Zinns Perspektivenwechsel braucht die Präsidialsynthese nicht, den konventionellen Gang durch die Geschichte in Vier- oder Achtjahresschritten. Wenn er doch einigen Präsidenten den Nimbus raubt, was Amerikaner debunking nennen, dann eher beiläufig: Kennedy schickt gleich nach Amtsantritt Saboteure nach Laos und Vietnam. Der fromme Carter betreibt Hochrüstung. Der sympathische Clinton setzt den Sozialabbau seiner Vorgänger fort, bevorzugt militärische vor diplomatischen Lösungen und bombardiert ohne Not Bagdad, Afghanistan und eine Pharmafabrik im Sudan. Zinn, dem noch nie jemand Theorielastigkeit vorgeworfen hat, verfolgt als Leitthema die Unverfrorenheit, mit der „das amerikanische Establishment seine Selbstverteidigung betreibt” und wie im Zuge dieser Politik der Zwei-Parteien-Konsens einem Einparteiensystem nahe- rückt. Würde ein Nicht-Amerikaner so schreiben, er fände sich rasch in der anti-amerikanischen Ecke wieder.
Die Befreiungsbewegungen der Frauen, der Schwarzen, der mexikanischen Saisonarbeiter, der Häftlinge, der Homosexuellen charakterisiert Zinn mit viel Liebe zum Detail. Unerschütterlich ist sein Glaube an den Edelmut und die Aufrichtigkeit der Durchschnittsbürger, und das sind für ihn 99 Prozent der Bevölkerung. Der Europäer fragt sich da, ob Zinns anthropologisches Grundverständnis nicht zu idealistisch ist. Wo sollen wir die antisemitischen Farmer, die kriegswilligen Gewerkschaften einordnen, wo die Autofahrer, die „Bomb Iran” auf ihre Stoßstangen kleben? Aufklärer Zinn aber ist überzeugt davon, solche Leute auf den rechten Weg führen zu können. Er wäre kein Amerikaner, würde er am Ende nicht die Hoffnung auf eine bessere Zukunft aussprechen und sich eine Zeit herbeiwünschen, in der die Regierungen nicht gegen, sondern für das Volk arbeiten. Wer allerdings sieht, wie ergriffen Amerikaner zu ihren jeweiligen Präsidenten aufblicken, und hieße er George W. Bush, möchte an dieser Vision verzweifeln.
Der Text wurde sorgfältig übersetzt und bis auf winzige Fehler solide lektoriert. Die Originalausgabe ist erstmals 1980 erschienen, dementsprechend stammt die Mehrzahl der Literaturangaben aus den sechziger und siebziger Jahren. Aber die neu hinzugekommenen Kapitel verraten den gleichen Schwung wie das gesamte Werk. Für alle, die Amerikas Geschichte in kompakter Form und aus einer bestimmten Perspektive kennenlernen möchten, ist dies die richtige Lektüre. Der Schwarzerfreitag Verlag in Berlin unterscheidet sich vom Verlagseinerlei insofern, als er in der Pressemappe auch negative Stimmen zu diesem Buch zitiert, pikanterweise solche aus dem linken Lager. Den Klappentext wiederum ziert überschwängliches Lob aus der New York Times, jener Zeitung, die Howard Zinn ein Dutzend Mal wegen ihrer unterwürfigen Haltung gegenüber den Machthabern geißelt. GERT RAEITHEL
HOWARD ZINN: Eine Geschichte des amerikanischen Volkes. Aus dem amerikanischen Englisch von Sonja Bonin. Verlag Schwarzerfreitag, Berlin 2007. 689 Seiten, 28,80 Euro.
Angry old man: Der amerikanische Historiker Howard Zinn Getty Images
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Howard Zinn schreibt die Geschichte des amerikanischen Volkes aus einer sehr, sehr linken Perspektive, daran lässt der hier rezensierende Gert Raeithel keinen Zweifel. Doch für den Rezensenten ist dies kein Grund, diesem Urgestein der amerikanischen Historiografie seinen respekt zu verweigern. Zinn schildert die Besiedlung des Kontinents aus Sicht der Ureinwohner, das Plantagensystem aus Sicht der Sklaven und den wirtschaftlichen Aufstieg aus Sicht des Arbeiters, und immer geht es ihm um den "Missbrauch der Macht", stellt Raeithel klar. Ein wenig fremdelt der Rezensent allerdings mit Zinns Glauben an das gute amerikanische Volk, an "den Edelmut und die Aufrichtigkeit des Durchschnittsbürgers", und auch die Ablehnung des Zweiten Weltkriegs als "nutzlos und überflüssig" hält Raeithel für alles andere als überzeugend. Aber am Ende kann er doch das Buch empfehlen als "Amerikas Geschichte in kompakter Form und aus einer bestimmten Perspektive", das er zudem als "sorgfältig übersetz" und "solide lektoriert" lobt.

© Perlentaucher Medien GmbH