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Wie baut man sich eine Zukunft mit Mut und Witz?
Er ist gewitzt, liebenswert und unausstehlich: der 16-jährige Tiger, den seine Eltern mit einem Mädchen verheiraten, das er noch nie gesehen hat. Wie er ist ganz Trinidad Anfang der Vierzigerjahre im Aufbruch - plötzlich schlagen die Amerikaner auf und ziehen einen Highway quer über die Insel. Also Schluss mit den Gelegenheitsarbeiten. Raus aus den Bretterbuden. Auf in die Arme der Amerikaner. Und dann? Ein karibischer Roman, in dessen strahlendem Licht Selvon eine große Frage stellt: Wie baut man sich ein Leben auf, wenn man gar nichts hat - nichts außer Mut und Witz. …mehr

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Produktbeschreibung
Wie baut man sich eine Zukunft mit Mut und Witz?

Er ist gewitzt, liebenswert und unausstehlich: der 16-jährige Tiger, den seine Eltern mit einem Mädchen verheiraten, das er noch nie gesehen hat. Wie er ist ganz Trinidad Anfang der Vierzigerjahre im Aufbruch - plötzlich schlagen die Amerikaner auf und ziehen einen Highway quer über die Insel. Also Schluss mit den Gelegenheitsarbeiten. Raus aus den Bretterbuden. Auf in die Arme der Amerikaner. Und dann? Ein karibischer Roman, in dessen strahlendem Licht Selvon eine große Frage stellt: Wie baut man sich ein Leben auf, wenn man gar nichts hat - nichts außer Mut und Witz.
Autorenporträt
Samuel Selvon, 1923 in Trinidad geboren, schrieb erste Kurzgeschichten unter Pseudonymen wie Ack-Ack und Big Buffer. 1950 ging er nach London und avancierte zu einer international anerkannten literarischen Stimme. Mit seinem Roman Die Taugenichtse schuf er einen ganz eigenen, neuen Sound. Er schrieb TV-Drehbücher für die BBC und verließ London 1978 in Richtung Kanada. Er starb 1994 in Trinidad.

Miriam Mandelkow, 1963 geboren, wurde für ihre Neuübersetzung von Baldwins 'Von dieser Welt' mit dem Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.09.2019

Nachrichten aus
der Karibik
Samuel Selvons Debütroman
erstmals auf Deutsch
Es fängt damit an, dass Tiger und Urmilla heiraten. Oder eigentlich: verheiratet werden. So, wie es bei einer traditionsstolzen indischen Sippe im Trinidad der Vierzigerjahre Brauch ist. Braut und Bräutigam, beide fast noch Kinder und einander völlig unbekannt, sollen fortan als Mann und Frau unter einem Dach zusammenleben und möglichst bald auch die „Ehe vollziehen“. Tiger ist überfordert. Für Ratschläge von Rita, der lebensklugen Nachbarin, ist er dankbar. Urmilla dagegen braucht keine Nachhilfe, nicht, weil sie mehr wüsste, sondern, weil sie sowieso nichts wissen muss. Von Rasse, Klasse und Geschlecht im spätkolonialen Trinidad erzählt Samuel (oder Sam) Selvon in seinem frühen Roman „A Brighter Sun“ von 1952, der jetzt unter dem Titel „Eine hellere Sonne“ erstmals auf Deutsch erscheint.
Die hellere Sonne des Romans leuchtet denen, die sich wie Tiger auf den Bildungspfad begeben: vom Zuckerrohrschneider zum Gemüsebauern, später dann zum Arbeiter im Straßenbau, der lesen und schreiben lernt und allerlei frühreife Frage an die Welt hat, schließlich zum Autor einer Kurzgeschichte, die vielleicht sogar einen Preis des Trinidad Guardian gewinnen wird. Es gibt Entwicklungen auf der Insel, allen voran der Highway-Bau der Amerikaner während des Krieges, die ungeahnte Dynamik in Tigers Leben bringen. Nicht aber in das seiner Frau. Die Bildungschancen, die Selvons seiner aufgeweckten Hauptfigur zuteilwerden lässt, gehen an Frauen wie Urmilla gänzlich vorbei.
Die Kapitel leitet Selvon gerne mit vermischten Meldungen ein. „Als sich im April 1944 die Wolken des Krieges lichteten“, heißt es einmal, „sprossen in der Northern Range die gelben und violetten Blüten des Palisanders wie verrückt und tauchten als Kleckse in der braunen Hügellandschaft auf.“ Als sei er der Erstbeschreiber einer bis dahin unbeschriebenen Welt (und er ist es ja tatsächlich), will Selvon alles aufzeichnen und festhalten, was das Leben der Menschen auf Trinidad ausmacht. Die Leser sollen Trinidad verstehen lernen, weil er ihnen sein Land erklärt. Etwa den Umstand, dass die Chinesen hier wie anderswo am liebsten Wäschereien oder Lebensmittelgeschäfte betreiben.
Selvon erklärt wohl deshalb so viel, weil seinen Lesern die Welt von Trinidad unbekannt ist, jedenfalls nicht mehr vor Augen steht. Selbst Spross einer indischen Familie aus Trinidad, ging Selvon 1950 als junger Mann nach England, im selben Jahr wie sein jüngerer Landsmann V. S. Naipaul. Der hatte für Selvons literarische Leistung nur ein vergiftetes Lob übrig. In ihrem klugen Nachwort zitiert Sigrid Löffler Naipauls Satz: „Selvons Begabungen mögen unwichtig gewesen sein, aber sie sind kostbar.“ Ein typischer Naipaul: ziemlich gemein, aber nicht ganz falsch. Bestimmt ist Selvon kein Schreiber von Naipauls Statur – dafür ist er zu liebenswürdig, zu gutmütig. „Kostbar“ ist an Selvon vielleicht aber etwas anderes. Er hat, sprachlich und thematisch, den Weg gewiesen für eine Literatur der karibischen Diaspora, in London, New York und anderswo. Jahrzehnte vor dem Siegeszug des „hybriden“, „postkolonialen“ Schreibens aus dem „globalen Süden“ hat Selvon seiner Insel zu einer literarischen Artikulation verholfen, die es bis dahin nicht gab.
Das britische Publikum, für das Selvon nach seiner Ankunft in London schrieb, hatte wohl tatsächlich von Trinidad wenig Ahnung. Die karibische Community in den großen Metropolen mag an Selvons Roman die präzise Rekonstruktion einer schon verschwundenen Herkunftswelt geschätzt haben. Bei aller Wertschätzung, die auch heutige Leser bei der Erstbegegnung mit dem Roman teilen können, bleibt Naipauls Verdikt an ihm hängen. Ja, man wird den Eindruck einer etwas biederen Schullektüre nicht ganz los – und tut dem Buch damit womöglich unrecht. Immerhin ist es gerade als Schulbuch zu einem Teil des englischsprachigen Literaturkanons geworden. Selvons eigentliche Leistung liegt indessen aber wohl gar nicht im Feld des Erzählten, sondern im Erzählen selbst.
Er hat, vielleicht als Erster, das Trinidadian Creole, und überhaupt das karibische Englisch literaturfähig gemacht. In Selvons dialogreichem Roman lässt sich das auch als sprachliche Reifung seines Protagonisten nacherleben. Erst noch äußerst eingeschränkt in seinem Ausdrucksschatz, mausert er sich später zum Rhetor, der am Ende des Romans seine verdutzte Frau schon wie folgt belehren kann: „Du machst dich impertinent. Du steigst auf das hohe Ross zum Indignieren.“ Die deutsche Übersetzung von Miriam Mandelkow gibt sich alle Mühe, Selvons Dialoge nachzuvollziehen. Da sind die Leute gerne mal „mucks und dösig“, oft ist man auch einander „grant“, entweder, weil einer „gediebt“ hat, oder weil ein Mann „gehörnert“ wurde. Die Irritation, die man angesichts solcher Übersetzungslösungen erlebt, ist produktiv. Denn irritierend muss auch Selvons Sprache auf seine zeitgenössischen Leser gewirkt haben; und in dieser Irritation liegt wohl der bleibende Wert dieses Romans.
CHRISTOPH BARTMANN
Samuel Selvon: Eine hellere Sonne. Roman. Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow. Mit einem Nachwort von Sigrid Löffler. dtv, München 2019. 252 Seiten, 22 Euro.
Selvon erklärt wohl deshalb so
viel, weil Trinidad
seinen Lesern völlig unbekannt ist
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2020

Nie wieder unmündig
Samuel Selvons Roman "Eine hellere Sonne"

Viele namhafte Schriftsteller hatten Doppelgänger, die ihre Karrieren ein Stück weit begleiteten: Goethe und Lenz, Kafka und Robert Walser sind Beispiele dafür. Das gilt auch für V. S. Naipaul, den Inder aus der Karibik, der Trinidad vom weißen Fleck auf der Landkarte zu einem literarischen Ort machte und als Reiseautor und Romancier Weltliteratur schuf. Weniger berühmt als der Nobelpreisträger Naipaul ist sein Trinidader Landsmann Samuel Selvon, der ebenfalls indischer Herkunft war. Selvon, ein Nachfahre südindischer Kulis, hat die plebejische Gegenposition zu dem aus einer Brahmanenfamilie stammenden Naipaul vertreten. Das lässt sich leicht überprüfen am Beispiel seines Debütromans "Eine hellere Sonne", der 1952 in London erstmals erschien und, von Miriam Mandelkow pointensicher und punktgenau übersetzt, ein Menschenalter später nun endlich auf Deutsch vorliegt.

"Boysie und einige junge Männer saßen auf einer Betondole in der Sixth Street und erzählten sich schmutzige Witze; darauf hatte Tiger heute Abend keine Lust. Das bewies nicht, dass man ein Mann war. Weder Rum trinken noch fluchen noch eine Frau vögeln. Wenn man Joe so reden hörte, könnte man meinen, so was zählt. Aber guck dir Joe doch an, Mann!" In Selvons Roman ist "Mann" eines der häufigsten Wörter; es charakterisiert Trinidads kreolischen Slang ebenso wie das Bestreben Tigers, vom indischen Boy zum richtigen Mann zu werden, wobei er sich seinen schwarzen Nachbarn zum Vorbild nimmt. Schon der kurze Textauszug zeigt, was Selvon von Naipaul unterschied: Volkstümlichkeit statt Belesenheit oder Gelehrsamkeit, derber Humor statt facettenreicher Ironie sowie innerer Monolog, sprich: subjektive Befindlichkeit, statt abgehobener Reflexion. Selvon ist der menschenfreundlichere Autor von beiden, der ohne paternalistische Herablassung dem Leser Einblick gewährt ins Innenleben seiner Figuren, die alles andere als einfach gestrickt sind, obwohl sie zum Bodensatz der postkolonialen Gesellschaft gehören - in Trinidads sozialer Hierarchie standen indische Kulis noch unter den als Kreolen bezeichneten Nachfahren afrikanischer Sklaven.

Das neokoloniale Regime wird in einer Zeit des Umbruchs porträtiert, als die starre Hierarchie der Rassen und Klassen während des Zweiten Weltkriegs in Bewegung gerät durch die Stationierung amerikanischer GIs und den Bau eines Highways, der die von Kulis beackerten Felder durchquert. Zusammen mit Lastwagen und Jeeps, die Pferdekutschen und Eselskarren verdrängen, kommt der Dollar ins Land, die Schulpflicht wird eingeführt, das Streikrecht erkämpft, und Trinidad avanciert vom colonial backwater zum Traumziel für Touristen, die Calypso und Karneval suchen.

"Eine hellere Sonne" ist ein Entwicklungsroman im elementaren Sinn des Worts, dessen Protagonist Tiger, um sich selbst zu finden, eine neue Sprache erfinden muss. Samuel Selvon hat das in Trinidad gesprochene Kreolisch, vermengt mit französischen Einsprengseln, Anglizismen und Amerikanismen, literaturfähig gemacht. Tiger, gegen seinen Willen verheiratet mit einem Mädchen, dessen Namen er erst in der Hochzeitsnacht erfährt, arbeitet sich mühsam ab an der Sprache, deren Register er nur unvollkommen beherrscht. Er bringt sich selbst Lesen und Schreiben bei, liest einem chinesischen Krämer aus der Zeitung vor, bekommt dafür Rum spendiert und fordert seine Freunde auf, sich politisches Wissen anzueignen, um ihre Interessen vertreten zu können. Das im Zweiten Weltkrieg erfolgte Erwachen der Kolonialvölker wurde von Indiens Unabhängigkeitskampf, der Sowjetunion und China stimuliert, und der daraus erwachsende, krude Emanzipationsdiskurs hört sich so an:

"Ich meine, für mich sieht es so aus, als wenn alle gleich sind. In Trinidad sind so viele verschiedene Menschen, Junge! Meinst du, ich soll jetzt anfangen und Dhoti tragen?" - "Keine Ahnung, Mann. Du bist doch Trinidader? Was grübelst du rum?" - "Na ja, irgendwer muss ja grübeln, Joe. Wenn wir dösig bleiben und dauernd alles machen lassen mit uns, bleiben wir arm und dumm."

Anders als der konservative V. S. Naipaul war Samuel Selvon ein politisch engagierter Autor, und auch das macht "Eine hellere Sonne" nach wie vor, nein: heute erst recht lesenswert.

HANS CHRISTOPH BUCH

Samuel Selvon: "Eine hellere Sonne". Roman.

Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow. dtv, München 2019. 252 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ein Schelmenroman aus dem karibischen Spätkolonialismus. Britta Heidemann Westdeutsche Allgemeine Zeitung 20200620