Der Weg einer jungen Frau aus der Gefangenschaft des IS
Badeeah Ahmed Hassan ist gerade einmal 18, als IS-Kämpfer ihr Dorf im Irak überfallen. Mit Hunderten anderer jesidischer Frauen und Mädchen wird sie verschleppt und nach Syrien verkauft. Dort landet sie als Haussklavin bei einem hochrangigen IS-Kämpfer in Aleppo. Sie wird regelmäßig misshandelt. In Monaten der Gefangenschaft sind es die Erinnerungen und Geschichten aus ihrer Kindheit, die ihr Halt geben. Daraus schöpft sie die Kraft, zu fliehen und ihre Familie wiederzufinden.
Die junge Autorin erzählt ihre Geschichte, um ihrem Volk eine Stimme zu verleihen, auf den Genozid der Jesiden aufmerksam zu machen und unterdrückten Frauen und Menschen auf der ganzen Welt Mut zu machen.
Badeeah Ahmed Hassan ist gerade einmal 18, als IS-Kämpfer ihr Dorf im Irak überfallen. Mit Hunderten anderer jesidischer Frauen und Mädchen wird sie verschleppt und nach Syrien verkauft. Dort landet sie als Haussklavin bei einem hochrangigen IS-Kämpfer in Aleppo. Sie wird regelmäßig misshandelt. In Monaten der Gefangenschaft sind es die Erinnerungen und Geschichten aus ihrer Kindheit, die ihr Halt geben. Daraus schöpft sie die Kraft, zu fliehen und ihre Familie wiederzufinden.
Die junge Autorin erzählt ihre Geschichte, um ihrem Volk eine Stimme zu verleihen, auf den Genozid der Jesiden aufmerksam zu machen und unterdrückten Frauen und Menschen auf der ganzen Welt Mut zu machen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Erzählen können nur die, die überleben, weiß Rezensentin Susan Vahabzadeh. Insofern kann sie auf ein bisschen Licht am Ende der Geschichte hoffen, wenn die junge Jesidin Badeeah Hassan Ahmed zusammen mit der Autorin Susan Elizabeth McClelland von dem Martyrium erzählt, das sie unter dem Islamischen Staat zu erleiden hatte. Vahabzadeh betont aber auch, dass Badeeah die erfahrene Gewalt und Grausamkeit nicht ausmalt, sondern es bei Andeutungen belässt. Gut gefallen haben ihr auch die Hintergründe zu Kultur und Geschichte der Jesiden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.12.2021Sklavin des IS
Das Tagebuch einer jungen Jessidin, die
aus dem Norden des Irak nach Syrien verschleppt wird
VON SUSAN VAHABZADEH
Hinter all dem, was in den letzten Jahren passiert ist, ist die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) so gut wie entschwunden, aus dem Bewusstsein verdrängt von Pandemie, Koalitionsverträgen, Klimakrise, Afghanistan. In Wirklichkeit tobt er da draußen natürlich weiter, nur auf kleinerem Gebiet, vor allem aber ist sein Geist noch da. Der setzt sich fort in der Schreckensherrschaft der Taliban in Afghanistan, wie in jedem Bürgerkrieg.
Die Erlebnisse von Badeeah Hassan Ahmed sind also zwar inzwischen historisch, aber sie erzählt stellvertretend für alle Frauen im Krieg. Sie ist Jesidin, aufgewachsen im Norden des Irak, und diese religiös-ethnische Zugehörigkeit macht sie und ihre Familie, obwohl es in der Gegend viele Jesiden gab, zu Fremdkörpern in der Gemeinschaft. Als der „Islamische Staat“ ihr Dorf im August 2014 hinwegfegte und sie als Sklavin verschleppt wurde, war sie noch ein Teenager. Ihr Fall gehörte zu jenen, über die ein Jahr später, nach ihrer Flucht, amerikanische und europäische Medien berichteten, und wenn man ungefähr in Erinnerung hat, was diese Jesidinnen damals zu erzählen hatten, dämmert einem, dass es sehr schwer ist, die Ereignisse für ein Jugendbuch aufzubereiten. „Eine Höhle in den Wolken“ ist sicher alles andere als ein Feelgood-Buch, aber die Erzählerin übt sich in der Kunst der Andeutung und des Weglassens, und dann geht es eben doch. Und es gibt ja sowieso von Anfang an ein wenig Licht in dieser Geschichte – denn erzählen können immer nur die, die entkommen. Badeeah lebt inzwischen, das steht am Ende des Buches, einigermaßen wohlbehalten in Deutschland.
Ihre Geschichte hat Badeeah zusammen mit der kanadischen Autorin Susan Elizabeth McClelland als eine Art Tagebuch aufgeschrieben, anfangs mit Datum, dann, in Gefangenschaft, kann sie nur noch schätzen, dass es vielleicht November oder Dezember ist. Ein paar der Figuren hat sie zusammengelegt, um die Geschichte übersichtlicher zu machen, ansonsten, beteuert sie, ist das, was sie berichtet so geschehen. Sie streut Erinnerungen in ihren chronologischen Bericht ein und sie versucht zweierlei: Zum einen beschreibt sie die Kultur und die Religion der Jesiden, ausgestattet mit ein bisschen Geschichte und Karten; und sie berichtet aus erster Hand, wie wenig gewalttätiger Fanatismus mit Religiosität zu tun hat. Badeeah wird nach Syrien gebracht. Sie gibt sich als älter aus und erzählt den IS-Soldaten, der dreijährige Neffe, den sie dabeihat, sei ihr Kind, sie beschmiert sich das Gesicht, um möglichst unattraktiv zu sein, aber es findet sich letztlich doch ein Käufer – der damalige Scheich von Aleppo, ein zugereister Amerikaner, der irgendwo eine blonde Frau mit Baby hat, mit der er sich abends über Skype unterhält, und deren Eifersucht Baadeah spüren kann, obwohl es nichts gibt, worum sie zu beneiden wäre.
Es schlägt immer wieder durch, wie wütend sie ist, dass es so wenig Widerstand gab gegen den IS, von den Muslimen um sie herum. Die ganze Zeit ist ein anderes Mädchen dabei, Navine, und sie unterstützen einander so gut sie können – ein Glücksfall, denn dass Badeeah das Risiko der Flucht auf sich nimmt, hat viel mit dieser Solidarität zu tun und der Fürsorge für das ihr anvertraute Kind. Sie rettet nicht nur sich selbst. Und so ist in ihrem Bericht wenig darüber zu lesen, was ihr tatsächlich an Gewalt widerfahren ist, und sehr viel über Gemeinschaftssinn – und was dessen Abwesenheit bedeutet. (ab 14 Jahre)
Badeeah Hassan Ahmed, Susan Elizabeth McClelland: Eine Höhle in den Wolken: Dem IS entkommen. Aus dem Englischen von Ann Lecker. cbt 2020. 320 Seiten, 10 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Das Tagebuch einer jungen Jessidin, die
aus dem Norden des Irak nach Syrien verschleppt wird
VON SUSAN VAHABZADEH
Hinter all dem, was in den letzten Jahren passiert ist, ist die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) so gut wie entschwunden, aus dem Bewusstsein verdrängt von Pandemie, Koalitionsverträgen, Klimakrise, Afghanistan. In Wirklichkeit tobt er da draußen natürlich weiter, nur auf kleinerem Gebiet, vor allem aber ist sein Geist noch da. Der setzt sich fort in der Schreckensherrschaft der Taliban in Afghanistan, wie in jedem Bürgerkrieg.
Die Erlebnisse von Badeeah Hassan Ahmed sind also zwar inzwischen historisch, aber sie erzählt stellvertretend für alle Frauen im Krieg. Sie ist Jesidin, aufgewachsen im Norden des Irak, und diese religiös-ethnische Zugehörigkeit macht sie und ihre Familie, obwohl es in der Gegend viele Jesiden gab, zu Fremdkörpern in der Gemeinschaft. Als der „Islamische Staat“ ihr Dorf im August 2014 hinwegfegte und sie als Sklavin verschleppt wurde, war sie noch ein Teenager. Ihr Fall gehörte zu jenen, über die ein Jahr später, nach ihrer Flucht, amerikanische und europäische Medien berichteten, und wenn man ungefähr in Erinnerung hat, was diese Jesidinnen damals zu erzählen hatten, dämmert einem, dass es sehr schwer ist, die Ereignisse für ein Jugendbuch aufzubereiten. „Eine Höhle in den Wolken“ ist sicher alles andere als ein Feelgood-Buch, aber die Erzählerin übt sich in der Kunst der Andeutung und des Weglassens, und dann geht es eben doch. Und es gibt ja sowieso von Anfang an ein wenig Licht in dieser Geschichte – denn erzählen können immer nur die, die entkommen. Badeeah lebt inzwischen, das steht am Ende des Buches, einigermaßen wohlbehalten in Deutschland.
Ihre Geschichte hat Badeeah zusammen mit der kanadischen Autorin Susan Elizabeth McClelland als eine Art Tagebuch aufgeschrieben, anfangs mit Datum, dann, in Gefangenschaft, kann sie nur noch schätzen, dass es vielleicht November oder Dezember ist. Ein paar der Figuren hat sie zusammengelegt, um die Geschichte übersichtlicher zu machen, ansonsten, beteuert sie, ist das, was sie berichtet so geschehen. Sie streut Erinnerungen in ihren chronologischen Bericht ein und sie versucht zweierlei: Zum einen beschreibt sie die Kultur und die Religion der Jesiden, ausgestattet mit ein bisschen Geschichte und Karten; und sie berichtet aus erster Hand, wie wenig gewalttätiger Fanatismus mit Religiosität zu tun hat. Badeeah wird nach Syrien gebracht. Sie gibt sich als älter aus und erzählt den IS-Soldaten, der dreijährige Neffe, den sie dabeihat, sei ihr Kind, sie beschmiert sich das Gesicht, um möglichst unattraktiv zu sein, aber es findet sich letztlich doch ein Käufer – der damalige Scheich von Aleppo, ein zugereister Amerikaner, der irgendwo eine blonde Frau mit Baby hat, mit der er sich abends über Skype unterhält, und deren Eifersucht Baadeah spüren kann, obwohl es nichts gibt, worum sie zu beneiden wäre.
Es schlägt immer wieder durch, wie wütend sie ist, dass es so wenig Widerstand gab gegen den IS, von den Muslimen um sie herum. Die ganze Zeit ist ein anderes Mädchen dabei, Navine, und sie unterstützen einander so gut sie können – ein Glücksfall, denn dass Badeeah das Risiko der Flucht auf sich nimmt, hat viel mit dieser Solidarität zu tun und der Fürsorge für das ihr anvertraute Kind. Sie rettet nicht nur sich selbst. Und so ist in ihrem Bericht wenig darüber zu lesen, was ihr tatsächlich an Gewalt widerfahren ist, und sehr viel über Gemeinschaftssinn – und was dessen Abwesenheit bedeutet. (ab 14 Jahre)
Badeeah Hassan Ahmed, Susan Elizabeth McClelland: Eine Höhle in den Wolken: Dem IS entkommen. Aus dem Englischen von Ann Lecker. cbt 2020. 320 Seiten, 10 Euro.
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»Die junge Autorin erzählt ihre lesenswerte Geschichte, um ihrem Volk eine Stimme zu Verleihen.« Ludwigsburger Wochenblatt über »Eine Höhle in den Wolken«