Produktdetails
- Verlag: Weber, Montabaur
- Seitenzahl: 189
- Erscheinungstermin: 21. Juni 2011
- Deutsch
- Abmessung: 210mm
- Gewicht: 356g
- ISBN-13: 9783939777878
- ISBN-10: 3939777870
- Artikelnr.: 33612824
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2011Beißen, um nicht gebissen zu werden
Der Hund als Sündenbock wutbürgerlicher Krisenerfahrung: Helmut Webers tierischer Rundumschlag
Fünf Millionen Hunde in Deutschland, das sind - so kann man es sehen - jährlich eine Million Tonnen Kot und fünfzigtausend Bisse an unbescholtenen Bürgern. Von der Dunkelziffer zu schweigen. Helmut Webers "Eine Macht auf vier Beinen. Wie wir uns gegen die Auswüchse des Hundekults wehren können" ist den Opfern von Hundeattacken gewidmet.
Mit der vorgeblichen Legitimation, eine kritische Berichterstattung zu Hunden komme hierzulande allgemein zu kurz, betreibt Weber deren systematische Dämonisierung: "Blutgierige Bestien" und "Kampfmaschinen" verüben "schreckliche Bluttaten", rotten Menschenleben aus, Angriffe "vom Blutrausch besessener", "geisteskranker Vierbeiner" überziehen das Land mit einer "beispiellosen Welle von Gewalt", verursachen "enormes menschliches Leid". Unterm Mantel des Ratgebers hat Weber ein Dokument der Kynophobie, der Furcht vor Hunden, verfasst, das ihre gesellschaftliche Stellung als Gefährten des Menschen erschüttern will.
Die gängige Expertenmeinung zum Thema Hundegewalt, wonach es in erster Linie auf die Haltung der Tiere ankommt, spart Weber aus. Schon in Goethes Faust, der schließlich wie kein Zweiter um den diabolischen Kern des Hundes wusste, heißt es dazu: "Dem Hunde, wenn er gut gezogen, / Wird selbst ein weiser Mann gewogen." Weber indessen bemüht erstaunliche Analogien zwischen Hunden und ihren Besitzern. Strindberg wird mit dem Satz zitiert, Hundehalter seien "Feiglinge, die nicht genug Schneid haben, selbst zu beißen". An anderer Stelle heißt es, "Menschen mit problematischer Biographie" besäßen gern "angstverbreitende Hundeexemplare". Hundefans träten meist "im Rudel" auf und hätten "Hunde-Verbände im Rücken".
Letztendlich wurzelt für diesen Autor alle Not der Welt in einem Hundeproblem. So beanstandet Weber, "dass zum Beispiel in München kostspielige Krebsoperationen an Hunden vorgenommen werden, während in Ostafrika tagtäglich unzählige Menschen verhungern". Als Partner- und Kindesersatz sieht der Autor im Hund eine nennenswerte Ursache für die demographische Entwicklung. Die griechische Mentalität spiegele sich nicht nur im Finanzfiasko, sondern auch in den Massen südländischer Straßenköter. Und die Depression von Nationaltorwart Robert Enke kann, seien wir ehrlich, eigentlich nur im Zusammenhang mit der Hundeliebe seiner Frau stehen.
Kulturkritische Befunde solcher Art werden mit Ratschlägen zum Überleben zusammengerührt. Neben der Anwendung von Pfefferspray empfiehlt Weber, Unverständnis und Empörung nicht zu unterdrücken, sondern zu artikulieren: "Wenn das Abkoten von Passanten zumindest kritisch beobachtet wird (also hinsehen und nicht hinwegsehen), entsteht beim Hundehalter in der Regel eine Art Schuldgefühl".
Dass hier am Hund kein gutes Haar gelassen wird, mag in der Natur des Genres Streitschrift liegen. Aber Webers Hasspamphlet lässt sich auch als Ausdruck wutbürgerlicher Ohnmachtsgefühle angesichts der immer undurchschaubarer werdenden globalen Krisenszenarien lesen. Hier hat, so scheint es, jemand den Hund als Sündenbock entdeckt, auf den sich nun alle Ängste und Befürchtungen richten, die mit dem gegenwärtigen Lauf der Welt verbunden sind. Der Autor, ein pensionierter Lehrer aus dem Westerwald, schreibt vollkommen ironiefrei und meint seine Thesen todernst. Wer studieren will, wie sich Wahrnehmungen zum Wahn verdichten, greife zu diesem beunruhigenden Buch.
NADJA WÜNSCHE.
Helmut Weber: "Eine Macht auf vier Beinen". Wie wir uns gegen die Auswüchse des Hundekults wehren können.
Weber Verlag, Montabaur 2011. 189 S., br., 12,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Hund als Sündenbock wutbürgerlicher Krisenerfahrung: Helmut Webers tierischer Rundumschlag
Fünf Millionen Hunde in Deutschland, das sind - so kann man es sehen - jährlich eine Million Tonnen Kot und fünfzigtausend Bisse an unbescholtenen Bürgern. Von der Dunkelziffer zu schweigen. Helmut Webers "Eine Macht auf vier Beinen. Wie wir uns gegen die Auswüchse des Hundekults wehren können" ist den Opfern von Hundeattacken gewidmet.
Mit der vorgeblichen Legitimation, eine kritische Berichterstattung zu Hunden komme hierzulande allgemein zu kurz, betreibt Weber deren systematische Dämonisierung: "Blutgierige Bestien" und "Kampfmaschinen" verüben "schreckliche Bluttaten", rotten Menschenleben aus, Angriffe "vom Blutrausch besessener", "geisteskranker Vierbeiner" überziehen das Land mit einer "beispiellosen Welle von Gewalt", verursachen "enormes menschliches Leid". Unterm Mantel des Ratgebers hat Weber ein Dokument der Kynophobie, der Furcht vor Hunden, verfasst, das ihre gesellschaftliche Stellung als Gefährten des Menschen erschüttern will.
Die gängige Expertenmeinung zum Thema Hundegewalt, wonach es in erster Linie auf die Haltung der Tiere ankommt, spart Weber aus. Schon in Goethes Faust, der schließlich wie kein Zweiter um den diabolischen Kern des Hundes wusste, heißt es dazu: "Dem Hunde, wenn er gut gezogen, / Wird selbst ein weiser Mann gewogen." Weber indessen bemüht erstaunliche Analogien zwischen Hunden und ihren Besitzern. Strindberg wird mit dem Satz zitiert, Hundehalter seien "Feiglinge, die nicht genug Schneid haben, selbst zu beißen". An anderer Stelle heißt es, "Menschen mit problematischer Biographie" besäßen gern "angstverbreitende Hundeexemplare". Hundefans träten meist "im Rudel" auf und hätten "Hunde-Verbände im Rücken".
Letztendlich wurzelt für diesen Autor alle Not der Welt in einem Hundeproblem. So beanstandet Weber, "dass zum Beispiel in München kostspielige Krebsoperationen an Hunden vorgenommen werden, während in Ostafrika tagtäglich unzählige Menschen verhungern". Als Partner- und Kindesersatz sieht der Autor im Hund eine nennenswerte Ursache für die demographische Entwicklung. Die griechische Mentalität spiegele sich nicht nur im Finanzfiasko, sondern auch in den Massen südländischer Straßenköter. Und die Depression von Nationaltorwart Robert Enke kann, seien wir ehrlich, eigentlich nur im Zusammenhang mit der Hundeliebe seiner Frau stehen.
Kulturkritische Befunde solcher Art werden mit Ratschlägen zum Überleben zusammengerührt. Neben der Anwendung von Pfefferspray empfiehlt Weber, Unverständnis und Empörung nicht zu unterdrücken, sondern zu artikulieren: "Wenn das Abkoten von Passanten zumindest kritisch beobachtet wird (also hinsehen und nicht hinwegsehen), entsteht beim Hundehalter in der Regel eine Art Schuldgefühl".
Dass hier am Hund kein gutes Haar gelassen wird, mag in der Natur des Genres Streitschrift liegen. Aber Webers Hasspamphlet lässt sich auch als Ausdruck wutbürgerlicher Ohnmachtsgefühle angesichts der immer undurchschaubarer werdenden globalen Krisenszenarien lesen. Hier hat, so scheint es, jemand den Hund als Sündenbock entdeckt, auf den sich nun alle Ängste und Befürchtungen richten, die mit dem gegenwärtigen Lauf der Welt verbunden sind. Der Autor, ein pensionierter Lehrer aus dem Westerwald, schreibt vollkommen ironiefrei und meint seine Thesen todernst. Wer studieren will, wie sich Wahrnehmungen zum Wahn verdichten, greife zu diesem beunruhigenden Buch.
NADJA WÜNSCHE.
Helmut Weber: "Eine Macht auf vier Beinen". Wie wir uns gegen die Auswüchse des Hundekults wehren können.
Weber Verlag, Montabaur 2011. 189 S., br., 12,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main