Der Porträtist - und der Abstieg in eine andere Welt.Mit dem Porträt der 13-jährigen Marie wächst allmählich das Selbstvertrauen des jungen Malers in seinen eigenen Stil. Die wiedergewonnene Sicherheit hilft ihm, das Ende seiner Ehe zu verarbeiten. Während der Sitzungen freunden sich das Mädchen und der Maler an. Er ist beeindruckt und erschrocken zugleich von Maries Klugheit und Scharfsinn. Mit ihr kehrt die Erinnerung an seine kleine Schwester zurück, deren Tod er nie überwunden und nach der er in jeder Frau gesucht hat. Auch in seiner eignen, die, wie er erfährt, schwanger ist. Als Marie verschwindet, ist er fest davon überzeugt, dass dies im Zusammenhang mit dem Gemälde 'Die Ermordung des Commendatore' steht und dass nur das Gemälde und sein Maler ihm den Weg weisen können, um Marie zu finden. Ein Weg, der in eine andere Welt führt.'Eine Metapher wandelt sich' ist die Fortsetzung von Band 1 'Eine Idee erscheint' des Romans 'Die Ermordnung des Commendatore', Haruki Murakamis großem Künstlerroman.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.04.2018Alltägliche Unterweltfahrt
Der zweite Teil von Haruki Murakamis neuer Roman-Trilogie „Die Ermordung des Commendatore“ hat ein Problem:
Den schrägen Plot, der auch noch zu viel verrät. Überzeugen können aber wie immer seine detailliert gezeichneten Charaktere
VON BURKHARD MÜLLER
Der mittlere von dreien hat es schwer. Das gilt für Familien, in denen das sogenannte Sandwich-Kind weder die Vorzüge des Erstgeborenen noch die des Nesthäkchens genießt. Das gilt auch für literarische Trilogien, deren zweiter Band ohne den Zauber des Anfangs und ohne die Rasanz und Entschiedenheit des Schlusses auskommen muss, weshalb er oft etwas langatmig durchhängt.
Haruki Murakami dürfte das Problem bekannt sein, denn es handelt sich bereits um seine zweite große Trilogie. Bei der ersten, „1Q84“, war er der Schwierigkeit teilweise dadurch entgangen, dass er die Bände 2 und 3 zusammen unter einen Buchdeckel packte. Das Mittelstück von „Die Ermordung des Commendatore“ aber erscheint separat und muss die undankbare Aufgaben des kompositorischen Zentrums allein erfüllen.
Der erste Band hatte, wie es sich für ein solches Projekt gehört, mit einem ziemlichen Cliffhanger geendet. Der namenlose Ich-Erzähler, ein mäßig erfolgreicher 36-Jähriger, unscheinbar, freundlich und etwas passiv, wie Murakamis Protagonisten es ja öfter sind, hatte sich nach der Trennung von seiner Frau im Landhaus seines Freundes Masahiko in den Bergen einquartiert und dort ein sehr zurückgezogenes Leben geführt. So entstand ein leerer Raum für neue, unerwartete Ereignisse. Der Erzähler machte Bekanntschaft mit dem reichen und rätselhaften Herrn Menshiki, seinem Nachbarn vom gegenüberliegenden Hang, mit schneeweißem Haar und ebensolchem Anzug. Der drängte ihn, sein Bildnis zu malen. Zugleich erhielt er den Auftrag, die 13-jährige Marie Akikawa zu porträtieren, die zu den Sitzungen schicklichkeitshalber immer von ihrer Tante Shoko begleitet wird; Marie ist vielleicht die Tochter Menshikis, vielleicht aber auch nicht, jedenfalls beobachtet Menshiki das Haus ihrer Familie ständig mit einem Teleskop.
So kommt die schon halb aufgegebene künstlerische Karriere des Erzählers wieder in Gang. Als zweiter Impuls wirkt ein Bild, das er, dick eingewickelt, auf dem Dachboden findet und das die merkwürdige, den Buchtitel liefernde Bezeichnung führt „Die Ermordung des Commendatore“, ein Motiv, wie sich herausstellt, aus Mozarts Oper „Don Giovanni“. Das Gemälde ist ein Meisterwerk und stammt ganz offensichtlich von Masahikos Vater, dem seinerzeit hochberühmten und inzwischen im Pflegeheim vegetierenden Maler Tomohiko Amada, der in jenem Berghaus sein Atelier hatte. Der Commendatore, der gerade einen Schwertstich ins Herz empfängt und sein Blut verströmt, ist gekleidet wie ein japanischer Adliger alter Zeit. Mit dem Erscheinen dieses Bildes beginnt sich eine andere Realität aufzutun; in der Nacht ertönt das zarte Geräusch von Glöckchen, der Erzähler geht ihm nach, findet schließlich auf seinem Grundstück einen verborgenen ausgemauerten Schacht, lässt ihn öffnen und findet auf dem Boden einen Schellenstab. Und nicht viel später erhält er Besuch von eben jenem gemalten Commendatore, der nur sechzig Zentimeter groß ist, aber sich wie ein vollkommener Aristokrat benimmt und den anderen „Ihr“ nennt, wenn er selber gesiezt wird.
Diese Konstellation und dieses Personal muss der Leser präsent haben, wenn nun der zweite Teil einsetzt. Das übernatürliche, in die Tiefe der Geschichte eingesenkte Geheimnis war in der Schwebe geblieben und hatte seinen Charme bewahrt. So fangen ja auch Horrorfilme an: Das Beste an ihnen ist immer der Einstieg, wenn es sich hinter der Fassade zu rühren beginnt; da ist was, aber man weiß noch nicht, was. Wenn sich dann später die Monster oder Aliens manifestieren, wird die Wirklichkeit doch wieder ganz einschichtig, und, so grässlich bedrohlich die Lage auch sein mag, die Spannung lässt nach.
So ergeht es auch dem zweiten Band des „Commendatore“. Zum Genre des Horrors gehört dieses Buch nun zwar nicht; es ist gewissermaßen eine Gespenstergeschichte, bei der man sich nicht gruseln muss. Das Erzähltempo sinkt, da die Eckdaten bereits feststehen, erheblich ab, was bei einem Werk von 500 Seiten Umfang nicht unproblematisch ist. Dafür tritt die Geisterwelt nun in den Bereich des Handfesten über – nicht zu ihrem literarischen Vorteil.
Plötzlich ist die 13-jährige Marie verschwunden, Verwirrung und Sorge sind groß. Der Commendatore gibt dem Erzähler den Tipp, unbedingt einer Einladung zu folgen, die er morgen erhalten wird. Sie kommt dann auch wirklich, und zwar von Masahiko, der ihn fragt, ob er ihn nicht begleiten will, wenn er seinen dementen Künstler-Vater im Pflegeheim besucht. Im Krankenzimmer sitzt wieder der puppengroße Commendatore; auch der alte Vater sieht ihn, wenngleich er nicht mehr sprechen kann. Aber er sieht ihn offenbar in anderer Gestalt als der Erzähler, nämlich möglicherweise als jenen Nazi, der 1938, als Amada sich in Wien aufhielt und in ein Komplott gegen die deutschen Besatzer verwickelt war, dessen österreichische Verlobte umgebracht hat. Das Ganze wird einerseits immer komplizierter, andererseits aber auch simpler, weil das Gemälde, das im Zentrum der Trilogie steht, sein Mysterium verliert und allegorisch vereindeutigt wird. Der Commendatore besteht darauf, dass der Erzähler ihn ersticht, ganz wie auf dem Bild, was dieser mit zitternder Hand dann auch tut (warum das erforderlich ist, erfährt der Leser nicht). Aber schließlich ist der Commendatore nur die Verkörperung einer Idee, da stirbt es sich offenbar leichter. Dagegen legt der Emissär der Unterwelt, der gleich darauf durch eine Luke im Boden des Krankenzimmers heraufsteigt, zwergenklein auch er, Wert darauf, dass er wiederum keine Idee, sondern eine Metapher sei. Der Erzähler, der unbedingt Marie retten will, folgt ihm hinab durch ein düsteres Höhlengewirr, trifft auf einen gesichtslosen Fährmann, setzt über einen reißenden Fluss und kommt schließlich in der gemauerten Grube auf dem eigenen Grundstück heraus, wo er in ziemlich ramponiertem Zustand von Herrn Menshiki gefunden wird. Es ist eine Quest ins Jenseits, deren Zweck und Folgerichtigkeit man nicht so recht begreift.
Diesen Teil des Buches, in dem die andere Welt so umstandslos an die normale des Alltags anschließt, wie ein Kanalrohr in eine Zisterne mündet, muss man leider ziemlich enttäuschend nennen. Einmal merkt der Erzähler an: „Mittlerweile war mir die Fähigkeit, mich über irgendetwas zu wundern, größtenteils abhandengekommen.“ Dem Leser geht es genauso. Auch Marie taucht wieder auf, es ist ihr nichts weiter passiert; ihre parallel verlaufende Geschichte teilt der Erzähler im Nachhinein mit, als sie schon gerettet ist, was die Neugier bei der Lektüre nicht gerade steigert. Zum Schluss ist zwar noch längst nicht alles, aber jedenfalls viel zu viel klar geworden. Zwischen dem Erzähler und seiner entfremdeten Ehefrau bahnt sich eine Versöhnung an, und man darf mit aller gebotenen Vorsicht ein einstweiliges Happy End verbuchen.
So stellt der Plot den Schwachpunkt dieses zweiten Bandes dar. Es wäre aber kein Buch von Murakami, wenn es daneben und darüber hinaus nicht andere Qualitäten hätte, die für diese – sagen wir es ruhig – alberne Geschichte einigermaßen entschädigen. Seine Stärke liegt in den Charakteren, in deren stiller, höflicher Manier sich starke Emotionen verbergen. Da sie die direkte Aussprache meist scheuen, wächst den Dingen, die sie tun und haben, bezeichnende Kraft zu. Auch ohne viele Worte merkt man, dass Tante Shoko und Marie entzückt sind, wie leichthändig der Erzähler bei ihrem ersten Besuch für sie ein Mittagessen zubereitet. Wenn Masahiko ausführlich begründet, warum er keine CDs leiden mag und lieber Kassetten aus den Achtzigern hört, enthüllt er, ohne es zu merken, seine Seele. Shoko und Herr Menshiki werden später eine geheime Liebesbeziehung eingehen, über die man wenig erfährt; aber ihr Toyota Prius und sein edler alter Jaguar stehen schon vorher nebeneinander auf dem Parkplatz, als wären sie verheiratet. Und es entwickelt sich unwahrscheinlicherweise zwischen dem Maler und seinem jungen Modell Marie, einem bei aller schulmädchenhaften Wohlerzogenheit bockig schweigenden Teenager, ein Verhältnis des Vertrauens und der Zuneigung, das die Geschichte noch in ihren absurdesten Wendungen trägt. Sie beide wissen, anders als ihr Autor, wie man Geheimnisse wahrt.
Wie im Horror ist die Geschichte
dann am besten, wenn man
noch nicht alles weiß
Der Erzähler wundert sich
über gar nichts mehr – dem Leser
geht es genauso
Mit dem zweiten Teil seiner neuen Roman-Trilogie segelt der japanische Bestsellerautor Haruki Murakami in eine fantastische Unterwelt – mindestens die Handlung erleidet dabei allerdings Schiffbruch.
Foto: Murdo MacLeod/Polaris/laif
Haruki Murakami:
Die Ermordung des Commendatore II: Eine Metapher wandelt sich. Roman. Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe. DuMont, Köln 2018. 491 Seiten. 26 Euro. E-Book 20,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Der zweite Teil von Haruki Murakamis neuer Roman-Trilogie „Die Ermordung des Commendatore“ hat ein Problem:
Den schrägen Plot, der auch noch zu viel verrät. Überzeugen können aber wie immer seine detailliert gezeichneten Charaktere
VON BURKHARD MÜLLER
Der mittlere von dreien hat es schwer. Das gilt für Familien, in denen das sogenannte Sandwich-Kind weder die Vorzüge des Erstgeborenen noch die des Nesthäkchens genießt. Das gilt auch für literarische Trilogien, deren zweiter Band ohne den Zauber des Anfangs und ohne die Rasanz und Entschiedenheit des Schlusses auskommen muss, weshalb er oft etwas langatmig durchhängt.
Haruki Murakami dürfte das Problem bekannt sein, denn es handelt sich bereits um seine zweite große Trilogie. Bei der ersten, „1Q84“, war er der Schwierigkeit teilweise dadurch entgangen, dass er die Bände 2 und 3 zusammen unter einen Buchdeckel packte. Das Mittelstück von „Die Ermordung des Commendatore“ aber erscheint separat und muss die undankbare Aufgaben des kompositorischen Zentrums allein erfüllen.
Der erste Band hatte, wie es sich für ein solches Projekt gehört, mit einem ziemlichen Cliffhanger geendet. Der namenlose Ich-Erzähler, ein mäßig erfolgreicher 36-Jähriger, unscheinbar, freundlich und etwas passiv, wie Murakamis Protagonisten es ja öfter sind, hatte sich nach der Trennung von seiner Frau im Landhaus seines Freundes Masahiko in den Bergen einquartiert und dort ein sehr zurückgezogenes Leben geführt. So entstand ein leerer Raum für neue, unerwartete Ereignisse. Der Erzähler machte Bekanntschaft mit dem reichen und rätselhaften Herrn Menshiki, seinem Nachbarn vom gegenüberliegenden Hang, mit schneeweißem Haar und ebensolchem Anzug. Der drängte ihn, sein Bildnis zu malen. Zugleich erhielt er den Auftrag, die 13-jährige Marie Akikawa zu porträtieren, die zu den Sitzungen schicklichkeitshalber immer von ihrer Tante Shoko begleitet wird; Marie ist vielleicht die Tochter Menshikis, vielleicht aber auch nicht, jedenfalls beobachtet Menshiki das Haus ihrer Familie ständig mit einem Teleskop.
So kommt die schon halb aufgegebene künstlerische Karriere des Erzählers wieder in Gang. Als zweiter Impuls wirkt ein Bild, das er, dick eingewickelt, auf dem Dachboden findet und das die merkwürdige, den Buchtitel liefernde Bezeichnung führt „Die Ermordung des Commendatore“, ein Motiv, wie sich herausstellt, aus Mozarts Oper „Don Giovanni“. Das Gemälde ist ein Meisterwerk und stammt ganz offensichtlich von Masahikos Vater, dem seinerzeit hochberühmten und inzwischen im Pflegeheim vegetierenden Maler Tomohiko Amada, der in jenem Berghaus sein Atelier hatte. Der Commendatore, der gerade einen Schwertstich ins Herz empfängt und sein Blut verströmt, ist gekleidet wie ein japanischer Adliger alter Zeit. Mit dem Erscheinen dieses Bildes beginnt sich eine andere Realität aufzutun; in der Nacht ertönt das zarte Geräusch von Glöckchen, der Erzähler geht ihm nach, findet schließlich auf seinem Grundstück einen verborgenen ausgemauerten Schacht, lässt ihn öffnen und findet auf dem Boden einen Schellenstab. Und nicht viel später erhält er Besuch von eben jenem gemalten Commendatore, der nur sechzig Zentimeter groß ist, aber sich wie ein vollkommener Aristokrat benimmt und den anderen „Ihr“ nennt, wenn er selber gesiezt wird.
Diese Konstellation und dieses Personal muss der Leser präsent haben, wenn nun der zweite Teil einsetzt. Das übernatürliche, in die Tiefe der Geschichte eingesenkte Geheimnis war in der Schwebe geblieben und hatte seinen Charme bewahrt. So fangen ja auch Horrorfilme an: Das Beste an ihnen ist immer der Einstieg, wenn es sich hinter der Fassade zu rühren beginnt; da ist was, aber man weiß noch nicht, was. Wenn sich dann später die Monster oder Aliens manifestieren, wird die Wirklichkeit doch wieder ganz einschichtig, und, so grässlich bedrohlich die Lage auch sein mag, die Spannung lässt nach.
So ergeht es auch dem zweiten Band des „Commendatore“. Zum Genre des Horrors gehört dieses Buch nun zwar nicht; es ist gewissermaßen eine Gespenstergeschichte, bei der man sich nicht gruseln muss. Das Erzähltempo sinkt, da die Eckdaten bereits feststehen, erheblich ab, was bei einem Werk von 500 Seiten Umfang nicht unproblematisch ist. Dafür tritt die Geisterwelt nun in den Bereich des Handfesten über – nicht zu ihrem literarischen Vorteil.
Plötzlich ist die 13-jährige Marie verschwunden, Verwirrung und Sorge sind groß. Der Commendatore gibt dem Erzähler den Tipp, unbedingt einer Einladung zu folgen, die er morgen erhalten wird. Sie kommt dann auch wirklich, und zwar von Masahiko, der ihn fragt, ob er ihn nicht begleiten will, wenn er seinen dementen Künstler-Vater im Pflegeheim besucht. Im Krankenzimmer sitzt wieder der puppengroße Commendatore; auch der alte Vater sieht ihn, wenngleich er nicht mehr sprechen kann. Aber er sieht ihn offenbar in anderer Gestalt als der Erzähler, nämlich möglicherweise als jenen Nazi, der 1938, als Amada sich in Wien aufhielt und in ein Komplott gegen die deutschen Besatzer verwickelt war, dessen österreichische Verlobte umgebracht hat. Das Ganze wird einerseits immer komplizierter, andererseits aber auch simpler, weil das Gemälde, das im Zentrum der Trilogie steht, sein Mysterium verliert und allegorisch vereindeutigt wird. Der Commendatore besteht darauf, dass der Erzähler ihn ersticht, ganz wie auf dem Bild, was dieser mit zitternder Hand dann auch tut (warum das erforderlich ist, erfährt der Leser nicht). Aber schließlich ist der Commendatore nur die Verkörperung einer Idee, da stirbt es sich offenbar leichter. Dagegen legt der Emissär der Unterwelt, der gleich darauf durch eine Luke im Boden des Krankenzimmers heraufsteigt, zwergenklein auch er, Wert darauf, dass er wiederum keine Idee, sondern eine Metapher sei. Der Erzähler, der unbedingt Marie retten will, folgt ihm hinab durch ein düsteres Höhlengewirr, trifft auf einen gesichtslosen Fährmann, setzt über einen reißenden Fluss und kommt schließlich in der gemauerten Grube auf dem eigenen Grundstück heraus, wo er in ziemlich ramponiertem Zustand von Herrn Menshiki gefunden wird. Es ist eine Quest ins Jenseits, deren Zweck und Folgerichtigkeit man nicht so recht begreift.
Diesen Teil des Buches, in dem die andere Welt so umstandslos an die normale des Alltags anschließt, wie ein Kanalrohr in eine Zisterne mündet, muss man leider ziemlich enttäuschend nennen. Einmal merkt der Erzähler an: „Mittlerweile war mir die Fähigkeit, mich über irgendetwas zu wundern, größtenteils abhandengekommen.“ Dem Leser geht es genauso. Auch Marie taucht wieder auf, es ist ihr nichts weiter passiert; ihre parallel verlaufende Geschichte teilt der Erzähler im Nachhinein mit, als sie schon gerettet ist, was die Neugier bei der Lektüre nicht gerade steigert. Zum Schluss ist zwar noch längst nicht alles, aber jedenfalls viel zu viel klar geworden. Zwischen dem Erzähler und seiner entfremdeten Ehefrau bahnt sich eine Versöhnung an, und man darf mit aller gebotenen Vorsicht ein einstweiliges Happy End verbuchen.
So stellt der Plot den Schwachpunkt dieses zweiten Bandes dar. Es wäre aber kein Buch von Murakami, wenn es daneben und darüber hinaus nicht andere Qualitäten hätte, die für diese – sagen wir es ruhig – alberne Geschichte einigermaßen entschädigen. Seine Stärke liegt in den Charakteren, in deren stiller, höflicher Manier sich starke Emotionen verbergen. Da sie die direkte Aussprache meist scheuen, wächst den Dingen, die sie tun und haben, bezeichnende Kraft zu. Auch ohne viele Worte merkt man, dass Tante Shoko und Marie entzückt sind, wie leichthändig der Erzähler bei ihrem ersten Besuch für sie ein Mittagessen zubereitet. Wenn Masahiko ausführlich begründet, warum er keine CDs leiden mag und lieber Kassetten aus den Achtzigern hört, enthüllt er, ohne es zu merken, seine Seele. Shoko und Herr Menshiki werden später eine geheime Liebesbeziehung eingehen, über die man wenig erfährt; aber ihr Toyota Prius und sein edler alter Jaguar stehen schon vorher nebeneinander auf dem Parkplatz, als wären sie verheiratet. Und es entwickelt sich unwahrscheinlicherweise zwischen dem Maler und seinem jungen Modell Marie, einem bei aller schulmädchenhaften Wohlerzogenheit bockig schweigenden Teenager, ein Verhältnis des Vertrauens und der Zuneigung, das die Geschichte noch in ihren absurdesten Wendungen trägt. Sie beide wissen, anders als ihr Autor, wie man Geheimnisse wahrt.
Wie im Horror ist die Geschichte
dann am besten, wenn man
noch nicht alles weiß
Der Erzähler wundert sich
über gar nichts mehr – dem Leser
geht es genauso
Mit dem zweiten Teil seiner neuen Roman-Trilogie segelt der japanische Bestsellerautor Haruki Murakami in eine fantastische Unterwelt – mindestens die Handlung erleidet dabei allerdings Schiffbruch.
Foto: Murdo MacLeod/Polaris/laif
Haruki Murakami:
Die Ermordung des Commendatore II: Eine Metapher wandelt sich. Roman. Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe. DuMont, Köln 2018. 491 Seiten. 26 Euro. E-Book 20,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2018Japans Unterwelt hat westliche Wurzeln
Er interessiert sich nicht sehr für Philosophie, aber Kino, Kunst, Musik und Bücher inspirieren Haruki Murakami. Nun erscheint der Abschluss seines neuen Romans "Die Ermordung des Commendatore".
Es hat nicht lange gedauert, bis der zweite Band von Haruki Murakamis Roman "Die Ermordung des Commendatore" auf Deutsch erschienen ist: Nicht einmal drei Monate sind seit dem ersten Teil (F.A.Z. vom 23. Januar) vergangen. Da stellt sich die Frage, warum der Verlag den Text überhaupt geteilt hat, der in Japan im Vorjahr noch als Ganzes publiziert wurde. Scheu vor dem Umfang von dann fast tausend Seiten wird es nicht gewesen sein; sonst hätte man Murakamis bislang umfangreichsten Roman, "1Q84", vor acht Jahren auch auf Deutsch in den drei Bänden erscheinen lassen können, die er in Japan einnahm; stattdessen aber fasste der DuMont Verlag die ersten beiden zu einem monumentalen Tausendseitenwerk zusammen, das sich sehr gut verkauft hat, besser als der damalige Abschlussband mit dann nur noch fünfhundert Seiten. Bleibt also der Verdacht, dass dieses Mal kühl ökonomisch gedacht wurde: Für ein einziges Buch, und sei es noch so dick, hätte man keine 52 Euro verlangen können, die die beiden Einzelteile nun zusammen kosten.
Man könnte sich allerdings auch fragen, ob durch das etwas spätere Erscheinen des zweiten Bandes die bewährte Murakami-Übersetzerin Ursula Gräfe entlastet werden sollte, zumal sie für den Tropen-Verlag parallel noch Keigo Higashinos immerhin auch mehr als siebenhundertseitigen Thriller "Unter der Mitternachtssonne" auf dem Schreibtisch liegen hatte. Wenn dem so gewesen wäre, hat diese zusätzliche Frist allerdings keine Wunder bewirkt. Schon früh, noch im ersten Kapitel des zweiten Bandes (dem dreiunddreißigsten in der fortlaufenden Zählung), macht jemand ein "angstvolles Gesicht", und man fragt sich, wieso Frau Gräfe Angst vor "ängstlich" hatte. Generell ist der vielgerühmte lakonische Ton Murakamis hier oftmals ungewohnt unbeholfen, bisweilen fast mechanisch in seiner betonten Unvirtuosität. Das muss nicht der Übersetzerin anzulasten sein, aber wenn es Murakamis Original entspräche, würde sein Ich-Erzähler, ein Maler von gewissen Fertigkeiten, ungebührlich banal gemacht.
Nun hat Murakami immer schon gewöhnliche Helden in den Mittelpunkt durchaus ungewöhnlicher Stoffe gestellt, und auch bei seinem neuen namenlosen Ich-Erzähler, einem Mann von 36 Jahren, handelt es sich nicht um einen berühmten Meister seiner Zunft, sondern um einen Berufsporträtisten, der aber in einer Ehekrise steckt und deshalb sein Leben neu ordnet, darunter auch die Profession. Ein Freund bietet ihm das Haus seines ins Altersheim gelangten Vaters als Quartier an, und da es sich bei dem Greis auch um einen Maler handelt, und zwar diesmal um einen sehr berühmten, wird das Angebot gerne angenommen. Tatsächlich stellt sich beim Ich-Erzähler in der inspirierenden Umgebung neue Freude an der Kunst ein, nicht zuletzt durch den Fund eines vom Hauseigentümer irgendwann versteckten eigenhändigen Gemäldes, das eine Szene aus der Mozart-Oper "Don Giovanni" zeigt: die Ermordung des Commendatore durch den Titelhelden, allerdings gemalt in traditionell japanischem Stil. Murakami hat mit diesem Hybridkunstwerk - westliches Thema und fernöstliche Umsetzung - einen subtilen Kommentar zu den eigenen Schaffensprinzipien angelegt.
Denn er wird ja nicht nur deshalb als permanenter Literaturnobelpreiskandidat gehandelt, weil er in aller Welt begeistert gelesen wird - da gäbe es noch ganz andere Kandidaten -, sondern vor allem, weil er zwischen den Welten schreibt, geographisch wie metaphorisch. Kafka ist der wichtigste Einfluss auf seine Geschichten, und von diesem Autor hat Murakami auch das Unbestimmbare übernommen, das Changieren seiner Protagonisten zwischen Wachen und Träumen, zwischen realer und Phantasiewelt. In Band 1 der "Ermordung des Commendatore" entdeckte der Ich-Erzähler ein geheimnisvolles Erdloch, aus dem, wie sich bald herausstellt, ein Wiedergänger entwichen ist, der genauso aussieht wie der auf dem Gemälde erstochene Commendatore. Es ist jedoch, wie sich bald erweist, kein Geist, sondern eine Idee, was dem ersten Band seinen Untertitel "Eine Idee erscheint" verschafft. Der zweite nun heißt "Eine Metapher wandelt sich". Und so lauten natürlich auch die Titel der beiden Teile des Romans in Japan. Die symmetrische Anlage des Buchs bis hin zur Kapitelzahl (jeweils zweiunddreißig pro Teil) erleichterte dem deutschen Verlag die Aufsplittung.
Wer ist nun die Metapher? Eine andere Figur des geheimnisvollen Don-Giovanni-Bildes, nämlich ein Beobachter, der den Mord aus einem Erdloch verfolgt, vom Ich-Erzähler seiner Physiognomie wegen "Langgesicht" getauft. Als schließlich auch diese Gestalt real - was immer das bei Murakami heißen soll - auftritt, erklärt sie sich selbst als "bescheidenes Sinnbild, ein Wesen, das Dinge mit Bildern verknüpft". Wer bei Murakami tiefstapelt, hat meistens den Schlüssel zum Geschehen in der Hand, und tatsächlich ermöglicht Langgesicht dem Ich-Erzähler eine Unterweltreise (oder besser: Unterbewusstseinsfahrt), die ihm ermöglichen soll, ein in der wahren Welt verschwundenes Mädchen wiederzufinden.
Hat bis zum Beginn dieser Reise ins Innere seiner selbst der Ich-Erzähler nur weiter verstrickt, was der erste Band an Handlungsfäden schon bereitgestellt hatte (darunter leider auch eine ungehörige Portion peinlicher Altmänner-Erotik), so setzt mit dem neuen phantastischen Schauplatz auch ein ganz neues Erzählen ein. Nicht stilistisch; selten wurde in der Weltliteratur so unaufgeregt aus einem Jenseits reportiert. Aber die ganze Psychologie der Geschichte wird so kondensiert, wie es bald auch dem Ich-Erzähler körperlich widerfährt. Hier transferiert Murakami westliche Vorbilder, vor allem Dante und Freud, zu Landschaftsbeschreibungen, die ans japanische Kino denken lassen, etwa an Nobuo Nakagawas Höllenphantasie "Jigoku" von 1960 oder Akira Kurosawas Nachtmahrepisoden aus seinen "Träumen" von 1990. Zugleich erkennt man hier, wie geschickt "Die Ermordung des Commendatore" konzipiert ist, denn das zentrale Motiv der Bedrängung ist von Beginn an vielfach präsent.
Das Spiel mit den philosophisch besetzten Begriffen "Idee" und "Metapher" trägt dagegen weniger weit, als man Murakami zugetraut hätte. Für Reminiszenzen an Platon hat es gereicht, für Donald Davidson etwa hat sich der Schriftsteller offenbar nicht interessiert. Dafür ist faszinierend zu sehen, welche Einflüsse in der Figur des verschwundenen Mädchens Marie wirksam werden: Goethes "Wahlverwandtschaften" etwa, aber auch - bei diesem Namen naheliegend - der christliche Topos der Jungfrauengeburt. Murakami erweist sich einmal mehr als großer Eklektiker. Dass die Geschichte weitgehend offen endet, daran hat man sich bei ihm gewöhnt. Wer sich daran stört, ist für einen Großen der Gegenwart eh nicht zu haben.
ANDREAS PLATTHAUS
Haruki Murakami: "Die Ermordung des Commendatore". Band 2: Eine Metapher wandelt sich. Roman.
Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe. DuMont Buchverlag, Köln 2018. 491 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Er interessiert sich nicht sehr für Philosophie, aber Kino, Kunst, Musik und Bücher inspirieren Haruki Murakami. Nun erscheint der Abschluss seines neuen Romans "Die Ermordung des Commendatore".
Es hat nicht lange gedauert, bis der zweite Band von Haruki Murakamis Roman "Die Ermordung des Commendatore" auf Deutsch erschienen ist: Nicht einmal drei Monate sind seit dem ersten Teil (F.A.Z. vom 23. Januar) vergangen. Da stellt sich die Frage, warum der Verlag den Text überhaupt geteilt hat, der in Japan im Vorjahr noch als Ganzes publiziert wurde. Scheu vor dem Umfang von dann fast tausend Seiten wird es nicht gewesen sein; sonst hätte man Murakamis bislang umfangreichsten Roman, "1Q84", vor acht Jahren auch auf Deutsch in den drei Bänden erscheinen lassen können, die er in Japan einnahm; stattdessen aber fasste der DuMont Verlag die ersten beiden zu einem monumentalen Tausendseitenwerk zusammen, das sich sehr gut verkauft hat, besser als der damalige Abschlussband mit dann nur noch fünfhundert Seiten. Bleibt also der Verdacht, dass dieses Mal kühl ökonomisch gedacht wurde: Für ein einziges Buch, und sei es noch so dick, hätte man keine 52 Euro verlangen können, die die beiden Einzelteile nun zusammen kosten.
Man könnte sich allerdings auch fragen, ob durch das etwas spätere Erscheinen des zweiten Bandes die bewährte Murakami-Übersetzerin Ursula Gräfe entlastet werden sollte, zumal sie für den Tropen-Verlag parallel noch Keigo Higashinos immerhin auch mehr als siebenhundertseitigen Thriller "Unter der Mitternachtssonne" auf dem Schreibtisch liegen hatte. Wenn dem so gewesen wäre, hat diese zusätzliche Frist allerdings keine Wunder bewirkt. Schon früh, noch im ersten Kapitel des zweiten Bandes (dem dreiunddreißigsten in der fortlaufenden Zählung), macht jemand ein "angstvolles Gesicht", und man fragt sich, wieso Frau Gräfe Angst vor "ängstlich" hatte. Generell ist der vielgerühmte lakonische Ton Murakamis hier oftmals ungewohnt unbeholfen, bisweilen fast mechanisch in seiner betonten Unvirtuosität. Das muss nicht der Übersetzerin anzulasten sein, aber wenn es Murakamis Original entspräche, würde sein Ich-Erzähler, ein Maler von gewissen Fertigkeiten, ungebührlich banal gemacht.
Nun hat Murakami immer schon gewöhnliche Helden in den Mittelpunkt durchaus ungewöhnlicher Stoffe gestellt, und auch bei seinem neuen namenlosen Ich-Erzähler, einem Mann von 36 Jahren, handelt es sich nicht um einen berühmten Meister seiner Zunft, sondern um einen Berufsporträtisten, der aber in einer Ehekrise steckt und deshalb sein Leben neu ordnet, darunter auch die Profession. Ein Freund bietet ihm das Haus seines ins Altersheim gelangten Vaters als Quartier an, und da es sich bei dem Greis auch um einen Maler handelt, und zwar diesmal um einen sehr berühmten, wird das Angebot gerne angenommen. Tatsächlich stellt sich beim Ich-Erzähler in der inspirierenden Umgebung neue Freude an der Kunst ein, nicht zuletzt durch den Fund eines vom Hauseigentümer irgendwann versteckten eigenhändigen Gemäldes, das eine Szene aus der Mozart-Oper "Don Giovanni" zeigt: die Ermordung des Commendatore durch den Titelhelden, allerdings gemalt in traditionell japanischem Stil. Murakami hat mit diesem Hybridkunstwerk - westliches Thema und fernöstliche Umsetzung - einen subtilen Kommentar zu den eigenen Schaffensprinzipien angelegt.
Denn er wird ja nicht nur deshalb als permanenter Literaturnobelpreiskandidat gehandelt, weil er in aller Welt begeistert gelesen wird - da gäbe es noch ganz andere Kandidaten -, sondern vor allem, weil er zwischen den Welten schreibt, geographisch wie metaphorisch. Kafka ist der wichtigste Einfluss auf seine Geschichten, und von diesem Autor hat Murakami auch das Unbestimmbare übernommen, das Changieren seiner Protagonisten zwischen Wachen und Träumen, zwischen realer und Phantasiewelt. In Band 1 der "Ermordung des Commendatore" entdeckte der Ich-Erzähler ein geheimnisvolles Erdloch, aus dem, wie sich bald herausstellt, ein Wiedergänger entwichen ist, der genauso aussieht wie der auf dem Gemälde erstochene Commendatore. Es ist jedoch, wie sich bald erweist, kein Geist, sondern eine Idee, was dem ersten Band seinen Untertitel "Eine Idee erscheint" verschafft. Der zweite nun heißt "Eine Metapher wandelt sich". Und so lauten natürlich auch die Titel der beiden Teile des Romans in Japan. Die symmetrische Anlage des Buchs bis hin zur Kapitelzahl (jeweils zweiunddreißig pro Teil) erleichterte dem deutschen Verlag die Aufsplittung.
Wer ist nun die Metapher? Eine andere Figur des geheimnisvollen Don-Giovanni-Bildes, nämlich ein Beobachter, der den Mord aus einem Erdloch verfolgt, vom Ich-Erzähler seiner Physiognomie wegen "Langgesicht" getauft. Als schließlich auch diese Gestalt real - was immer das bei Murakami heißen soll - auftritt, erklärt sie sich selbst als "bescheidenes Sinnbild, ein Wesen, das Dinge mit Bildern verknüpft". Wer bei Murakami tiefstapelt, hat meistens den Schlüssel zum Geschehen in der Hand, und tatsächlich ermöglicht Langgesicht dem Ich-Erzähler eine Unterweltreise (oder besser: Unterbewusstseinsfahrt), die ihm ermöglichen soll, ein in der wahren Welt verschwundenes Mädchen wiederzufinden.
Hat bis zum Beginn dieser Reise ins Innere seiner selbst der Ich-Erzähler nur weiter verstrickt, was der erste Band an Handlungsfäden schon bereitgestellt hatte (darunter leider auch eine ungehörige Portion peinlicher Altmänner-Erotik), so setzt mit dem neuen phantastischen Schauplatz auch ein ganz neues Erzählen ein. Nicht stilistisch; selten wurde in der Weltliteratur so unaufgeregt aus einem Jenseits reportiert. Aber die ganze Psychologie der Geschichte wird so kondensiert, wie es bald auch dem Ich-Erzähler körperlich widerfährt. Hier transferiert Murakami westliche Vorbilder, vor allem Dante und Freud, zu Landschaftsbeschreibungen, die ans japanische Kino denken lassen, etwa an Nobuo Nakagawas Höllenphantasie "Jigoku" von 1960 oder Akira Kurosawas Nachtmahrepisoden aus seinen "Träumen" von 1990. Zugleich erkennt man hier, wie geschickt "Die Ermordung des Commendatore" konzipiert ist, denn das zentrale Motiv der Bedrängung ist von Beginn an vielfach präsent.
Das Spiel mit den philosophisch besetzten Begriffen "Idee" und "Metapher" trägt dagegen weniger weit, als man Murakami zugetraut hätte. Für Reminiszenzen an Platon hat es gereicht, für Donald Davidson etwa hat sich der Schriftsteller offenbar nicht interessiert. Dafür ist faszinierend zu sehen, welche Einflüsse in der Figur des verschwundenen Mädchens Marie wirksam werden: Goethes "Wahlverwandtschaften" etwa, aber auch - bei diesem Namen naheliegend - der christliche Topos der Jungfrauengeburt. Murakami erweist sich einmal mehr als großer Eklektiker. Dass die Geschichte weitgehend offen endet, daran hat man sich bei ihm gewöhnt. Wer sich daran stört, ist für einen Großen der Gegenwart eh nicht zu haben.
ANDREAS PLATTHAUS
Haruki Murakami: "Die Ermordung des Commendatore". Band 2: Eine Metapher wandelt sich. Roman.
Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe. DuMont Buchverlag, Köln 2018. 491 S., geb., 26,- [Euro].
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»In 'Die Ermordung des Commendatore' blinzelt der literarische Weltstar Haruki Murakami meisterhaft zwischen Halluzination und Realität.« Anne Haeming, SPIEGEL ONLINE »Es [gelingt Murakami] mit jeder seiner Geschichten, erzählerische Lakonie und Fantastik, Gegenwartsdiagnostik und Geisterbeschwörung zu verschmelzen.« Peter Praschl, DIE LITERARISCHE WELT »[...] ein Kammerspiel über Geister und Kunst, das bis ins Konzentrationslager Treblinka führt, virtuos inszeniert von jenem Meister der einfachen Sätze und komplexen Gedanken, dessen Werk selbst für die Verschmelzung westlicher und japanischer Traditionen steht.« Denis Scheck, DRUCKFRISCH »Von Murakami lernen, dachte ich, heißt erzählen lernen.« Jan Brandt, LITERATUR SPIEGEL »[Haruki Murakami] hat die Gabe, Träume zu erschaffen und dabei hellwach zu bleiben.« Martina Läubli, NZZ AM SONNTAG »Die Sprache dieses Buches ist klar und schlicht, und doch spürt der Leser, dass diese gut aufgeräumte Oberfläche Geheimnisse birgt.« Burkhard Müller, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG »Murakami fragt nach nichts Geringerem als nach dem Preis, den wir dafür zahlen, wenn wir uns Kunst hingeben.« Tilman Spreckelsen, FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG »Man liest dieses Buch in einem Atemzug und stellt dann fest, dass eigentlich alle Erzählstränge noch offen zutage liegen. Das ist der große, wenn auch einzige Nachteil dieses Romans: Der zweite Teil erscheint erst Mitte April.« Ronald Düker, DIE ZEIT »Er tut es wieder: Murakami schickt seinen Helden in die Einsamkeit, dort umschlingt ihn das Unerwartete. Suchtgefahr.« ZEIT LITERATUR SPEZIAL »Wie geht es, dass ich immer wissen möchte, wie das nächste Kapitel weitergeht? Das ist hohe Handwerkskunst!« Bernhard Fetz, ORF Ö1 »Es ist wunderbar seltsam, niemand schreibt so etwas. [...] Man liest es hypnotisiert« Clemens Setz, ORF Ö1 »Es ist ein cleveres, oft auch sehr komisches Spiel mit Spiegeln und Doppelgängern, Magie und Realität, Mysterien und Psychologie, das Murakami in seinem herrlich schlichten und lakonischen Tonfall aufzieht. Den verdanken wir wieder der wundervollen Übersetzung von Ursula Gräfe.« Maik Brüggemeyer, DEUTSCHLANDFUNK »Haruki Murakami agiert wie sein malender Protagonist: auf seiner literarisch-magischen Palette mischt sich Alltägliches mit Transzendentem, wird das allzu grell Übernatürliche sofort mit einer banalen Haushaltstätigkeit abgetönt, es steht Grundfarbe gegen Akzent.« Katrin Schumacher, DEUTSCHLANDFUNK KULTUR »Das hat den Charme einer Spukgeschichte« Elke Heidenreich, SRF LITERATURCLUB »Absolut fantastisch zum Lesen, wirklich fantastisch - es ist ein Entwicklungsroman. [...] wer zu Staunen verlernt hat, soll Murakami zur Therapie lesen.« Hildegard Keller, SRF LITERATURCLUB »Mich hat dieses Buch sehr reingezogen, und zwar in eine unheimliche Atmosphäre [...] Man hat fast die ganze Zeit Herzklopfen. [...] Murakami schafft es eine unglaubliche Spannung durchzuhalten.« Christine Lötscher, RADIO SRF 2 Kultur »starker Passagen über Literatur, Musik und Malerei« Stefan Gmünder, DER STANDARD »Murakami umschreibt den inneren Abgrund seiner Hauptfigur in kreisenden Bewegungen und inszeniert ein äußerst cleveres, oft auch sehr komisches Spiel mit Spiegeln und Doppelgängern, Magie und Realität, Mysterien und Psychologie.« Maik Brüggemeyer, ROLLING STONE »Ein junger Maler, ein mysteriöses Gemälde und ein reicher Mann - aus diesem Dreieck erschafft Murakami eine magische Geschichte.« Günter Keil, PLAYBOY »Die wie immer grandiose Übersetzung von Ursula Gräfe macht das Lesen zum uneingeschränkten Vergnügen.« Jürgen Krainhöfner, MOVIESTAR »Wunderbarer Lesestoff. Mysteriös, zart, spannend!« Verena Lugert, ANNABELLE »Die Geschichte einer künstlerischen Selbstfindung - und Murakamis persönlichster Roman.« Janis Voss, EMOTION »Es ist einfach alles vorhanden, was ein wirklich gutes Buch braucht: eine sehr präzise Sprache, Humor, eine fesselnde Geschichte, und diesmal benutzt Murakami sogar Cliffhanger von einem Kapitel aufs nächste, so dass auch Serienjunkies auf ihre Kosten kommen werden.« Jörg Petzold, FLUX FM »Es lohnt sich immer Murakami zu lesen.« Clemens Benke, KLASSIK RADIO »Die geniale Übersetzung hat einen großen Anteil am Lesevergnügen.« Clemens Benke, KLASSIK RADIO »Murakamis melancholischer Surrealismus passt ausgesprochen gut zum Innenleben eines orientierungslosen Malers, der jeden Morgen auf eine unbemalte Leinwand starrt.« Silke Hohmann, MONOPOL MAGAZIN »Lassen auch Sie sich auf Murakami ein! Sie werden es nicht bereuen!« Andrea Vrsaljko, NEUE WESTFÄLISCHE »Haruki Murakamis Roman ist fesselnd geschrieben, die Sprache ist schlicht, aber voller Andeutungen.« Roland Mischke, ALLGEMEINE ZEITUNG »Der japanische Dauernobelpreiskandidat schreibt poetisch über den Versuch, das Nichts auf die Leinwand zu bannen.« Nina May, RND »Die Lektüre von Murakami ist, wenn man sich darauf einlässt, eine sinnliche Erfahrung, zauberhaft, sehr japanisch.« Judith Brandner, SPECTRUM DIE PRESSE »ein typischer Murakami. [...] Diesmal gelingt es ihm, die verwickelten Zusammenhänge von Vernunft und Wunder bemerkenswert einleuchtend aufzudröseln.« Anton Thuswaldner, SALZBURGER NACHRICHTEN »Man taucht wieder vollkommen ab in diese Murakami-Welt.« Anne Dore Krohn, RBB KULTURRADIO »Große Literatur« Paula Pfoser, ORF.AT »Seine Sätze sind Linien, seine Erzählbögen Flächen, und alles zusammen ergibt ein wohl komponiertes Bild.« Christine Lötscher, SRF »Man [möchte] wieder einmal nicht aus der Murakami-Welt zurück in die Realität.« Barbara Geschwinde, WDR3 »Wir haben sozusagen die literarische DNA dieses Weltbestseller-Autors vor uns im neuen Roman.« Ursula März im Gespräch mit Maria Klaner, BAYRISCHER RUNDFUNK, BAYERN 2 Diwan »Der Roman hat alles, was ein echter Murakami braucht.« Marie Kaiser, RBB RADIO EINS »'Die Ermordung des Commendatore' ist ein Murakami-Roman, der alle Erwartungen aufs Schönste erfüllt. Er ist fesselnd, originell und stellenweise sogar humorvoll.« Martin Oehlen, BERLINER ZEITUNG, FRANKFURTER RUNDSCHAU »Haruki Murakamis neuer Roman ist fesselnd geschrieben. Der Nervenkitzel ist sehr subtil, der Wunsch, weiterzulesen, wie eine unerklärbare Sucht.« Arun Atmaca, GIEßENER ANZEIGER »Haruki Murakami schreibt in seinem neuen Roman 'Die Ermordung des Commendatore' auf Nobelpreis-Niveau.« GOSLARSCHE ZEITUNG »spannend, subtil, philosophisch« Yuriko Wahl-Immel, DPA »Der 69-jährige Autor beweist einmal mehr, dass er mit seinem charmanten Potpourri aus asiatischen und europäischen Motiven und Schreibtraditionen auf besondere Weise ein Literat von Welt ist.« Nina May, REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND »Die Wendungen, Pointen, das motivische Netzwerk Murakamis sind schon jetzt, über alle stilistischen Einwände hinweg, spannend, bewundernswert.« Peter von Becker, DER TAGESSPIEGEL »Zusammengehalten wird diese explodierende Themenfülle von einem Plot, der einem meisterhaften Stück Jazz gleicht: etwas stimmt so genau, dass man einfach weiterhören muss.« Felix Müller, BERLINER MORGENPOST »Das Lesen eines Murakami-Romans ist eine weihevolle Erfahrung.« Thomas Andre, HAMBURGER ABENDBLATT »'Eine Idee erscheint' liest sich so herrlich schräg und doch gleichzeitig so inspirierend, dass man glaubt, der wiederauferstandene Edgar Allan Poe hätte Thomas Manns 'Doktor Faustus' fortgeschrieben.« Peter Mohr, RHEINISCHE POST »Murakamis Romane sind Reisen ins Innere, und zu ihrem verqueren Charme gehört, dass dieses Innere häufig klingelt wie ein Äußeres.« Stefan Kister, STUTTGARTER ZEITUNG »Mit diesem Werk übertrifft er sich selbst. Der Leser darf eintauchen und sich treiben lassen, dass es nur so eine wahre Lust ist.« Reinhard Oldeweme, FREIE PRESSE »Ein Buch, das man nicht mehr aus der Hand legt.« Birgit Ruf, NÜRNBERGER NACHRICHTEN »Haruki Murakamis neuer Roman 'Die Ermordung des Commendatore' darf man womöglich als die Essenz seines bisherigen Werkes lesen, so sehr verdichten sich hier die bekannten Motive« Britta Heidemann, WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU »Warum also sollte man jetzt 'Die Ermordung des Commendatore' lesen? Weil man gar nicht anders kann, wenn man erst einmal begonnen hat. Weil Murakami einen, wie immer, behutsam, aber unnachgiebig in seinen Bann schlägt.« Harald Ries, WESTFALENPOST »Hier zeigt sich Murakami auf der Höhe seines Handwerks.« Joachim Leitner, TIROLER TAGESZEITUNG »Was David Lynch für den Film, ist Haruki Murakami in der Literatur. Beide verstehen es meisterhaft, das Mysteriöse, Groteske und Albtraumhafte zu inszenieren.« Sylvie-Sophie Schindler, GALORE »Der Autor verwischt Grenzen, verschmelzt Kulturen und Stile, verwebt unzählige Anspielungen in seinen Text und erzählt beiläufig, aber auch so spannend, dass man sich dem Text nicht entziehen kann.« Jörn Pinnow, LITERATURKURIER »Haruki Murakamis neuer Roman ist fesselnd geschrieben. Der Nervenkitzel ist sehr subtil, der Wunsch, weiterzulesen, wie eine unerklärbare Sucht.« GIEßENER ANZEIGER »Es passiert - nicht viel [...] und doch kommt in der intensiven Leichtigkeit, die Murakamis Bücher kennzeichnet, nicht die Spur von Ermüdung auf.« Daniel Hadler, KLEINE ZEITUNG »Und was ist das wieder für ein Buch!« Sarah Reul, PINKFISCH.NET