Am Anfang des Versuches, die Ereignisse der Umwälzung in der DDR bis zu deren Aufhebung zu analysieren, um die Vorgänge zu verstehen und eine Gesamtschau zu ermöglichen, die Bewertungen zuläßt, wird dem Leser eine Hypothese angeboten. Sie ist ein theoretischer Brocken, der im Fortgang der Ausführungen zerkleinert und gewürzt werden soll. Um der Genießbarkeit der Theorie willen, soll diese mit Fakten unterlegt und in der Nachzeichnung einzelner Entwicklungsschritte belegt werden. Ob diese Mahlzeit den Geschmack trifft, hängt teils von der Zubereitung ab und teils vom Appetit. Auf letzteres wird hier gebaut, weil sich während und besonders nach den Ereignissen ein kräftiges Theoriebedürfnis eingestellt hat. Anfang und Fortgang der Wende haben die Bürger des Landes und Außenstehende vollkommen überrascht. Monate hindurch hielten Beteiligte und Unbeteiligte den Atem an. Das ist vorüber. Trotz vieler Unwägbarkeiten zukünftiger Entwicklungen besinnen sich die Nachdenklichen im Lande und fragen sich nach Gründen und Ursachen der erstaunlichen Wendung. Jetzt ist Zeit für Erklärungen und Deutungen. Und es ist Zeit, nach dem Erbe der Revolution zu fragen. Das soll hier versucht werden. Die DDR-Revolution war eine Revolution neuen Typus. Die Revolutionäre waren die handelnden Subjekte eines anstehenden globalen, politischen Paradigmenwechsels, der weltweit die Menschen in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen wird. So erhielt die "DDR" in ihrem letzten Jahr die Bedeutung, die sie als miserabler kleiner Staat trotz exponierter Stellung an den Blockgrenzen nie erlangen konnte. Diese Bedeutung haben ausgerechnet jene der DDR verschafft, die dieses Staatsgebilde ungewollt abgeschafft haben. Für die Mehrheit der Revolutionäre, vorwiegend Protestanten, sollte die DDR das Experimentierfeld des Neuen sein. Dies erwies sich als Täuschung. Diese Täuschung war zwingend, weil sich die globale Dimension der Probleme nicht in die provinzielle Enge des Mauerstaates pressen ließ. . .