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Eine Annäherung an eine der spannendsten Literaturlandschaften der Moderne.In Europa sind aus der japanischen Dichtung vor allem die traditionellen Formen des Haiku und Tanka bekannt, doch gehören sie im engeren Sinne nicht zu dem, was in der japanischen Sprache als Gedichte bezeichnet wird und seit dem Beginn der Moderne eine eigenständige Tradition hat.Diese Anthologie präsentiert erstmals herausragende, stilistisch prägnante, schwungvolle Weltentwürfe einer jüngeren Generation von japanischen Lyriker_innen, die diese Tradition weiter pflegen. Diese Lyrik ist wild, leidenschaftlich,…mehr

Produktbeschreibung
Eine Annäherung an eine der spannendsten Literaturlandschaften der Moderne.In Europa sind aus der japanischen Dichtung vor allem die traditionellen Formen des Haiku und Tanka bekannt, doch gehören sie im engeren Sinne nicht zu dem, was in der japanischen Sprache als Gedichte bezeichnet wird und seit dem Beginn der Moderne eine eigenständige Tradition hat.Diese Anthologie präsentiert erstmals herausragende, stilistisch prägnante, schwungvolle Weltentwürfe einer jüngeren Generation von japanischen Lyriker_innen, die diese Tradition weiter pflegen. Diese Lyrik ist wild, leidenschaftlich, phantasievoll, radikal, um eine selbstverantwortete Wahrnehmung bemüht, sie stammt sehr oft von Frauen und ist erfrischend innovativ.Schmetterlingsflügel, Ananas-Boote, philosophische Wassertropfen: Namhafte deutschsprachige Dichter_innen haben sich der Herausforderung gestellt, über Sprachgrenzen hinweg dieser Eigentümlichkeit auf die Spur zu kommen und nähern sich einer der spannendsten Literaturlandschaften der Moderne an.Beteiligt waren u. a. Marcel Beyer, Ann Cotten, Daniela Danz, Harald Hartung, Ursula Krechel, Dirk von Petersdorff, Marion Poschmann, Monika Rinck, Lutz Seiler, Ulf Stolterfoht, Yoko Tawada und Jan Wagner.
Autorenporträt
Marion Poschmann ist als Romanautorin und als Lyrikerin mit zahlreichen Büchern hervorgetreten. Für ihr Werk wurde sie u.a. mit dem Peter-Huchel-Preis und dem Wilhelm-Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet.

Yoko Tawada hat wie wenige Autorinnen in allen literarischen Formen gearbeitet. Neben erzählender Prosa, hat sie Theaterstücke, Hörspiele, Essays und Lyrik veröffentlicht. Sie wird als Vermittlerin der gegenwärtigen wie auch der traditionellen japanischen Literatur in Deutschland geschätzt und wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Marie Schmidt zieht diesen von Marion Poschmann und Yoko Tawada herausgebenen Band mit ins Deutsche übertragenen japanischen Gedichten dem neuen Roman von Poschmann offenbar vor. Dichterinnen und Übersetzer wie Ilma Rakusa, Michael Krüger, Lutz Seiler oder Monika Rinck haben sich hier gemeinsam mit sprachkundigen Experten ans Werk gemacht, zeitgenössische japanische Lyrik zu übersetzen - und das trotz der Bedenken der japanischen KollegInnen. Die Problematik thematisieren Poschmann und Tawada selbst, das Ergebnis scheint Schmidt zu überzeugen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»(Die) Anthologie junger japanischer Dichtung bietet dem deutschen Lyrikpublikum zahlreiche faszinierende Entdeckungen. (...) Ein großartiges Unterfangen (...), inspirierend und höchst verdienstvoll.« (Irmela Hijiya-Kirschnereit, FAZ, 01.07.2023) »Wer wunderbare zeitgenössische japanische Lyrik kennenlernen und sich vielleicht auch noch mittels Vorwort und Nachwort in die Materie reinknien will, liegt mit dieser außergewöhnlich gut gemachten Anthologie mehr als richtig.« (Matthias Ehlers, WDR 5, 02.09.2023) »Hilfreich, faszinierend und unverzichtbar: Yoko Towadas umfangreiches Vorwort und die sehr persönliche Nachbemerkung Marion Poschmanns.« (Michael Augustin, Lesart Magazin, 3/2023) »ein willkommenes Unikat in der aktuellen Übersetzungslandschaft« (Christian Chappelow, literaturkritik.de, 10.10.2023)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2023

Getreu oder nicht getreu, auch das ist hier die Frage

Einblick in eine hierzulande noch unbekannte Facette der Gegenwartsliteratur und vielstimmiges Übersetzungskunststück zugleich: Marion Poschmanns und Yoko Tawadas Anthologie junger japanischer Dichtung bietet dem deutschen Lyrikpublikum zahlreiche faszinierende Entdeckungen.

Künstlerische Inspiration ist selten eine Einbahnstraße. Nicht erst durch die Theorien des Postkolonialismus wissen wir, dass die interkulturellen Ströme zwischen Europa oder "dem Westen" und den Kulturen jenseits dieses Horizonts vielgestaltig und vielleicht asynchron, aber durchaus gegenläufig sind. Wo Europa im späten neunzehnten Jahrhundert an den fernsten Enden seiner Welt, beispielsweise im "Extremen Orient" beziehungsweise dem "Fernen Osten" neue Impulse suchte und fand, in einer nicht ganz zu Unrecht als besonders verschlossen geltenden Fremde, waren die Fühler in umgekehrter Richtung schon längst ausgestreckt.

Ein schöneres nachträgliches Gastgeschenk kann man der aufnehmenden Kultur wohl nicht machen als das, was die Lyrikerin und Schriftstellerin Marion Poschmann anstieß, die auf Einladung des Goethe-Instituts im Jahre 2014 für drei Monate in der Villa Kamogawa in Kyoto lebte und arbeitete. Die große japanische Inspiration, aus der in den Folgejahren preisgekrönte Werke von Poschmann, etwa ihr in viele Sprachen übersetzter Roman "Kieferninseln", hervorgingen, münzte sie in den selbst gestellten Auftrag um, einen Weg in die hierzulande weitgehend unbekannte Landschaft der japanischen Gegenwartslyrik zu bahnen. Und sie fand in Yoko Tawada, einer in Berlin lebenden, auf Deutsch und Japanisch publizierenden und in beiden Kulturen wertgeschätzten Kollegin, eine tatkräftige Mitherausgeberin für die nun in der Schriftenreihe der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur erschienene Anthologie.

Übersetzen aus distanten Sprachen, das heißt solchen, die strukturell und kulturell sehr verschieden sind, eröffnet unweigerlich größere Spielräume. Das macht es aufregend und erhellend in vielerlei, auch theoretischer Hinsicht - wenngleich immer wieder die Binsenweisheit am Platze ist, dass jegliches Übersetzen letztlich vor denselben Problemen steht, nur im Detail etwas anders.

Was es zum Beispiel bedeutet, zwischen sehr unterschiedlichen grammatischen und semantischen Strukturen zu übersetzen, machen die gut vierzig Versionen von Shakespeares "Hamlet" deutlich, die seit der Meiji-Ära bis heute erschienen sind. Der berühmte Satz "To be, or not to be, that is the question" kann grammatikalisch recht analog ins Deutsche gebracht werden. So übersetzte ja schon August Wilhelm von Schlegel in der 1798 veröffentlichten Druckfassung: "Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage". Aber was, wenn es ein Verb wie das englische "to be" (beziehungsweise das deutsche "sein") in der Zielsprache gar nicht gibt? Die erste japanische Fassung von 1874 erregt heutzutage große Heiterkeit: "Arimasu, arimasen. Are wa nan desu ka." Ins Deutsche transponiert, lautet sie: "Es gibt, es gibt nicht. Was ist denn das?" Und da das Japanische auch heute noch ohne ein Verb "sein" auskommt, operieren japanische Übersetzungen vom zwanzigsten bis ins 21. Jahrhundert meist mit dem Gegensatz von "leben" und "sterben". Der zweite Teil des Zitats hingegen ist längst kein Problem mehr.

Yoko Tawada, die das Vorwort zur Anthologie verfasst hat, nähert sich dem Thema der Distanz zwischen dem Japanischen und dem Deutschen über die augenfällige Differenz der Schriftsysteme, auch im Unterschied zu anderen ostasiatischen Sprachen. Dass die Übersetzungen ins Deutsche auf andere Mittel zurückgreifen müssen und können als die tatsächlich faszinierenden Variationsmöglichkeiten, welche die japanische Schrift bietet, ist offensichtlich. Tawada selbst gesteht, dass sie nie auf die Idee gekommen wäre, japanische Lyrik ins Deutsche zu übersetzen, obgleich "einer der reizvollsten Bereiche der japanischen Kultur, aber nicht vermittelbar wie Anime oder Romane". Poschmann, deren Nachwort man entnehmen kann, dass sie die Übersetzungslage genau studiert hat, kam zu dem Schluss, die hierzulande so gut wie unbekannte junge Generation sollte im Mittelpunkt stehen.

Was zu der mutigen Entscheidung führte, sich auf die zwischen 1970 und 1990 geborenen Lyriktalente, die Mehrzahl davon Frauen, zu konzentrieren und die älteren, etablierten und immer noch aktiven Fixsterne der Szene links liegen zu lassen. Die 21 ausgewählten Verfasser dichten im freien Stil, mit fließenden Übergängen zum Prosagedicht. Das ist jene in der frühen Moderne durch Übersetzungen aus europäischen Sprachen erwachsene Form, die unter dem Sammelbegriff "shi" läuft. Nicht unstrittig ist allerdings, ob - wie es Tawadas Vorwort behauptet - "shi" die eigentliche Lyrik verkörpere. Es stimmt, dieses Genre wird in der Regel nicht mit den traditionellen Formen Haiku und Tanka zusammengedacht, die bei uns schon viel früher bekannt wurden. Aber auch sie entwickeln sich natürlich weiter und sind überaus lebendig.

Aufsehen erregt dieser Band nicht zuletzt dadurch, dass es den Herausgeberinnen gelungen ist, prominente deutschsprachige Lyrikerinnen und Lyriker als Übersetzer zu gewinnen. Was sich bei solchen Tandem-Übersetzungen in der Kombination von Philologen der Ausgangssprache mit Zielsprachen-Dichtern unter europäischen Sprachen schon bewährt hatte, sollte nun auch mit dem Japanischen erprobt werden. Und die Erwartung steigt entsprechend, wenn wir die Namen lesen: von Marcel Beyer bis Jan Wagner, von Ursula Krechel bis Ilma Rakusa oder von Daniela Danz und Monika Rinck bis Michael Krüger und Lutz Seiler, um nur eine Auswahl zu nennen. Das Konzept, die "Mehrstimmigkeit der japanischen Gegenwartslyrik durch die Mehrstimmigkeit der deutschsprachigen Gegenwartslyrik hörbar zu machen", kann also bedeuten, dass alte Hasen junge Hüpfer übersetzen.

Ob sie den Ton getroffen haben? Die Gedichte handeln von verwundeter Psyche und verletzlicher Körperlichkeit, von Natur und Landschaft im weitesten Sinne, mythischen und märchenhaften Orten, von kosmischen Räumen und Territorien der Gewalt und des Todes, von "Engelspisse" und "Jenseits von Zigarettenasche". Denkbar vielfältig sind die Sprechweisen, vom sinnbefreiten Dada, allenfalls an Transkription von Vogelstimmen oder Sutrenfetzen erinnernd, bis zur euphorischen Feier von Hawaii als Elysium oder auch dystopisch-düsteren Weltentwürfen. Vieles bleibt, trotz realitätsnaher Details, verrätselt und vieldeutig, doch das gehört, wie wir wissen, zum Wesen von Lyrik. Es kommt aber auch vor, dass die Übersetzung zusätzlich verrätselt und sich dabei weit vom Ausgangstext entfernt.

"Nichts leichter, als eine Übersetzung zu kritisieren", schreibt Tawada und baut mit dem Hinweis auf die Erfahrung, dass sich Übersetzungsfehler als "treffendste Übersetzung überhaupt" entpuppen können, der Kritik vor. Dennoch setzen die Texte in ihrer sprachlichen Gestalt der Beliebigkeit Grenzen, die stellenweise überschritten werden. Gern hätte man beim Lesen mehr Anhaltspunkte, etwa Beispiele für die Metamorphosen zwischen Rohübersetzung und Nachdichtung, um dann immer noch zu rätseln, was an einem Gedicht O-Ton-Genius oder eher die Stimme von Ulf Stolterfoht oder Ann Cotten ist. Doch es sind ja ganz neue lyrische Kreationen, die hier präsentiert werden und nicht mehr aufgedröselt werden können. Ein großartiges Unterfangen ist diese Anthologie allemal, inspirierend und höchst verdienstvoll. Auch wenn das Konzept nicht konsequent durchgehalten werden konnte und wir uns allzu oft in den Worten des übrigens falsch verrätselten Gedichttitels "Meretrix lusoria Roomba" fragen mögen: "Was ist denn das hier?" Hamlet lässt grüßen. IRMELA HIJIYA-KIRSCHNEREIT

"Eine raffinierte Grenze aus Licht". Japanische Dichtung der Gegenwart.

Hrsg. von Marion Poschmann und Yoko Tawada. Wallstein Verlag, Göttingen 2023. 208 S., geb., 22,- Euro.

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