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Neue Gedichte von einer der originellsten Stimmen der zeitgenössischen Lyrik: Ob Lavinia Greenlaw über griechische Mythen, das Ende einer Ehe oder Albert Einsteins Realität ohne Fixpunkt schreibt, stets interessiert sie das Vorläufige. Sie beschreibt den Moment, in dem die Wahrnehmung sich bildet und Landschaften - reale und imaginierte - entstehen. Ihr neuer Band glänzt durch sprachliche Präzision und Experimentierlust. Greenlaws Gedichte sind geprägt von der für sie typischen Verbindung von wissenschaftlichem und poetischem Denken. Und sie verbergen die menschliche Verzweiflung mit solcher Ironie, dass "ein Fremder uns für selig halten könnte".…mehr

Produktbeschreibung
Neue Gedichte von einer der originellsten Stimmen der zeitgenössischen Lyrik: Ob Lavinia Greenlaw über griechische Mythen, das Ende einer Ehe oder Albert Einsteins Realität ohne Fixpunkt schreibt, stets interessiert sie das Vorläufige. Sie beschreibt den Moment, in dem die Wahrnehmung sich bildet und Landschaften - reale und imaginierte - entstehen. Ihr neuer Band glänzt durch sprachliche Präzision und Experimentierlust. Greenlaws Gedichte sind geprägt von der für sie typischen Verbindung von wissenschaftlichem und poetischem Denken. Und sie verbergen die menschliche Verzweiflung mit solcher Ironie, dass "ein Fremder uns für selig halten könnte".
Autorenporträt
Greenlaw, LaviniaLavinia Greenlaw, 1962 in London geboren, unterrichtet als Professorin für Kreatives Schreiben an der Royal Holloway Universität in London. Mit ihren Gedichten stand sie u.a. auf der Shortlist des T.S. Eliot Prize und des Whitbread Book Award. Bei Hanser erschien 2018 ihr Gedichtband Eine Theorie unendlicher Nähe (Edition Lyrik Kabinett, zweisprachige Ausgabe).

Meier, WiebkeWiebke Meier, geb. 1950, studierte Germanistik, Geschichte, Geographie in Bochum, München und Hamburg. Übersetzte u.a. Texte von Ian Buruma, Robert Darnton, Philippe Descola, Robert Pippin, George Steiner und Helen Vendler. Lyrik- und Prosaübersetzungen von Jonathan Galassi, Charles Simic und Mark Strand. Für ihre Übersetzung des Gedichtbands Picknick in der Nacht von Charles Simic erhielt sie den Paul Scheerbart-Preis 2017.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2018

Auf den
Nerven reisen
Die Augen tun, was sie wollen: Lavinia Greenlaws
neuer Gedichtband „Eine Theorie unendlicher Nähe“
VON NICO BLEUTGE
Hermes, der Gott der Reisenden und Händler, ist auch der Gott der Diebe, ein Trickster, wie man ihn sich raffinierter kaum vorstellen könnte. Er führt die Seelen der Verstorbenen in den Hades und überbringt den Menschen die Nachrichten der Götter. Ihn als „Götterboten“ zu bezeichnen, ist nicht falsch, trifft aber nicht sein schillerndes Dasein. Vielleicht wäre „Botengott“, „Messenger God“, ein passenderer Name. Lavinia Greenlaw stellt diese Idee in den Raum eines Gedichts, indem sie das hybride Wesen des Gottes in einer Liste paradoxer Fragen einzufangen versucht. „Welcher Eindruck? / Ernst, spaltbar“, heißt es da. „Seine Botschaft? / Seine Gegenwart. Keine andere Botschaft.“
Dass das Gedicht immer auf Präsenz aus ist und zugleich trickreich mit sehr unterschiedlichen Sprachspeichern spielt, gehört zu den wichtigsten poetologischen Vorstellungen der englischen Dichterin. In einem Gedicht ihres Bandes „Night Photograph“ (1993) hat sie gezeigt, wie sich auf einer nächtlichen Fahrt über den Ärmelkanal ästhetische und wissenschaftliche Sichtweise ganz und gar durchdringen können. Die wissenschaftliche Sprache untergräbt die euphorische Wahrnehmung nicht etwa, sondern befeuert sie recht eigentlich, so dass der Leser die nautisch genau austarierte Fahrt auch als epiphanischen Moment oder als imaginierte Fahrt über den Acheron erleben kann. In ihrem Band „Minsk“ (2003) wiederum hat sie die Ordnung des Alphabets genutzt, um vermeintlich nüchterne Begriffe poetisch umzuschreiben, zu „E“ wie „Erde“ notiert sie zum Beispiel: „Berührung des Wurmes / unter der Haut“.
Auch in ihrem jüngsten Gedichtband „The Casual Perfect“ (2011), der jetzt bei uns unter dem Titel „Eine Theorie unendlicher Nähe“ erschienen ist, spielt die Technik der lyrischen Begriffsumkreisung eine große Rolle. Lavinia Greenlaw wurde 1962 in London geboren, aufgewachsen aber ist sie in einem Dorf der Grafschaft Essex, „wo das Auge Meer von Fluss / Hügel von Tal nicht unterscheiden kann“. So umspielt sie das „flüchtige Vollkommene“ oder schreibt Gedichte zu den Begriffen „Dunst“, Blues“ und „Otolith“.
In anderen Gedichten nutzt sie Listen und Bestimmungen, um Erinnerungen an die eigene Kindheit und Jugend sprachlich aufzufalten. Dabei deutet sie an, dass es ihr eher darum geht, die Zeit zu dehnen und mit Ähnlichkeiten zu arbeiten, als sich an bestimmten Stoffen festzubeißen: „Nicht das Thema interessiert mich, / sondern die Variation.“
Eine Ordnung zu finden, ohne sie bewusst finden zu wollen, wie nebenbei, dort unterwegs zu sein, „wo Ungewissheit herrscht“ – vielleicht ließe sich Greenlaws Poetik so umschreiben. Fast immer bringt sie Momente aus unterschiedlichen Bereichen zusammen, und die Lücken zwischen diesen Assoziationen sind ebenso wichtig wie die Momente selbst. Nicht von ungefähr beginnt der Zyklus „Langsame Reise, tiefe Aussicht“ mit der Aufforderung (die zugleich ein Wunsch ist): „Gib deine Gestalt auf, / werde unbestimmt“. Von Gedicht zu Gedicht imaginiert sich die Sprecherin stärker in eine Atmosphäre abnehmender Bewegung hinein, will nur „flach schlafen / und neue Tiefen träumen // von Leere und Ordnung“. Und während die Gedanken sich selbst aufgeben, scheint sie aufzugehen in der Wahrnehmung der Landschaft, der Luft, der Wolken: „Du vergisst, was es heißt, / auszufeilen oder umzuformen. // Du atmest / Weißes gegen weißen Himmel.“
Wie sehr die Erfahrung von Präsenz, sie mag nun Euphorie heißen oder Schönheit, immer mit ihrem Gegenteil verknüpft ist, zeigt Greenlaw in einem Gedicht, das den Mythos von Aktäon variiert. Die Geschichte vom Halbgott, der in einen Hirsch verwandelt und von seinen eigenen Hunden zerfleischt wird, weil er die Göttin Diana beim Baden überrascht – bei Greenlaw ist sie eine Art Gleichnis für die Sogkraft des Gegenwärtigen: „Aufbrechen einer Lichtung. / Wassertropfen und Federn, ihre Präsenz, / wie sie sich verdichtet und rundet. / Er sagt sich, nicht hinschaun, / doch seine Augen tun, was sie wollen, / und sie, in deren Zentrum ein dunkler Stern, / zieht sich zusammen und entlädt / Welle auf Welle auf Flamme auf Fontäne.“ Aktäon ist tatsächlich nicht mehr Herr seiner Sinne, die Wahrnehmung verselbständigt sich, angezogen von der Gestalt der schönen Göttin. Doch der Schmerz folgt auch hier unausweichlich: „Und er ist alle viere. / Und sein Geschrei. / Und seine Hunde.“
In solchen Versen ist Lavinia Greenlaw bei ihren Möglichkeiten. Nicht ganz so intensiv sind jene Gedichte, in denen sie eine Trennungserfahrung sprachlich zu fassen versucht. Dort driften die Verse mitunter ins allzu Vertraute ab („Oft ist es fünf Uhr. / Ihr Mann hat sich verpflichtet, nicht / von ihr zu sprechen, und sie hat vergessen, / wohin sie gehen kann. Wohin gehen alle?“). Oder die Räume zwischen den Assoziationen sind umgekehrt so groß, dass keine Offenheit entsteht, sondern eine bloß negativ bestimmte Leere.
Greenlaws Poetik der Assoziationen und Lücken in eine andere Sprache zu bringen, fordert der Übersetzung einiges ab. Vor allem die Satzführung und der sehr eigene Rhythmus sind nicht leicht zu übertragen. Wiebke Meier trifft immer wieder gut die Tönung der Gedichte und folgt genau den Verschiebungen der Gedanken und Wahrnehmungen. Zum Beispiel wenn sie das Sichtbare nachzeichnet: „Unter diesem behutsamen Licht / ist es nur die Erde, auf der wir gehen“.
Manchmal bleibt Meier aber zu nah am englischen Satzbau, was zu etwas uneleganten deutschen Sätzen führen kann. Etwa, wenn aus „Two lovers at dusk tipping the fence“ die Formulierung „Zwei Liebende in der Dämmerung den Zaun umkippend“ wird. Manchmal dreht sie auch ein wenig zu stark an den Reglern der Bedeutung: Ist die „fissured air“ in einem Meeresgedicht nicht eher eine rissige als eine „gespaltene Luft“? Oder meint die Formulierung „And his blood is shaken down“, die sich auf den Hirsch des Aktäon-Gedichts bezieht, wirklich „Und sein Blut wird abgeschüttelt“?
Mit dem Trickster Hermes die Gegenwart zu entfalten, gelingt Lavinia Greenlaw am schönsten im Kapitel „Winterfund“. Hier ist die Sprecherin in Schneelandschaften unterwegs, an Flussläufen oder Küsten, in einer „milchigen Geographie aus Salz und Kalk“. Mal ist sie „Linie“, mal nur noch ein „Murmeln“, bis der „massive Kollaps / der Distanz“ wieder für Abstand sorgt. Aufgehen in der Wahrnehmung wird zu Aufgehen in der Sprache, ihrer Möglichkeitsform, für die Greenlaw sehr atmosphärische Bilder findet: „ein strömendes Feld“ etwa oder „schockierend und unsichtbar verbunden, / als reisten wir auf unseren Nerven“. So, wie das Ich sich in geometrische Formen oder Klänge auflöst, kann die Sonne in diesen Gedichten rollen und die kleinen Dinge leben auf und fliegen.
Lavinia Greenlaw zeichnet dem weißen Himmel weiße Stellen ein. Dann wieder schieben sich kleine Dissonanzen und Risse in den Vordergrund. Es sind Gedichte, die an die meditative Ruhe der Verse Robert Creeleys erinnern. Oder an die Musik von John Cage. Beim Lesen mag es einem wie der Sprecherin beim Durchwandern von Bildern ergehen. Man blickt mit ihr durch ein Teleskop über dunkle Felder, taucht ein in die Gemälde – und erfährt für Momente reine Präsenz: „als wäre der Körper, nun rahmenlos, Raum, / der sich in Raum entfaltet, Feld an Feld“.
Die Sonne kann in diesen
Gedichten rollen, die kleinen
Dinge leben auf und fliegen
Lavinia Greenlaw: Eine
Theorie unendlicher Nähe. Gedichte. Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Englischen von Wiebke Meier. Edition Lyrik-Kabinett. Carl Hanser Verlag, München 2018. 104 Seiten, 18 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.01.2019

Wir haben keine Sicht, aber immerhin eine Leiter
Bewegung als Begegnung: Lavinia Greenlaws Gedichte bringen Welt, Sprache und Körper in engste Verbindung

Mit Höchstgeschwindigkeitslyrik setzt der Band ein. So rasant, dass sogar die Perspektivfigur für einen Moment nicht weiß, wie ihr geschieht: "Eine Handbremsenkehre in einer Haarnadelkurve. / Ein Karussell? Nein, der Walzer." Weil es so schnell geht und so schön ist, noch einmal im Original: "A handbrake turn on a hair-pin bend. / Marry-go-round? No, the waltzer." Im Höllentempo in die Kurve, Handbremse ziehen, gegenlenken, gleiten lassen, bis das Heck hinter einem durchschwingt, beschleunigen. Wenn Autos tanzen, geht die Bewegung in Begegnung über: Kein Wunder, dass dieser "Essex Kiss" versetzt mit einem "Hauch so frech wie Rum und Pfefferminz. Kaugummi und Pickel, ein Anflug von Diesel, Krokus und Kuckucksspucke" bereits im nächsten Vers ins Bett führt: "ich will dich auf ein Bett / aus Nesseln und Schwarzdorn legen. Dein Körper wird sich winden / wie Rauch über einem Feld / wenn ihn der Wind packt und wirbelt." Was für ein Dreiklang: Fahrmanöver, Sexphantasie, Windbewegung vereint im Wirbel.

Die Kehrseite des 2011 in London erschienenen, jetzt ins Deutsche übertragen Bandes bildet die unendliche Langsamkeit des Seins: "Slow" kündet schon ein Gedichttitel des ersten Zyklus an. Bevor die abschließenden zwölf Gedichte nach dem Gleiten auf der Oberfläche in eine "Langsame Reise. Mit tiefen Einblicken" übergehen. Von der Bewegung als Begegnung heißt es jetzt: "Weil wir kein Paar sind, ziehen wir Kreise um unser Haus". Man trifft sich nicht mehr, aber umrundet noch beharrlich wie Planeten dasselbe Lebenszentrum.

Sexuelle Attraktion, dauerhafte Beziehung, berührungsloses Nebeneinander der Partner, Einschleichen von Trennungsträumen bis hin zur Trennung, das sind die Stationen der Liebe, die Greenlaws Gedichtband nacheinander einspielt. Man kann diesen Band als systematische Sichtung der Liebe und ihrer Beziehungsmodalitäten lesen. Er lässt sich zugleich als Übergang auffassen, aus der Hochrisikoenge der Haarnadelkurve in eine weite Ebene gemächlichen Fließens, bis hin zum Kontinuum der Einsamkeit.

"Theorie unendlicher Nähe", im Original 2011 noch als "The Casual Perfect" das flüchtig Vollkommene hervorhebend, ist einer jener Bände, in denen eine Künstlerin nach jahrelanger, literarischer Hochproduktion bewusst die Stränge zusammenführt und ausstellt, die ihr Arbeiten bislang ausgezeichnet haben.

Die in London lebende, in Essex aufgewachsene Lavinia Greenlaw hat sich in den neunziger Jahren einen Namen als Lyrikerin gemacht, bevor sie zum Millennium mit ihrem ersten, auch ins Deutsche übersetzten Roman "Die Vision der Mary George" für Furore sorgte. Seither ist sie mit Essays wie dem autobiographisch angelegten "The Importance of Music to Girls", dem Island-Reisejournal "Questions of Travel: William Morris", diversen Herausgeberschaften und als Schöpferin der im öffentlichen Raum installierten Soundcollage "Audio Obscura" zu einer der vielseitigsten Autorinnen der englischen Literatur avanciert.

Was charakterisiert Lavinia Greenlaws Lyrik? Zuerst ein spezifischer Begriff von Schönheit. Schön ist, wenn Welt, Sprache und Körper sich in einer gemeinsamen Bewegung vereinen oder vielleicht auch nur zufällig überlagern. Dann entstehen aus Greenlaws Sicht poetische Momente von höchster Intensität. Greenlaw entfaltet in ihrer Lyrik keine Theorien. Aber einzelne Elemente ihrer theoretischen Basis ragen doch aus der Textoberfläche hervor. Da ihre Gedichte von einer "unarticulated world" oder vom "hidden continuum" sprechen, legen sie den Schluss nahe, dass die wahre Welt für Logik unerreichbar im Unbegreiflichen verborgen liegt. Daher findet man sich bei Greenlaw immer wieder eingeschlossen im Nebel oder im Dunst oder verliert die Orientierung: Man hat, wie es einmal pointiert heißt, "keine Sicht, aber eine Leiter".

Dieses merkwürdige Oppositionspaar entlehnt Greenlaw aus Wittgensteins "Tractus logicus". Auch dort heißt es, man müsse durch die Sätze einer Sprache wie auf einer Leiter hinaufsteigen, bevor man die Leiter schließlich wegwerfen solle, weil man mit der Sprache über die Sprache hinausgestiegen sei. Greenlaw beschreibt die Leiter als "so weit zurückgeneigt / dass wir gezwungen sind, über uns zu klettern". Die Poesie ist dafür da, über die eigenen Grenzen hinauszureichen, ohne sie überschreiten zu können. Man kann die "unarticulated world" nie begreifen, sondern nur erhaschen, erahnen, sie flüchtig berühren, sich behutsam an sie anschmiegen. Sie blitzt auf, wirft einen geheimnisvollen Schimmer, verströmt einen zephirzarten Hauch, macht sich als minimale Bewegung, als "rush through an empty air" bemerkbar.

Die andere Welt offenbart sich aber auch in den eleganten Bewegungen tanzender Mädchen oder in einem kaum zu bemerkenden Lapsus, in dem die Normalität aus den Fugen gerät. Wenn bei einer Frau der Träger eines Kleides von der Schulter rutscht und die "lapsed muslins" eine ergreifende Schönheit offenbaren. Oder wenn am äußersten Punkt eines Spiegelkabinetts, "am Punkt des Austauschs" zwischen Spiegelbild und Realität, das Unausgesprochene als "unbekannt klar" erscheint.

Poesie ist das Medium dieser klaren Unbestimmtheit. In ihrer fein nuancierten Sprachbewegung, die auch die Übersetzerin Wiebke Meier vor schier unlösbare Probleme stellt und einem die zweisprachige Ausgabe als umso kostbarer erscheinen lässt, spürt Greenlaw diesen Erscheinungen nach, ohne ihr Geheimnis lüften zu wollen. Ihre Verse umsorgen vielmehr die Geheimnisse behutsam. Wenn anderen Poeten ein Schlüssel in die Hände fällt, dann probieren sie ihn aus Neugierde sofort aus. Greenlaw steckt den Schlüssel ein, geht aus dem Haus und hat doch gezeigt, was sich zeigen lässt: "Als ich das Haus verließ, nahm ich einen Schlüssel mit zu einer Tür, die ich nie öffnete." Denn aus dem Unbestimmten entfalten sich ihre einzelnen Gedichte: "Ein Sturm so groß, ich stand auf in der Nacht" oder "Ein Tanz zwischen Bewegung und Raum / zwischen Bild und Imperativ" lassen ihre poetischen Welten aus der Kleinigkeit eines unbestimmten Artikels entstehen.

CHRISTIAN METZ

Lavinia Greenlaw: "Eine Theorie unendlicher Nähe". Gedichte.

Aus dem Englischen von Wiebke Meier. Zweisprachige Ausgabe. Edition Lyrik Kabinett bei Hanser, München 2018. 106 S., geb., 18,- [Euro].

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"So, wie das Ich sich in geometrische Formen oder Klänge auflöst, kann die Sonne in diesen Gedichten rollen und die kleinen Dinge leben auf und fliegen." Nico Bleutge, Süddeutsche Zeitung, 9.10.18

"Lavinia Greenlaws Gedichte bringen Welt, Sprache und Körper in engste Verbindung." Christian Metz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.01.19