Überraschende Wendung des Unausweichlichen
Die Erwartung einer skurril-nachdenklichen Fabel enttäuscht der portugiesischen Literaturnobelpreisträger auch in seinem aktuellen Roman nicht. Es geht um den – oder vielleicht dem Versuch, gendergerecht mit dem Unausweichlichen, Unbeeinflussbaren und
Unerforschbaren umzugehen, geschuldet – die tod, zur Abgrenzung gegenüber des tatsächlichen Todes…mehrÜberraschende Wendung des Unausweichlichen
Die Erwartung einer skurril-nachdenklichen Fabel enttäuscht der portugiesischen Literaturnobelpreisträger auch in seinem aktuellen Roman nicht. Es geht um den – oder vielleicht dem Versuch, gendergerecht mit dem Unausweichlichen, Unbeeinflussbaren und Unerforschbaren umzugehen, geschuldet – die tod, zur Abgrenzung gegenüber des tatsächlichen Todes kleingeschrieben.
Der Meister der metaphorischen Satire und des ironisch-realkritischen Polit-Romans gelingt es immer wieder – eben auch in „Eine Zeit ohne Tod“ – normale, auch unbedachte Gegebenheiten auf den Kopf zu stellen und damit aber Gedankenwellen auszulösen, die an den Festen des Sicheren, des Geglaubten oder Tatsächlichen rütteln. Kirche und Staat sind zutiefst verunsichert.
Wieder spielt sich die Geschichte in einem fiktiven und Portugal doch nicht so ganz unähnlichen Land ab. Trotzdem könnte es auch überall sein.
Das Göttliche ausklammernd personifiziert der Autor das Sterben, lässt es in weiblicher, Laken verhüllter Skelettgestalt und eigenschaftlich (kleingeschrieben) wirken. Ab Neujahr stirbt niemand mehr. Kurz erfreut merkt die menschliche Gemeinschaft sehr schnell, wie sich dadurch die Probleme nicht lösen, sondern ganz neue, entmenschlichte Eigenschaften im Volk breit machen. Geschäfte mit den Nicht-sterben-Wollenden zeigen auf, wie skrupellos und korrumpiert Menschen schon nach kürzester Zeit werden. Die mit den Untoten Geschäfte machen, gehen über Leichen …
Als nach einem Dreivierteljahr die tod beschließt, allem Überleben ein Ende zu setzen, kommt es zu einer für Viele verzweifelnden Wendung. Demnächst Sterbende werden postalisch vorgewarnt und informiert, so dass deren geregelter Abgang möglich ist. Nur ein Cellist widersetzt sich unwissentlich der Vorhersehung.
Das irdische aber auch das unterirdische Dasein gerät ins Wanken, wenngleich der Autor selbst die göttliche Ordnung bezogen auf den Einfluss auf das Leben und Sterben unerwähnt lässt. Doch die sich zwischen tod und dem Musiker keimende Liebesbeziehung verwandelt die das Geschehen in ein merkwürdig wehmütiges Märchen.
Saramago`s Geschichte ist wieder ein Text melancholischer Erschütterung und Nachdenklichkeit, ein sozialkritischer Impuls für das Zusammenleben der Menschen.
© 10/2007, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journalist, Fürth/Bay.