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Chuck ist in Diane verliebt, aber auch in Quincy und Lenore. Die Liebe ist das größte Problem in Chucks Leben. Zum Glück hat der Musikjournalist einen Auftrag der allerdings scheint noch absurder als sein momentanes Lebensgefühl zu sein. Quer durch die USA fährt er nach Missoula, Ithaca und Rhode Island, an die Orte, an denen Rock-Heroen den Tod fanden. Vom Sumpf, in dem Lynyrd Skynyrds Flugzeug abstürzte bis zum Bungalow, wo sich Kurt Cobain mit einer Schrotflinte das Leben wegschoss. Rockstars sterben exzentrisch und werden so unsterblich. Ein witzig makabrer Roadmovie durch das Herz der…mehr

Produktbeschreibung
Chuck ist in Diane verliebt, aber auch in Quincy und Lenore. Die Liebe ist das größte Problem in Chucks Leben. Zum Glück hat der Musikjournalist einen Auftrag der allerdings scheint noch absurder als sein momentanes Lebensgefühl zu sein. Quer durch die USA fährt er nach Missoula, Ithaca und Rhode Island, an die Orte, an denen Rock-Heroen den Tod fanden. Vom Sumpf, in dem Lynyrd Skynyrds Flugzeug abstürzte bis zum Bungalow, wo sich Kurt Cobain mit einer Schrotflinte das Leben wegschoss. Rockstars sterben exzentrisch und werden so unsterblich. Ein witzig makabrer Roadmovie durch das Herz der Musik, die an den Sehnsüchten unserer Seele kratzt. Schließlich kehrt Chuck in die Welt der Lebenden zurück. Was er vom Tod halten soll, weiß er immer noch nicht nur dass er verliebt ist wie zu Beginn seiner Reise in Diane, Quincy und Lenore.
"Man kann gar nicht besser, witziger und unterhaltsamer über amerikanische Popkultur schreiben." (Stephen King)
Autorenporträt
Chuck Klosterman ist Musikjournalist und Kultbuchautor. Er schreibt für das New York Times Magazine, Washington Post und die Musikzeitschrift Spin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Der Tod ist irgendwie geil, oder?
Unterwegs mit einem morbiden Popjournalisten: Chuck Klostermans „Eine zu 85 % wahre Geschichte” / Von Georg Klein
Älter werdend fragt man sich plötzlich, was sich die jüngeren Menschen eigentlich so denken – über das Leben, die Liebe oder gar über den Tod. Und prompt hat man das Buch hierzu auf dem Tisch: Chuck Klosterman wurde von der New Yorker Popzeitschrift Spin Magazine mit einem Leihwagen ausgestattet, um gut zwei Wochen auf einem Zickzackkurs von der Ostküste an die Westküste der USA zu fahren. Der junge Musikjournalist wollte und sollte möglichst viele Orte besuchen, an denen ein berühmter Pop-Musiker eines frühen Todes gestorben ist.
Ist das ein guter Einfall? Oder nur eine arg naheliegende Schnapsidee? Klosterman sagt über sein „Todes-Projekt”: „Sterben ist das Interessanteste, was alle Menschen tun, ohne Ausnahme. Das gilt besonders für Berühmtheiten.” Dann prahlt er noch mächtig damit, dass er 600 seiner 2233 CDs auf den Rücksitz seines Miet-Fords packt und auch reichlich Marihuana mitnimmt. Aber steigen wir ruhig mit ein, auch ein kiffender junger Angeber kann gute Gedanken haben. Und vielleicht hilft er einem Älteren sogar, die eine oder andere Frage nach dem Tod oder dem Leben ein wenig schärfer zu fassen.
Erste Frage: Wem gehört eigentlich der Tod?
Kaum der Kindheit entkommen, sind unsere Jungen besessen von Tod, und sie machen in der Regel keinen Hehl daraus. „Ich möchte nicht sterben, aber die Vorstellung tot zu sein, finde ich toll.” Dieses Geständnis schenkt Chuck Klosterman seinen Lesern, nachdem er erzählt hat, wie er hinter einem Hotel zum Joggen aufgebrochen ist. Rennend malt er sich aus, er würde einen Herzinfarkt erleiden, das Spin Magazine widmete ihm eine ganze Ausgabe der Zeitschrift und gleich zwei der Musikredakteure schrieben sich einen bewegenden Nachruf von der Seele.
Der untote Tote kann wie ein
Fernseh-Junkie von dem Film
seines Lebens nicht lassen
Diese Phantasie hat ohne Zweifel universellen Charakter. Rund um den Globus stellen sich von Weltschmerz geplagte Burschen und melancholische Mädchen gerne vor, sie sähen ihren Hinterbliebenen beim Trauern zu. Der untote Tote, der dies vermag, macht eine kuriose Figur. Er ist zwar sämtlichen Pflichten des Lebendigseins entkommen und hat alle Chancen der Existenz in den Wind geschlagen. Aber lassen kann er von seiner einstigen Umwelt durchaus nicht. Wie ein jenseitiger Fernseh-Junkie bleibt er süchtig nach dem Film seines Nachlebens, nach den reuevollen Tränen der Freundin, nach dem schlechten Gewissen der Älteren, nach dem ehrfürchtigen Gedenken seiner Kumpane.
Solch einen Hang sehen wir Älteren mit Unbehagen, vor allem wenn wir die Eltern der morbiden Maid oder des todeslüsternen Jünglings sind. Man mag sich nicht mit den garstigen Todesvideos abfinden, die auf den PCs und den Handys der jugendlichen Cliquen kursieren. Mit säuerlicher Überwindung hat man die halb skelettierten Leichen auf ihren Postern und T-Shirts akzeptiert, weil man sich leider noch an das Cover manch eigener Lieblingsplatte erinnern kann. Aber insgeheim wünscht man sich doch, man könnte den Heranwachsenden dieses ganze Todesding wie ein pädagogisch minderwertiges Spielzeug wegnehmen.
Chuck Klosterman nutzt seine Reise von Todesort zu Todesort auch dazu, um bei seinen alten Eltern in North Dakota vorbeizuschauen. Er bemüht sich, pünktlich zum Essen einzutreffen, damit seine Mutter nicht denkt, er habe einen Unfall gehabt. Die Jungen ahnen es: Allein ihnen gehört das lustvolle Spiel mit dem Tod. Uns, den Älteren, aber sitzt er wie eine schmerzlose, wie eine still anwachsende Geschwulst im Nacken. Wir vergnügen uns nicht mehr mit den Bildern vom Tod. Und in der Konkurrenz um die stärksten schwarzen Gefühle bleibt uns bestenfalls die Angst vor einem zu frühen Sterben unserer kostbaren Kinder.
Zweite Frage: Was hat die Musik mit dem Tod zu tun?
Chuck Klosterman redet wahnsinnig gern über Songs und die Alben, auf denen sie zu finden sind. In seinem Buch tut er dies nicht nur, indem er den Leser direkt anspricht. Nein, er liebt es fast noch mehr, szenisch zu rekonstruieren, was er irgendwann zu irgendjemand über eine Band oder ein Lied gesagt hat. Dieser Tick ist mehr als nur die Berufskrankheit des Popjournalisten. Das Reden über Popsongs bedeutet für Klosterman schlicht die einzige Form, mit der Vergangenheit in ein bekömmliches Verhältnis zu gelangen. Dies gilt auch für die Ereignisse von allgemeiner Tragweite wie den 11. September 2001.
Alles, was mit dem Terrrorangriff auf das World Trade Center zusammenhängt und sich sinnvoll darüber sagen lässt, ist für Klosterman im Album „Kid A” der britischen Popgruppe Radio Head enthalten. Sobald er die Songs der CD durch sein Räsonnement mit den Ereignissen in Verbindung bringt, verliert seine zeitgenössische Rede die beliebige Banalität, von der sie stets bedroht ist. Wenn Klosterman flapsig anmerkt, „dass ,Kid A‘ der offizielle Soundtrack des 11. September 2001 ist”, meint er etwas Todernstes, das über den Schrecken des Anschlags hinausgeht. Nur der Popsong lässt ihn ertragen, dass es die selbst erlebte Vergangenheit überhaupt gibt. Die quälende „nostalgische Sehnsucht nach der unmittelbaren Vergangenheit” ist im Song für drei, vier oder fünf Minuten auf eine magische Art akzeptabel geworden. Solange genießt die Wehmut sich selbst.
Aber nicht länger. Denn mit dem Ende des Liedes beginnt sogleich die verzweifelte Suche nach dem Anheben eines neuen. Und bis man den rettenden Song auf den UKW-Tasten des Autoradios oder in der CD-Halde auf dem Rücksitz gefunden hat, hält man sich mit Pop-Diskurs über Wasser. So gleicht der manisch quasselnde Chuck Klosterman einem Schwimmer, der den redenden Kopf krampfhaft in die Gegenwart reckt, während ihm sein Vergangenes, das bislang Erlebte, als ein unkontrollierbares Gewässer gefährlich ums Kinn schwappt. Das ist an den besten Stellen traurig und komisch zugleich.
Dritte Frage: Was hat Liebe mit Tod zu tun?
Ungefähr genauso viel und offensichtlich genau so gern wie über Popsongs schreibt Chuck Klosterman über seine Liebschaften. Diese Affären haben Namen, zumindest Vornamen, und sie liegen alle im Argen. Entweder sind sie schon unter Schmerzen zerbrochen, oder sie gehen just während der Rundreise kaputt, zumindest kränkeln sie, von einem schlimmen Ausgang bedroht, vor sich hin. Man stirbt heutzutage nicht mehr an gebrochenem Herzen. Aber es ist immer noch eine schöne Gewohnheit, sich den Verlauf einer Beziehung als eine Art Lebensbahn vorzustellen. Im Verlieben wird man zu seinem wahren Wesen geboren, der finale Niedergang der Gefühle ist einem Sterben analog. Das ist das romantische Modell.
Chuck Klostermans Denken und Fühlen kommt aus diesem Sterben gar nicht heraus. „Wir sterben immer und die ganze Zeit”, meint er mit schwermütigem Pathos, als er von seiner ersten College-Beziehung erzählt hat, und dann vergleicht er das Ende einiger ausgewählter Liebschaften mit dem Tod durch Schlaganfall, mit dem qualvollen Dahinsiechen an Knochenkrebs, mit einem Flugzeugabsturz und einem Schuss in den Hinterkopf. Das liest sich larmoyant, an den schwächsten Stellen wirkt es sogar kokett. Aber verlogen ist es nicht. Irgendwann in der Urzeit der bürgerlichen Gefühlskultur hat sich die nigelnagelneue romantische Liebe beim Tod des Leibes mit Metaphern eingedeckt. Jetzt, wo das allgemeine Liebesgehabe in albernen Fernsehserien seine greisenhaften Runden dreht, verlangt der sterbliche Körper eine Gegenleistung. Nun soll das lange romantisch verklärte fleischliche Begehren gefälligst so tun, als wäre es nur eine weitere Krankheit zum Tode und zugleich die schönste Blüte einer allgemeinen Liebe zum Leben. Liebt Chuck Klosterman das Leben? „Ich bin für das Leben hier nicht qualifiziert”, lautet der erste Satz seines Reiseberichts, und diese lakonische Wahrheit glaubt man ihm bis an das Ende seines Buchs.
Letzte Frage: Können wir den Tod verfehlen?
An den Orten, die Klosterman aufsucht, erlebt er so gut wie nichts. Verloren steht er am Rand des Wäldchens, in dessen Wipfel das Flugzeug von Lynyrd Skynrd gestürzt ist. Die Kreuzung, auf der Duane Allman von den Allman Brothers mit dem Motorrad in den Tod raste, spricht genau so wenig zu ihm wie das Gelände von Graceland, wo in einer der Toiletten das Herz von Elvis Presley versagte. Wie albern, etwas anderes erwartet zu haben! Der Boden der zivilisierten Welt ist getränkt mit den letzten Seufzern der Sterbenden. Wo Tausende zu leben suchen, finden auch Tausende den Tod. Warum sollte ausgerechnet das Todesröcheln irgendeines drogenkranken Musikanten eine hörbare Spur auf dieser heillos von Kratzern übersäten Schallplatte hinterlassen haben?
Kurt Cobain, der Kopf der
Grunge-Band Nirvana, ist noch
immer eine ergiebige Leiche
Aber Chuck Klosterman hat einen letzten Trumpf im Ärmel. Die abschließende Station seiner Reise ist Seattle. Und der Ruhm des Pop-Toten, dem er dort nachspürt, ist weiterhin so frisch, dass er den Frühverstorbenen zunächst nur mit den Initialen seines Namens „C.B.” zu nennen braucht.
Kurt Cobain, der Kopf der Grunge-Band Nirvana, ist noch immer eine unerhört ergiebige Leiche. Und Chuck Klosterman gibt sich redlich Mühe, den einen oder anderen gedanklichen Funken aus den Umständen von Cobains Selbstmord zu schlagen. Das Buch wird klug, fast altklug. Für Klosterman hat Cobain den richtigen Moment zum Sterben gewählt. Gerade als der Nimbus seine Figur ins rettungslos Negative abzudriften begann, als sich abzeichnete, dass seine Band die Krone des Grunge dem Konkurrenten Pearl Jam zu überlassen hatte, setzte Cobain mit der Schrotflinte das entscheidende Zeichen.
Klosterman verrät uns nicht, dass Cobain damals 27 Jahre jung war. Aber auf halber Fahrtstrecke hat er uns beiläufig preisgegeben, was die Kurzbiographie des Umschlags geflissentlich verschweigt: Chuck Klosterman, der jugendliche Schwadroneur, ist zum Zeitpunkt seiner Reise, also im Jahr 2003, bereits 31 Jahre alt. Wann vergeht die Jugendlichkeit eines Mannes? Wo kommt heutzutage die pubertäre Spanne, von der alle Popkultur zehrt und der sie gleichzeitig immer neuen Nährstoff zuführt, unweigerlich an ihr Ende? Und wie fühlt es sich an, wenn einem allmählich dämmert, dass man – über all den Songs – diesen Tod seiner Jugend verpasst hat?
Chuck Klosterman
Eine zu 85% wahre Geschichte Aus dem Amerikanischen von Adelheid Zöfel. S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006. 268 Seiten, 18,90 Euro.
Wohin führt die Autobahn? Immer in die Hölle.
Foto: Visum
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2006

Wo ist Buddy Hollys Brille jetzt?
Straßenroman: Chuck Klosterman auf den Spuren des Rock'n'Roll

Für eine unkomplizierte Autofahrt quer durch Amerika braucht man ein Navigationsgerät, Kleidung zum Wechseln und CDs. Im Fall von Chuck Klosterman sechshundert Stück davon, und das sind nur die unentbehrlichen aus seiner umfangreichen Sammlung. Ein derart Musiksüchtiger, das wird schnell klar, philosophiert gerne stunden- und seitenlang über die Wichtigkeit von "Led Zeppelin", die prophetischen Qualitäten eines bestimmten "Radiohead"-Albums und die Fähigkeiten des Bassisten der "Sex Pistols": "Daß Sid Vicious etwas nicht konnte, es aber trotzdem wirkungsvoll praktizierte, ist eigentlich alles, was man über Punk Rock wissen muß." Mit Überlegungen dieser Art spickt der amerikanische Musikjournalist Chuck Klosterman "Eine zu 85% wahre Geschichte", in der er von seinem Road-Trip zu den Grabstätten des Rock'n'Roll erzählt.

Eigentlich sollte daraus ein Artikel für die Zeitschrift "Spin" werden. Da der Einunddreißigjährige aber während der Fahrt seinen emotionalen Lebenslauf nachempfindet, was den inhaltlichen Rahmen eines Musikmagazins sprengen würde, verfaßte er lieber ein Buch. Was darin zu den fünfzehn Prozent Erfindungen gehört, ist eigentlich unwichtig, zumal Klosterman diese Einteilung häufiger und nicht immer mit schlagender Logik benutzt: "Hitze ist zu 15% real und zu 85% gefühlt", heißt es da beispielsweise. Mit Gefühlen hat der Musikfanatiker überhaupt seine Schwierigkeiten, denn auf seiner Reise schwelgt er in Hoffnungen und Erinnerungen an gleich drei Frauen. Da ist zum einen Quincy, die erste Freundin und sein "Lieblingsmensch". Weiterhin Lenore, die wunderschöne Verflossene. Und schließlich Diane, die bezaubernde Schwierige, mit der außerhalb der Gefühlsebene so ziemlich gar nichts paßt. Doch diese Ebene ist leider nur auf seiner Seite vorhanden. Die Frauengeschichten sind also verworren, und man möchte einem Mann mit einem solchen Gefühlshaushalt eher zur Einkehr in ein buddhistisches Meditationszentrum raten als zu einer Reise, wie er sie unternimmt. Klosterman sucht das Gartenhaus auf, in dem Kurt Cobain sich erschossen hat, eine Kneipe, in der kurz vor einem Konzert der "Great White" ein tödlicher Brand ausbrach, und das Feld, in welches das Flugzeug von Buddy Holly, Ritchie Valens und Big Bopper stürzte - durch Don McLeans "American Pie" ging dieser Tag in die Musikgeschichte ein als "the day the music died".

Das alles ist überraschend wenig morbide, weil Klosterman es immer mit seinem trockenen Humor hinterfragt: "Ich bin mir vollkommen bewußt, daß es, wenn ich mal fünfzig bin, sehr schwer sein wird, irgend jemandem verständlich zu machen, warum ich hoffnungslos in Mississippi durch Straßengräben getrottet bin, in der Hoffnung, die satanische Majestät von Robert Johnson zu erfassen."

In der großen Tradition leicht wahnsinniger Road-Trips hat Klosterman nicht nur merkwürdige Erlebnisse mit Menschen, sondern auch mit Drogen. In diesem Buch zeigt sich einmal mehr, daß nichts langweiliger ist als Erzählungen von verrückten Nächten mit verrückten Leuten, die verrückte Substanzen im Körper haben. Da hilft es auch nicht, daß Klosterman einen reifen Umgang damit zu demonstrieren versucht. Viel lesenswerter sind seine amüsierten Beschreibungen einiger Orte, durch die er auf der Reise kommt. Meistens ist das Beste an dem Aufenthalt, daß er von kurzer Dauer ist, und der Journalist betrachtet die Zurückbleibenden wie ein interessierter Insektenforscher, wenn er zum Beispiel eine Party in seinem Motel mitbekommt. "Das ist offensichtlich die Methode, wie man sich als Highschoolkid in Missoula verlustiert: Man nimmt sich ein Einzelzimmer in einem Hotel und testet aus, wer an Alkoholvergiftung stirbt."

Der Vergleich mit Nick Hornbys "High Fidelity" liegt nahe und wird am Ende des Buches sogar angesprochen, aber er trifft nicht zu. Ebenso wie "Lost in music" von Giles Smith, Stuckrad-Barres "Soloalbum" und alle anderen in den letzten Jahren niedergeschriebenen Liebeserklärungen an die Popwelt thematisiert zwar auch Klosterman die klassischen Fragen wie die nach dem ersten gekauften Album. Aber er bleibt unpersönlicher. Er betrachtet die Musik relativ sachlich, und selbst wenn er eine als katastrophal geschmacklos geltende Band zufällig liebt, ist das nicht einfach eine sympathische Verirrung, sondern muß ausgiebig erläutert werden. Ein bißchen weniger Meta-Ebene hätte es auch getan.

JULIA BÄHR

Chuck Klosterman: "Eine zu 85% wahre Geschichte". Aus dem Amerikanischen von Adelheid Zöfel. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006. 284 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Weniger meta wäre mehr gewesen, meint Julia Bähr. Um einem Vergleich mit "Popbiografien" von Nick Hornby oder Gilles Smith standzuhalten, hätte Chick Klosterman schon ein bisschen persönlicher sein müssen, anstatt seitenlang die Bedeutung von "Led Zeppelin" zu erörtern. Merkwürdig. Denn der Grund, dass der Text nicht in der Zeitschrift "Spin" erschien, sondern als Buch, liegt für Bähr gerade in der Verquickung musiktheoretischer Exkurse mit dem "emotionalen Lebenslauf", der ungeschmeidigen Beziehungswelt des Autors. Macht nichts, Bähr will sich ohnehin vor allem amüsieren. Und das klappt mit diesem Buch an den seltsamsten Orten. In dem Gartenhaus, in dem Kurt Cobain sich das Hirn wegblies, zum Beispiel, dem "trockenen Humor" des Autors sei Dank.

© Perlentaucher Medien GmbH