Ein einfacher, nicht winterfest zurückgelassener Wasserhahn zwingt Paul trotz Erkältung zur Reise. Er soll, nach dem plötzlichen und rätselhaften Verschwinden seines Bruders, einen Rohrbruch im alten Familienanwesen verhindern. Der Ingenieur, der sonst in Krisengebieten an Brücken und Staudämmen arbeitet, begibt sich notgedrungen auf eine Expeditionin ein tief verschneites französisches Dorf. Was den Mann im verlassenen Haus seiner Kindheit erwartet, erfordert jedoch mehr als handwerkliches Geschick, und auch technisches Gerät bringt hier keinen Segen mehr. Unter den Schneemassen zeigt sich, wie rissig und hinfällig alles geworden ist. Bei Tütensuppe und Doregrippin, mit Blick auf einen Fernseher ohne Ton beginnt Paul zu begreifen, wovor sein Zwillingsbruder geflohen ist. Ein kleines Buch zum großen Staunen darüber, wie wenig esbraucht, damit alles völlig anders kommt, und darüber, zu welch radikalen Entscheidungen der Mensch in der Lage ist.Mit Meine Krönung erschien (Steidl 2011) erstmals ein Buch von Véronique Bizot auf Deutsch. Für dieses international erfolgreiche Romandebüt erhielt sie den Grand Prix du Roman der französischen Schriftstellervereinigung und den Autorinnenpreis Prix Lilas. Eine Zukunft war auf der Shortlist des Prix Médicis 2011. Véronique Bizot lebt in Paris.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2012Würstchen im Teigmantel sind die Krönung
Véronique Bizot ist eine Meisterin des Schweigens an der richtigen Stelle: Ihr Roman "Eine Zukunft" erzählt von der unheimlichen Macht einer Familie.
Von Lena Bopp
Alles beginnt mit einem Wasserhahn. Ob er mal nachsehen könne, dass der richtig abgelassen sei, schreibt Odd seinem Bruder Paul im Postscriptum eines Briefes, in dem er ihn außerdem wissen lässt, er werde auf unbestimmte Zeit verreisen, er sei am Ende und nicht sicher, ob er je zurückkommen werde. Der Bruder kommt der Bitte nach. Durch die winterlich verschneite Landschaft fährt er die rund dreihundert Kilometer bis zum Haus seiner Familie, das stattlich, aber vollkommen verlassen irgendwo in der vollendeten Einöde liegt. Hier sieht er nach besagtem Wasserhahn, prüft bald alle anderen Hähne im gesamten Haus und landet über dem Umherwandeln in dem alten, erinnerungsgesättigten Gemäuer bei der eigentlichen Aufgabe, die Odds Brief ihm stellt. Paul versucht zwar - und durchaus mit Erfolg -, die Sorge um seinen Zwillingsbruder klein zu halten, aber er weiß auch, dass dessen Schreiben ein Hilferuf ist, den er erhört.
Es ist eine Kleinigkeit, die in dem neuen Roman von Véronique Bizot die Dinge in Bewegung versetzt. Und wer die Französin schon kennt, wer etwa ihren im vergangenen Jahr in deutscher Übersetzung erschienenen Roman "Meine Krönung", dieses kleine Meisterwerk, gelesen hat, der weiß, dass sich Bizot damit treu bleibt. War es damals die plötzliche Ehrung eines bereits greisen Wissenschaftlers, der lange nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben für eine physikalische Entdeckung gewürdigt werden sollte, an die er sich gar nicht mehr erinnern konnte, ist es nun ein Wasserhahn, der dafür sorgt, dass sich der Held der Geschichte seiner Vergangenheit stellen muss. Denn genauso wie das letzte ist auch das neue Buch mit dem Titel "Eine Zukunft" eine in weiten Teilen aus Erinnerungen zusammengesetzte Geschichte. Zunächst geraten die Ereignisse gedanklich ins Rollen, bevor sie dasselbe, ganz zum Schluss, jeweils auf der allerletzten Seite, auch in Wirklichkeit tun.
Paul durchstreift das Haus seiner Kindheit, in dem zu allem Überfluss die Heizung ausgefallen ist, mit einer Mischung aus vertrautem Unbehagen und erlerntem Desinteresse. Die Küche, das Billardzimmer, die Bibliothek mit dem alten gelben Samtsessel gleich neben dem Kamin lassen Erinnerungen an seinen Vater wach werden, der nach dem Tod der Mutter mit diversen Geschäftsideen scheiterte und sich schließlich vor den Augen seiner sechs Kinder von einer reichen Amerikanerin aushalten ließ. Seine Mutter, die stolze, schweigsame Norwegerin, deretwegen die Nachbarn das Anwesen als "Norwegerhaus" bezeichneten, hatte zu Lebzeiten nichts lieber getan, als auszureiten, wobei sie stets nur die drei Töchter mitnahm, nie aber ihre drei Söhne. Nach ihrem Tod - sie fiel vom Pferd -, landete die Tochter Margarete zur Erleichterung aller bald in der Irrenanstalt. Die Geschwister Adina und Dorthéa, ebenfalls Zwillinge, gelang es zwar spät, aber immerhin gleichzeitig, passable Ehemänner zu finden, mit deren Hilfe sie das Familienanwesen verlassen konnten. Dann gibt es noch Harald, erfolgreicher Wirtschaftsanwalt in Paris, dessen gegenwärtiges Dasein auf den Ich-Erzähler Paul den Eindruck macht, dass er "radikal mit allem gebrochen hat, was ihn an unsere Familie und die Existenz unseres Hauses erinnern könnte". Paul selbst, so lernen wir, hat es als ewig reisender Ingenieur und Experte für den Bau von Staudämmen zwanzig Jahre lang vermieden, sich einen festen Wohnsitz zu suchen und ist erst vor kurzem in ein Appartement in der Pariser Rue Lafayette gezogen. Allein zurück in dem riesigen Haus blieb also Odd. Der sprach von seinen Plänen, in ihm ein Gasthaus mit Seminarraum einzurichten. Und "obwohl wir alle wussten, dass derjenige, der dort wohnen bliebe, über kurz oder lang zum Niedergang verurteilt war, gaben wir vor zu glauben, unser Bruder verstünde sich mit diesem Raum für Seminare und Bankette aus der Affäre zu ziehen, und nachdem wir ihm das Recht gewährt hatten, den Ort zu bewohnen, als handelte es sich um eine Gunst, hatten wir ihn sich selbst überlassen".
Was in diesem, in seiner Verästelung übrigens auch stilistisch für das Buch typischen Satz zum Ausdruck kommt, ist das, was Paul im Laufe seiner Streifzüge durch Haus, Park und das nahe gelegene Dorf peu à peu offenlegt und was den Kern von Véronique Bizots Buch ausmacht: Es geht hier um die Sichtbarmachung jener feinen Fäden, die einem so heiklen Gebilde wie einer Familie eine je eigene Gestalt verleihen. Es geht um Lieblingsgeschwister, Abhängigkeiten, Machtkonstellationen, um die oft unbenannten, aber machtvollen Ängste, Ahnungen, Stimmungen, die ein Familienleben lenken, es geht um das absolute Wissen, das Familienmitglieder voneinander haben und das sie doch nicht nur nutzen, um einander zu helfen, sei es aus feinfühliger Rücksichtnahme oder aus feiger Faulheit.
Wie schon in ihrem letzten Buch bedient sich Véronique Bizot dabei auch in "Eine Zukunft" einer Vielzahl von Andeutungen, die sie mit einer feinen Schicht von Ironie bestäubt, gerade nur so dick, dass sie die Abgründigkeiten, die Traurigkeit und Härte, die Egoismen, das Unrecht auch, welche die Geschichte der Familie prägen, nicht verbergen, aber auch nicht zur Schau stellen. Man ahnt die Dinge, bevor man sie weiß, und mehr braucht es auch nicht. Bizot ist, das zeigt sie jetzt abermals, eine Meisterin der vielsagenden Auslassung, des Schweigens an der richtigen Stelle. Hier erkennt man die Novellenautorin, als die sie zu Beginn ihrer noch gar nicht langen schriftstellerischen Karriere in Erscheinung getreten ist.
Ihr reichen eine Handvoll von Episoden, um einen Helden zu porträtieren, der uns in seinem friedfertigen Phlegma und seiner widerstandslosen Gewöhnlichkeit so vertraut ist wie ein alter Verwandter. So richtig, das wird Paul bei seinem Ausflug ins elterliche Haus bewusst, hat er die heimatliche Enge nie hinter sich gelassen, im Gegenteil hat er sie eigentlich stets noch imitiert. So erinnert er sich etwa an seine Hochzeit mit Hélène, die sie zu viert, das Brautpaar mit den Trauzeugen, in einer Bäckerei feierten, "wo kein Alkohol geschenkt wurde und wo wir unser Plastikbesteck in Würste im Teigmantel bohrten, alle vier in dem Bewusstsein, dass alles mehr Stil hätte haben können . . . Warum wir nicht die Avenue de la Mairie weitergegangen waren, um ein richtiges Restaurant zu finden, weiß ich nicht."
Ein anderes Mal erinnert er sich daran, wie er einmal bei einer Reise nach Malaysia im dortigen Dschungel fast ums Leben gekommen wäre. Und so wenig diese einzelnen Geschichten vordergründig zusammenhängen, so sehr wird doch allmählich deutlich, was die Stunde für Paul geschlagen hat: Hier sucht ein Mann eine Haltung, ein Ich-Erzähler sucht sein Ich. Er würde viel dafür geben, heißt es einmal, "einen Gedanken zu haben, der diese Bezeichnung verdient, keine Meinung, erst recht keine Überzeugung, einfach nur einen Gedanken, etwas wie einen kräftigen Faden, der irgendwohin führt". Der Weg zu diesem Gedanken aber führt über die Vergangenheit. Und so fächert ein Leben vor uns auf, dessen traurig-ängstliche Gestalt sich ewig an dem Bewusstsein bricht, dass ein anderes möglich gewesen wäre. Stück für Stück gibt Paul sich zu erkennen - und behält dabei entscheidende Geheimnisse doch für sich. Und genau darin, in dem überaus feinsinnigen Spiel mit Offenbarung und Zurückhaltung, zeigt sich die ganze Kunst dieses großen, kleinen Romans.
Véronique Bizot: "Eine Zukunft." Roman.
Aus dem Französischen von Tobias Scheffel und Claudia Steinitz. Steidl Verlag, Göttingen 2012. 144 S., geb., 16,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Véronique Bizot ist eine Meisterin des Schweigens an der richtigen Stelle: Ihr Roman "Eine Zukunft" erzählt von der unheimlichen Macht einer Familie.
Von Lena Bopp
Alles beginnt mit einem Wasserhahn. Ob er mal nachsehen könne, dass der richtig abgelassen sei, schreibt Odd seinem Bruder Paul im Postscriptum eines Briefes, in dem er ihn außerdem wissen lässt, er werde auf unbestimmte Zeit verreisen, er sei am Ende und nicht sicher, ob er je zurückkommen werde. Der Bruder kommt der Bitte nach. Durch die winterlich verschneite Landschaft fährt er die rund dreihundert Kilometer bis zum Haus seiner Familie, das stattlich, aber vollkommen verlassen irgendwo in der vollendeten Einöde liegt. Hier sieht er nach besagtem Wasserhahn, prüft bald alle anderen Hähne im gesamten Haus und landet über dem Umherwandeln in dem alten, erinnerungsgesättigten Gemäuer bei der eigentlichen Aufgabe, die Odds Brief ihm stellt. Paul versucht zwar - und durchaus mit Erfolg -, die Sorge um seinen Zwillingsbruder klein zu halten, aber er weiß auch, dass dessen Schreiben ein Hilferuf ist, den er erhört.
Es ist eine Kleinigkeit, die in dem neuen Roman von Véronique Bizot die Dinge in Bewegung versetzt. Und wer die Französin schon kennt, wer etwa ihren im vergangenen Jahr in deutscher Übersetzung erschienenen Roman "Meine Krönung", dieses kleine Meisterwerk, gelesen hat, der weiß, dass sich Bizot damit treu bleibt. War es damals die plötzliche Ehrung eines bereits greisen Wissenschaftlers, der lange nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben für eine physikalische Entdeckung gewürdigt werden sollte, an die er sich gar nicht mehr erinnern konnte, ist es nun ein Wasserhahn, der dafür sorgt, dass sich der Held der Geschichte seiner Vergangenheit stellen muss. Denn genauso wie das letzte ist auch das neue Buch mit dem Titel "Eine Zukunft" eine in weiten Teilen aus Erinnerungen zusammengesetzte Geschichte. Zunächst geraten die Ereignisse gedanklich ins Rollen, bevor sie dasselbe, ganz zum Schluss, jeweils auf der allerletzten Seite, auch in Wirklichkeit tun.
Paul durchstreift das Haus seiner Kindheit, in dem zu allem Überfluss die Heizung ausgefallen ist, mit einer Mischung aus vertrautem Unbehagen und erlerntem Desinteresse. Die Küche, das Billardzimmer, die Bibliothek mit dem alten gelben Samtsessel gleich neben dem Kamin lassen Erinnerungen an seinen Vater wach werden, der nach dem Tod der Mutter mit diversen Geschäftsideen scheiterte und sich schließlich vor den Augen seiner sechs Kinder von einer reichen Amerikanerin aushalten ließ. Seine Mutter, die stolze, schweigsame Norwegerin, deretwegen die Nachbarn das Anwesen als "Norwegerhaus" bezeichneten, hatte zu Lebzeiten nichts lieber getan, als auszureiten, wobei sie stets nur die drei Töchter mitnahm, nie aber ihre drei Söhne. Nach ihrem Tod - sie fiel vom Pferd -, landete die Tochter Margarete zur Erleichterung aller bald in der Irrenanstalt. Die Geschwister Adina und Dorthéa, ebenfalls Zwillinge, gelang es zwar spät, aber immerhin gleichzeitig, passable Ehemänner zu finden, mit deren Hilfe sie das Familienanwesen verlassen konnten. Dann gibt es noch Harald, erfolgreicher Wirtschaftsanwalt in Paris, dessen gegenwärtiges Dasein auf den Ich-Erzähler Paul den Eindruck macht, dass er "radikal mit allem gebrochen hat, was ihn an unsere Familie und die Existenz unseres Hauses erinnern könnte". Paul selbst, so lernen wir, hat es als ewig reisender Ingenieur und Experte für den Bau von Staudämmen zwanzig Jahre lang vermieden, sich einen festen Wohnsitz zu suchen und ist erst vor kurzem in ein Appartement in der Pariser Rue Lafayette gezogen. Allein zurück in dem riesigen Haus blieb also Odd. Der sprach von seinen Plänen, in ihm ein Gasthaus mit Seminarraum einzurichten. Und "obwohl wir alle wussten, dass derjenige, der dort wohnen bliebe, über kurz oder lang zum Niedergang verurteilt war, gaben wir vor zu glauben, unser Bruder verstünde sich mit diesem Raum für Seminare und Bankette aus der Affäre zu ziehen, und nachdem wir ihm das Recht gewährt hatten, den Ort zu bewohnen, als handelte es sich um eine Gunst, hatten wir ihn sich selbst überlassen".
Was in diesem, in seiner Verästelung übrigens auch stilistisch für das Buch typischen Satz zum Ausdruck kommt, ist das, was Paul im Laufe seiner Streifzüge durch Haus, Park und das nahe gelegene Dorf peu à peu offenlegt und was den Kern von Véronique Bizots Buch ausmacht: Es geht hier um die Sichtbarmachung jener feinen Fäden, die einem so heiklen Gebilde wie einer Familie eine je eigene Gestalt verleihen. Es geht um Lieblingsgeschwister, Abhängigkeiten, Machtkonstellationen, um die oft unbenannten, aber machtvollen Ängste, Ahnungen, Stimmungen, die ein Familienleben lenken, es geht um das absolute Wissen, das Familienmitglieder voneinander haben und das sie doch nicht nur nutzen, um einander zu helfen, sei es aus feinfühliger Rücksichtnahme oder aus feiger Faulheit.
Wie schon in ihrem letzten Buch bedient sich Véronique Bizot dabei auch in "Eine Zukunft" einer Vielzahl von Andeutungen, die sie mit einer feinen Schicht von Ironie bestäubt, gerade nur so dick, dass sie die Abgründigkeiten, die Traurigkeit und Härte, die Egoismen, das Unrecht auch, welche die Geschichte der Familie prägen, nicht verbergen, aber auch nicht zur Schau stellen. Man ahnt die Dinge, bevor man sie weiß, und mehr braucht es auch nicht. Bizot ist, das zeigt sie jetzt abermals, eine Meisterin der vielsagenden Auslassung, des Schweigens an der richtigen Stelle. Hier erkennt man die Novellenautorin, als die sie zu Beginn ihrer noch gar nicht langen schriftstellerischen Karriere in Erscheinung getreten ist.
Ihr reichen eine Handvoll von Episoden, um einen Helden zu porträtieren, der uns in seinem friedfertigen Phlegma und seiner widerstandslosen Gewöhnlichkeit so vertraut ist wie ein alter Verwandter. So richtig, das wird Paul bei seinem Ausflug ins elterliche Haus bewusst, hat er die heimatliche Enge nie hinter sich gelassen, im Gegenteil hat er sie eigentlich stets noch imitiert. So erinnert er sich etwa an seine Hochzeit mit Hélène, die sie zu viert, das Brautpaar mit den Trauzeugen, in einer Bäckerei feierten, "wo kein Alkohol geschenkt wurde und wo wir unser Plastikbesteck in Würste im Teigmantel bohrten, alle vier in dem Bewusstsein, dass alles mehr Stil hätte haben können . . . Warum wir nicht die Avenue de la Mairie weitergegangen waren, um ein richtiges Restaurant zu finden, weiß ich nicht."
Ein anderes Mal erinnert er sich daran, wie er einmal bei einer Reise nach Malaysia im dortigen Dschungel fast ums Leben gekommen wäre. Und so wenig diese einzelnen Geschichten vordergründig zusammenhängen, so sehr wird doch allmählich deutlich, was die Stunde für Paul geschlagen hat: Hier sucht ein Mann eine Haltung, ein Ich-Erzähler sucht sein Ich. Er würde viel dafür geben, heißt es einmal, "einen Gedanken zu haben, der diese Bezeichnung verdient, keine Meinung, erst recht keine Überzeugung, einfach nur einen Gedanken, etwas wie einen kräftigen Faden, der irgendwohin führt". Der Weg zu diesem Gedanken aber führt über die Vergangenheit. Und so fächert ein Leben vor uns auf, dessen traurig-ängstliche Gestalt sich ewig an dem Bewusstsein bricht, dass ein anderes möglich gewesen wäre. Stück für Stück gibt Paul sich zu erkennen - und behält dabei entscheidende Geheimnisse doch für sich. Und genau darin, in dem überaus feinsinnigen Spiel mit Offenbarung und Zurückhaltung, zeigt sich die ganze Kunst dieses großen, kleinen Romans.
Véronique Bizot: "Eine Zukunft." Roman.
Aus dem Französischen von Tobias Scheffel und Claudia Steinitz. Steidl Verlag, Göttingen 2012. 144 S., geb., 16,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Die Kunst der Offenbarung und Zurückhaltung beherrscht die Autorin laut Rezensentin Lena Bopp wie keine zweite. Genau darum geht es in diesem Roman von Veronique Bizot, den uns Bopp als Geschichte um einen Helden auf der Suche nach sich selbst vorstellt, die wiederum an Familienbande rührt, Fäden, Abhängigkeiten, Verhältnisse, Konstellationen, die Bizot laut Bopp sichtbar macht, ohne sie zu benennen, die aber von großer Wirkungsmacht sind, Ängste, Trauer, Härte, Unrecht bedeutend. Diese Dinge zu ahnen, genügt der Autorin und genügt Bopp voll und ganz.
© Perlentaucher Medien GmbH
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