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Herr Binggeli ist ein seltsamer Kauz. Alles ist ihm schnuppe, er vergisst einfach alles. Selbst als er seinen Kopf verliert, merkt er nichts. "Glaubst du das?", fragt der Dichter am Schluss seiner Geschichte vieldeutig. Ob ja oder nein, die traumwandlerischen Bilder im Buch verzaubern jeden Leser.
Warum gibt es das nicht schon längst! Schliesslich steht Walser am Anfang einer typisch schweizerischen literarischen Tradition, die mit Peter Bichsels "Kindergeschichten" und Jürg Schubigers Kinderbuchtexten eine ebenso überzeugende wie auch stark beachtete Fortsetzung fand: Kurzprosa als Denkspiel, das auf einer naiven Logik der Wahrnehmung beruht
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Produktbeschreibung
Herr Binggeli ist ein seltsamer Kauz. Alles ist ihm schnuppe, er vergisst einfach alles. Selbst als er seinen Kopf verliert, merkt er nichts. "Glaubst du das?", fragt der Dichter am Schluss seiner Geschichte vieldeutig. Ob ja oder nein, die traumwandlerischen Bilder im Buch verzaubern jeden Leser.
Warum gibt es das nicht schon längst! Schliesslich steht Walser am Anfang einer typisch schweizerischen literarischen Tradition, die mit Peter Bichsels "Kindergeschichten" und Jürg Schubigers Kinderbuchtexten eine ebenso überzeugende wie auch stark beachtete Fortsetzung fand: Kurzprosa als Denkspiel, das auf einer naiven Logik der Wahrnehmung beruht
Autorenporträt
Robert Walser, geb. 1878 in Biel geboren, gest. 1956, absolvierte nach seiner Schulzeit eine Banklehre und arbeitete als Commis in verschiedenen Banken und Versicherungen in Zürich. Seine ersten Gedichte, die 1898 erschienen, ließen ihn rasch zu einem Geheimtipp werden und verschafften ihm den Zugang zu literarischen Kreisen. Nach Erscheinen seines ersten Buches folgte er 1905 seinem Bruder Karl nach Berlin, der dort als Maler und Bühnenbildner den Durchbruch erzielt hatte. In rascher Folge publizierte Walser nun drei Romane. Infolge einer psychischen Krise geriet Walser Anfang 1929 gegen seinen Willen in die Psychiatrie, deren Rahmen er nie mehr verlassen konnte. 1933 von der Berner Klinik Waldau nach Herisau verlegt, gab er das Schreiben vollständig auf und lebte dort noch 24 Jahre als vergessener anonymer Patient.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.01.2004

Vor kurzer oder langer Zeit lebte einer, der nichts merkte: Käthi Bhends Robert-Walser-Bilderbuch

"Für die Katz" heißt Käthi Bhends Widmung vorne im Buch, eine Anspielung auf Robert Walsers gleichnamige Betrachtung aus seinen Berner Jahren. Sie ist eine der resigniertesten Texte des Schriftstellers, und die Art, wie Käthi Bhend ihn kurz aufruft, läßt sich doppelt deuten. Ein leiser Zweifel meldet sich hier, ob eine solche Rarität wie dieses Robert-Walser-Bilderbuch überhaupt irgendwo seinen dauerhaften Platz finden wird. Andererseits spielt in Käthi Bhends Interpretation der Geschichte von "einem, der nichts merkte" eine Katze eine Rolle, die in Walsers Text nicht vorkommt. Hier ist sie als tröstliche, gleichmütige Beobachterin am Rande dabei; am Schluß fungiert sie sogar als Retterin.

Die Schweizerin Käthi Bhend kennt und liebt ihren Robert Walser. Das Bilderbuch mit dem Auszug aus seinem Prosastück "Lampe, Papier und Handschuhe" ist seit langem ein Wunschkind der Illustratorin, die mit altmeisterlich filigranem Strich zeichnet. Nur zögernd gab der Suhrkamp Verlag die Erlaubnis, Walsers Erzählung zu illustrieren. Das Ergebnis aber wird auch Puristen überzeugen: Die Bilder sind ebenso fein gesponnen und von innen her leuchtend wie die Worte, und sie gehen ebenso zu Herzen.

Seine Leuchtkraft erhält dieses Buch durch eine Technik, die kaum mehr geläufig ist: die Original-Flachdruck-Graphik, ein aufwendiges und unwägbares Verfahren, bei dem der Zeichner für jede einzelne Farbe eine eigene Vorlage erstellt. Das endgültige Bild entsteht erst im Moment des Druckens. Da hierbei das sonst beim Farbdruck notwendige Rastern entfällt, wird der Zeichenstrich in aller Genauigkeit wiedergegeben, und die Farben sind von großer Klarheit. Käthi Bhend hat überdies zwei Blautöne gewählt statt einen, wodurch auch die Grüntöne irisierend und luftig wirken. Das auffälligste auf den ersten Blick sind die Augen des Mannes, der nichts merkte. Sie sind hell wie Wasser und leer wie der Himmel an einem Februartag, und sie scheinen unentwegt über die eigene Leere zu staunen.

Mit dem immer gleichen leeren, staunenden Ausdruck wandert dieser Mann nun durch seine Geschichte und merkt nichts. Nicht, daß ihm sein Vermögen genommen, der Hut vom Kopf und der Boden unter den Füßen fortgerissen wird, nicht, daß ihm Frau und Kinder abhanden kommen, er merkt nicht, daß das Leben ihm buchstäblich nichts läßt. Bis er schließlich sich selbst auch noch abhanden kommt und, kopflos geworden, ins Nichts irrt. Aber auch das merkt er nicht. Robert Walser erzählt diese Geschichte leicht verwundert, zugleich mit unbarmherziger Rasanz und Knappheit; als wäre es im Grunde egal - eine zufällige Kuriosität, dieser verschwindende Herr Binggeli.

Eines der eindrucksvollsten Bilder ist jenes, auf dem der immer kleiner und ungenauer werdende Mann ohne Kopf in den Schnee hinauswandert, die Arme suchend vorgestreckt, den wehenden Schal um den Hals. Ein diffuses Treiben hüllt ihn ein, die Farbe Weiß ist hier durch Aussparen meisterhaft eingesetzt. Nicht ohne Grund läßt die Künstlerin die Gestalt im Schnee verschwinden: Sie sieht in ihr den Dichter selbst. Und wie so viele Walser-Liebhaber folgt sie dem Impuls, diesem Mann etwas Gutes zu tun. Das letzte Bild deutet Rettung und Heilung gerade so behutsam an, daß die Kinder unter den Robert-Walser-Lesern es wohl als beruhigend empfinden werden.

MONIKA OSBERGHAUS.

Käthi Bhend/Robert Walser: "Einer, der nichts merkte". Atlantis Verlag bei Orell Füssli, Zürich 2003. 36 S., geb., 18,- [Euro]. Für jedes Alter.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ihre kindlich realistischen Bildmomente wirken nie bieder, die naturnahen Farben nicht zu brav. Vielmehr ist die Zeichensprache ihres feinen Strichs immer geistreich und verspielt. Und da Bhend die Farbauszüge einzeln strichelte, hat kein Raster die Farben separiert, bietet das Druckbild Originalatmosphäre." (Die Zeit (15.1.2004))

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Beeindruckt schildert Rezensentin Monika Osberghaus ihre Begegnung mit Käthi Blends Illustrationen zu Robert Walsers Prosastück "Lampe, Papier und Handschuhe", dass sie geeignet findet, auch Kinder zu Robert-Walser-Lesern zu machen. Zunächst habe sie Zweifel gehabt, ob eine solche Rarität wie dieses Bilderbuch überhaupt irgendwo seinen dauerhaften Platz finden könne. Doch schließlich konnte die Leuchtkraft des Buches und seiner "fein gesponnenen" Bilder sie ebenso überzeugen wie Walsers von innen leuchtende Worte. "Altmeisterlich filigran" findet Osberghaus Käthi Blends Zeichenstrich. Seine Leuchtkraft jedoch erhält das Buch für sie durch die "kaum mehr geläufige" Original-Flachdruck-Technik, die den Zeichenstrich in größter Genauigkeit wiedergegebe. Auch den "immer gleichen leeren, staunenden Ausdruck" des gezeichneten Protagonisten nimmt die Rezensentin mit größter Bewegung wahr. Begrüßt hat sie auch die Hinzuerfindung einer Katze, die ihr als "tröstliche, gleichmütige und schließlich rettende Beobachterin am Rande" erschienen ist.

© Perlentaucher Medien GmbH"