Dieses Buch ist keine leichte Lektüre. Der Schreibstil liest sich minimalistisch, unaufgeregt und überwiegend neutral, was es mir als Leser erleichtert, alles mit etwas Distanz zu erfassen. Emotionen kommen immer dann ins Spiel, sobald Texte von Sophie zitiert werden. Ihre „Stimme“ im Buch ist von
einer Wärme und Sehnsucht geprägt, die mich tief berührt, ebenso wie ihre Zeichnungen. Gerade die…mehrDieses Buch ist keine leichte Lektüre. Der Schreibstil liest sich minimalistisch, unaufgeregt und überwiegend neutral, was es mir als Leser erleichtert, alles mit etwas Distanz zu erfassen. Emotionen kommen immer dann ins Spiel, sobald Texte von Sophie zitiert werden. Ihre „Stimme“ im Buch ist von einer Wärme und Sehnsucht geprägt, die mich tief berührt, ebenso wie ihre Zeichnungen. Gerade die Schlichtheit der Worte macht mich beim Lesen angreifbar. Diese grauenvolle Zeit hat es nicht nötig, ihre Sprache aufzublähen und im Text wird auf jedes nutzlose Wort verzichtet.
In allem liegt ein Anfang:
Ich erhalte Einblicke in das Leben von Sophies Eltern und deren Familiengründung. Schon 1926 musste die Familie Scholl einen unermesslichen Verlust hinnehmen, an dem heute noch so manche Familien zerbrechen. Das Buch führt mir vor Augen, welche Menschen Sophie geprägt und inspiriert haben. Allen voran ihr Elternhaus und ihre Geschwister samt Freunden, Lehrern und Künstlern.
Das Unheil nahm seinen Lauf:
Mich überströmt eine Gänsehaut, wenn ich in “Einer muss doch anfangen!” lese, welche Zeiten Sophie prägten, welche Grausamkeiten, welche Machtlosigkeit, welche Verzweiflung sie umhertrieben. Und tief in ihr blieb unerschütterlich der Glaube an Gott. Dafür bewundere ich sie in höchstem Maße.
In dieser Zeit war der Kurswert eines Lebens tief gesunken. Zitat aus dem Buch S. 191
Kein Menschenleben ist kostbarer als ein anderes:
Milstein fragt, ob das Leben der Geschwister Scholl heute jungen Leuten eine Hilfe und Orientierung sein kann. Das beantworte ich unbedingt mit Ja. Das Erbe der „Weißen Rose“ lebt durch uns weiter. Es waren blutjunge Menschen, die in einer Zeit die von Angst und Diktatur geprägt war, einen klaren Blick auf die Realität behalten haben. Hinsehen, wo andere wegsehen, Anklagen, wo andere schweigen, und beschützen, wo andere angreifen. Diese Charaktermerkmale sind seit dem Ende des 2. Weltkrieges gefragter denn je.
Aufrecht kerzengerade und ehrlich durchs Leben zu gehen, war noch nie leichter als heute in einem freien Deutschland und doch laufen wir Gefahr, von toxischem Gedankengut unterwandert zu werden. Falschmeldungen und bis zum äußersten, ausgeschlachtete Rachepläne einzelner Personen, lauern an jeder Ecke, die von dubiosen Gruppen mit Leidenschaft für ihre Propaganda Zwecke ausgenutzt werden. Sie treffen damit auf Menschen, die diese dankbar wie trockene Schwämme aufsaugen, um sich daran zu nähren, weil sie sich unverstanden und benachteiligt fühlen. Abgehängt vom Zug des Lebens benötigen sie einen Schuldigen, für ihr klägliches Scheitern und nichts eignet sich dafür besser als das unbekannte Fremde in unserem dadurch ach so bedrohten Land.
*22. Februar 1943 – Freiheit:
Sophie war ein freidenkender Mensch, der sich anfänglich vom Nationalsozialismus einfangen ließ, dabei aber nie aufhörte, alles zu hinterfragen, was sie am Ende dazu brachte, sich von diesem Regime abzuwenden und sich ihm mutig entgegenzustellen. Friedlich und versteckt begehrte sie zusammen mit ihrem Bruder und Freunden in einer Zeit auf, in der das sofort mit dem Tode bestraft wurde.
„Einer muss doch anfangen!“, hinterlässt Spuren:
Nach Beendigung des Buches will ich wissen, was aus Fritz Hartnagel wurde, und so durchforste ich das Internet und versinke in weiterer Lektüre über ihn und die Münchner Widerstandsbewegung der „Weißen Rose“. Ich danke Werner Milstein für die Bewahrung des Gedenkens an Sophie und Hans Scholl sowie ihren Mitstreitern, deren Traum es war, in einem von Freiheit dominierten Deutschland leben zu dürfen.
Wir Jüngeren haben dieses Geschenk erhalten, ohne etwas dafür getan zu haben. Wir sind es den Menschen schuldig, die für diese Freiheit gestorben sind, sie mit allem, was wir haben zu verteidigen, friedlich und gewaltlos und keinen freiheitsraubenden Gedanken schweigend hinzunehmen. Mit Schweigen laden wir Schuld auf uns, wie so viele im 2. Weltkrieg.