"Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon"-
Mit diesen Worten von Augustinus Aurelius leitet Waltraud Seidel ihre Reiseerzählungen ein. Leseratten aber genügt so eine einzige Seite nicht. Und die DDR hatte viele Leseratten. Und kann so eine Leseratten die oberen Regalteile
nicht erreichen, so greift sie eben in erreichbare Höhen. Und genau so machten es die Reiselustigen…mehr"Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon"-
Mit diesen Worten von Augustinus Aurelius leitet Waltraud Seidel ihre Reiseerzählungen ein. Leseratten aber genügt so eine einzige Seite nicht. Und die DDR hatte viele Leseratten. Und kann so eine Leseratten die oberen Regalteile nicht erreichen, so greift sie eben in erreichbare Höhen. Und genau so machten es die Reiselustigen der DDR. Sie bereisten die für sie erreichbaren Weltteile. Wer jedoch für seine Bergtouren unbedingt in die Alpen fahren wollte, Paris, London oder gar New York besuchen wollte, der fühlte sich wohl eingesperrt. Wer statt dessen die Berge der Hohen Tatra oder des Riesengebirges besteigen, Prag statt Paris, Krakau statt London besuchen und seinen Badeurlaub am Balaton oder am Schwarzen Meer verbringen wollte, für den gab es auch als DDR-Bürger wunderschöne Reiseziele.
Eingesperrt oder eingeschränkt? Der Leser selbst soll entscheiden.
Immer wieder hörte die Autorin im nun vereinten Deutschland, wenn sie von ihren alljährlichen Auslandsreisen erzählte:"Ja, wart ihr denn nicht eingesperrt? Konntet ihr denn so reisen? War reisen denn kein Privileg?" Dann war es vielleicht ein Privileg ,einen so engagierten Klassenlehrer zu haben, der für seine Abschlussklasse 1960 eine zweiwöchige Jugendtourist-Reise nach Prag und der Hohen Tatra gebucht zu haben. Fleißig sparen dafür mussten die Schüler selbst durch fleißige Ferienarbeit. Und etwas legten sicher die Eltern dazu, vor Freude über gute Abiturergebnisse ihrer Kinder. Soetwas prägt und die Sehnsucht nach der Ferne bestimmte auch spätere Urlaubsziele. Schließlich die Aufforderung : "Schreib das auf! Du bist doch ein Zeitzeuge." Die Reiseerlebnisse erweisen sich als geeigneter Rahmen, in dem die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des DDR-Alltags sowie die Bedürfnise, Freuden und Frustrationen vieler Menschen nacherlebbar werden. Dazu trägt auch der lebhafte, kurzweilige Erzählstil der Autorin bei. Auf einzigartige Weise vermittelt sie ein Stimmungsbild des Alltags in der DDR . Informativ und abwechslungsreich auch die Schilderungen über sehenswerte Landschaften, attraktive Architektur, historisch Bemerkenswertes. Selbst Interessantes aus der Sagenwelt der bereisten Städte und Länder wird nicht vergessen, oft von Fotos unterstützt.
Einfach lesenswert für Ost und West, einerseits zum Auffrischen von Erinnerungen, andererseits als Korrektur eines Lebensbildes, entstanden aus einseitigen Informationen, aus Nichtwissen, vielleicht auch aus Desinteresse. Waltraud Seidel zu mir: " Ja, unser Leben war problemreich, das alles soll auch nicht vergessen werden. Aber wir lebten auch richtig aktiv, voller Einfallsreichtum, Spaß und Lebensfreude. Und ich möchte nicht, dass all das im Schmutzwasser einseitiger Geschichtsschreibung versinkt."
Nun ist der Leser gefragt. Viel Spaß dabei!