Schriftsteller, bleib bei Deinen Gedichten, Erzählungen und Dramen
Der Autor gehört offenbar zu jenen Venedig-Einwanderern, die sich vor Glück, in dieser herrlichen Stadt zu wohnen, kaum halten können. Das gönne ich - zugegeben etwas neidisch - jedem. Ob einem da neben dem Herz auch die Feder
überfließen und das Glück sich gleich geschwätzig in zwei Büchlein ergießen muß - darüber kann man…mehrSchriftsteller, bleib bei Deinen Gedichten, Erzählungen und Dramen
Der Autor gehört offenbar zu jenen Venedig-Einwanderern, die sich vor Glück, in dieser herrlichen Stadt zu wohnen, kaum halten können. Das gönne ich - zugegeben etwas neidisch - jedem. Ob einem da neben dem Herz auch die Feder überfließen und das Glück sich gleich geschwätzig in zwei Büchlein ergießen muß - darüber kann man sicher geteilter Meinung sein. Von einem gestandenen Schriftsteller erwartet man da schon gehörige Phantasie, die hier aber zumindest bei der Titelgebung seiner beiden Venedig-Bücher versagt hat: Sich selbst als Venedig-Insider aufzuspielen, ist ja wohl doch ein wenig vermessen: Der Titel seines ersten Venedig-Buches lautet: Venedig. Das Insider-Lexikon. (München 1995). Die möglichen Leser kann der Autor ja wohl unmöglich als "Insider" gemeint haben. Wen meint er also sonst damit, wenn nicht sich selbst, denn wirkliche Insider kommen bei ihm nicht zu Worte? Und eine "Einladung zum Untergang"? Was ist denn das? Wessen Untergang und warum? Der Autor erklärt nicht und hält nicht, was er titelnd und untertitelnd verspricht. Wo sind denn die "venezianischen Hintertreppen" (Bei der deutlich spürbaren Eitelkeit des Autors kann ich mir kaum vorstellen, daß er Dienstboten-Hintertreppen benutzt.)? Soll damit assoziiert werden, was man "historische Treppenwitze" nennt? Solche kommen aber im Buch nicht vor. Statt dessen kapriziert sich Salvatore immer wieder damit, welchen mehr oder weniger wichtigen Ereignissen er "beigewohnt" (Einladung S. 13; über Sprachgefühl kann man mit einem Schriftsteller wohl nicht streiten) ist, wobei er offen läßt, ob er dabei auch "...eine Gabel matschigen Risottos oder frittierter Fische zu sich zu nehmen" geruhte. "Das Menü kam seit Jahren jedem schon aus den Ohren." (Ebd. S. 78). Partygäste "fühlten sich hungrig, aber geehrt." (Insider S. 85) Auf diese Weise hat Salvatore offenbar etwas Klatsch aufgeschnappt und genügend Vorurteile hin- und hergewälzt, um seine beiden Venedig-Büchlein zu füllen.
Mit Salvatores Entdeckerlust scheint es aber nicht weit her zu sein: "Als ein befreundeter Regisseur... mich darum bat, ihm venezianische Masken... zu besorgen, entdeckte ich, daß es in ganz Venedig kein einziges Maskengeschäft gab." (Einladung S. 54). Zur der Zeit, als er sein erstes Venedig-Bändchen verfasst hat, mag das ja noch irgendwie gestimmt haben, daß er die entsprechende Passage (Insider S. 72) ungeprüft in sein erstmals 2000 und in dritter Auflage 2003 erschienenes zweites Venedig-Buch übernimmt, verursacht bei mir dann doch etwas Stirnrunzeln. Da muß er wohl mit Blindheit geschlagen gewesen sein! Auch hätte man von einem Stücke-Schreiber ein differenzierteres Urteil erwartet als: "Heute existiert in Venedig kein einziges nennenswertes Theater mehr. Das Goldoni-Theater... ein Wort darüber zu verlieren, lohnt sich nicht." Auch anderes ist einfach so dahergeschwätzt, etwa, wenn von "kollektiv-depressivem Denken" in Venedig und von "aggressionsgeladenen oder einfach hoffungslos frustrierten" Einwohnern anderer Städte gefaselt wird (Einladung S. 66) oder auf vielen Seiten (S. 51-87) über den venezianischen Karneval. Es ist einfach unerträglich!
In seinem früheren Bändchen teilt Salvatore abschließend mit: "Da ich mir selbst nicht erklären kann, warum ich in Venedig wohne, habe ich meinen Freunden diese Frage gestellt. Es war vergeblich." (Insider S. 108) Da kann ich vielleicht ein wenig aushelfen: Vielleicht war es eine Art Flucht aus Deutschland: "Die Kritiker reagierten unerwartet aggressiv auf meine ersten literarischen Versuche." (Ebd. S. 12) Ich kann nicht beurteilen, inwieweit diese Kritik berechtigt war (es interessiert mich auch nicht). Wenn seine ersten literarischen Versuche auch so erbärmlich waren, wie seine beiden Venedig-Büchlein, ist genau das zu vermuten.