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Seit der kalte Krieg und die nukleare Bedrohung beendet sind, müssen die Staaten der Welt - auch Deutschland - wieder entscheiden, wie sie sich angesichts von Bürgerkriegen und Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern verhalten sollen: Ist es ein moralisches Gebot, verfolgten Bevölkerungsgruppen in aller Welt - notfalls mit militärischer Gewalt - zu Hilfe zu kommen, oder haben wir gar nicht das Recht, fremden Staaten die moralischen Standards zu diktieren. Und: Ist es überhaupt möglich, mit Waffengewalt Frieden zu schaffen? Praktiker und Theoretiker erörtern das moralische und das…mehr

Produktbeschreibung
Seit der kalte Krieg und die nukleare Bedrohung beendet sind, müssen die Staaten der Welt - auch Deutschland - wieder entscheiden, wie sie sich angesichts von Bürgerkriegen und Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern verhalten sollen: Ist es ein moralisches Gebot, verfolgten Bevölkerungsgruppen in aller Welt - notfalls mit militärischer Gewalt - zu Hilfe zu kommen, oder haben wir gar nicht das Recht, fremden Staaten die moralischen Standards zu diktieren. Und: Ist es überhaupt möglich, mit Waffengewalt Frieden zu schaffen? Praktiker und Theoretiker erörtern das moralische und das praktisch-politische Für und Wider Bewaffneter Interventionen. Der Band kommentiert einen Streit, der die Zukunft der Weltgemeinschaft bestimmen wird.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.1998

Schlechte Zeiten für Diktatoren?
Überlegungen zur Rechtmäßigkeit humanitärer Interventionen

Hauke Brunkhorst (Hrsg.): Einmischung erwünscht? Menschenrechte und bewaffnete Intervention. Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt am Main. März 1998. 22,90 Mark Ein Mann schlägt seine Frau. Als die Nachbarn ihre Schreie hören, kommen sie im Treppenhaus zusammen und beratschlagen, was zu tun sei. Einer telefoniert mit der Polizei - die hat keine Eile. Da schlagen mehrere Hausbewohner vor, eigenmächtig die Tür einzutreten. Das sei zwar gegen das Gesetz, aber moralisch geboten. "Solidarität!" fordert eine Dame. Ein Jurastudent holt das StGB hervor und erzählt etwas von rechtfertigendem Notstand. Ein anderer nuschelt: "Überpositives Recht". Der dicke Herr im Parterre, der selber mit seiner Frau nicht immer zärtlich umgeht, stellt sich den anderen in den Weg: "In Familienangelegenheiten darf man sich nicht einmischen!"

Vergleiche hinken. Doch das Dilemma, vor dem die internationale Gemeinschaft angesichts des Krieges im Kosovo steht, kommt einer solchen Beschreibung nahe. Soll sie militärisch in das Geschehen eingreifen, um das Blutvergießen zu beenden? Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage könnte sie das tun? Wäre ein Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, also die Zustimmung Rußlands und Chinas, wirklich unabdingbar, oder gäbe es andere, "kreativere" Möglichkeiten rechtlicher Legitimation? Sollten Nato-Soldaten in das Kosovo geschickt werden oder lieber UN-Blauhelme?

Die Aufsätze in diesem Taschenbuch beleuchten die wesentlichen völkerrechtlichen Aspekte humanitärer Interventionen. Natürlich können auch sie keine abschließenden Anworten geben auf alle Fragen, die einer gewaltsamen Einmischung zur Wahrung der Menschenrechte vorauseilen. Doch sie zeigen, daß das Thema brennender ist denn je. Von Somalia über den Nordirak bis zum Kosovo: Wenn ein Volk oder ein Teil davon nicht mehr vor seiner eigenen Regierung sicher ist, möchte die Welt ihm immer häufiger zu Hilfe kommen. Dabei ist das Argument, die staatliche Souveränität als höchstes Gut der internationalen Ordnung dürfe nicht angetastet werden, in den vergangenen Jahren schwächer geworden.

In einer Welt enger wirtschaftlicher und politischer Verflechtungen, der Satellitenschüsseln und Mobiltelefone, sind "ethnische Säuberungen" nicht länger geheimzuhalten. Weil Wissen und Gewissen eng beieinanderliegen, gehen inzwischen auch Bürgerkriege alle etwas an. Der frühere UN-Generalsekretär Pérez de Cuéllar sagte einmal, daß "wir Zeugen einer wahrscheinlich unumkehrbaren Haltung in der Öffentlichkeit sind, was den Glauben angeht, daß die Verteidigung der Unterdrückten im Namen der Moral über Grenzen und rechtlichen Dokumenten stehen sollte". Schlechte Zeiten also für Diktatoren?

Noch hat die Staatengemeinschaft kein funktionierendes Instrumentarium entwickelt, um den ethischen Forderungen in jedem Fall auch Taten folgen zu lassen. Die Vereinten Nationen haben sich zwar aus der Umklammerung des Kalten Krieges befreit, doch sind sie in ihrer gegenwärtigen Struktur für die Rolle des Weltpolizisten kaum geeignet. In einen innerstaatlichen Konflikt greift der Sicherheitsrat weiterhin nur dann ein, wenn es seinen vetoberechtigten ständigen Mitgliedern gerade in den politischen Kram paßt. Er allein hat die Interpretationshoheit über die UN-Charta und bestimmt, wann der Weltfrieden bedroht ist und wann nicht.

Trotzdem herscht die Ansicht vor, daß eine humanitäre Intervention ohne seine Zustimmung die Gefahr des Mißbrauchs, das heißt der noch größeren, weil außergesetzlichen Willkür in sich berge. Aber könnte diese Sorge eine bloße Ausrede sein? Kommt dem öffentlichen Diskurs - geführt sowohl am East River in New York als auch in den internationalen Medien - inzwischen nicht eine Kontrollfunktion zu, die täglich an Bedeutung gewinnt? Im Streit um eine Intervention im Kosovo lassen die in dieser Aufsatzsammlung zusammengetragenen Überlegungen aufhorchen. OLIVER HOISCHEN

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