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Jens Sparschuhs mitreißender Expeditionsroman erzählt die Geschichte einer doppelten Suche. Gefunden wird der deutsche Osten nach der Wende - und zur Zeit der Wenden.
Am Anfang steht der »Fall Wenzel«: Der schweigsame Mitarbeiter von andersWandern, einer Berliner Firma für Wanderkarten, ist von einem Tag auf den anderen verschwunden. Olaf Gruber, Ich-Erzähler und Arbeitskollege, erhält den Auftrag, Wenzel aufzuspüren. Mit einigen dürftigen Anhaltspunkten, vor allem einer DDR-Karte des Verschollenen, die die Standorte alter Dorfkirchen verzeichnet, macht er sich auf den Weg. Bald zeigt sich,…mehr

Produktbeschreibung
Jens Sparschuhs mitreißender Expeditionsroman erzählt die Geschichte einer doppelten Suche. Gefunden wird der deutsche Osten nach der Wende - und zur Zeit der Wenden.

Am Anfang steht der »Fall Wenzel«: Der schweigsame Mitarbeiter von andersWandern, einer Berliner Firma für Wanderkarten, ist von einem Tag auf den anderen verschwunden. Olaf Gruber, Ich-Erzähler und Arbeitskollege, erhält den Auftrag, Wenzel aufzuspüren. Mit einigen dürftigen Anhaltspunkten, vor allem einer DDR-Karte des Verschollenen, die die Standorte alter Dorfkirchen verzeichnet, macht er sich auf den Weg. Bald zeigt sich, dass Wenzel einen Plan verfolgt: Er sucht Rethra, das sagenumwobene Heiligtum der Wenden - jenes geheimnisvollen Volkes, das vor tausend Jahren die Mark Brandenburg bevölkerte und dann fast spurlos verschwand.

Bei seiner Spürreise ins Innere der Mark verliert Gruber Schritt für Schritt den sicheren Boden unter den Füßen. Fasziniert von den Spuren eines untergegangenen Volkes, entdeckt er eine bis heute lebendige Vergangenheit, die sich in keinem Kartenraster verfangen hat. Zugleich gerät Gruber in die Fallstricke der Gegenwart, die ihn in Gestalt seiner Chefin, der schönen Cora, mehr und mehr in den Bann zieht.

Jens Sparschuh, spätestens seit dem »Zimmerspringbrunnen« einer großen Öffentlichkeit bekannt, lenkt in seinem neuen fulminanten Roman den Blick zurück auf die slawische Geschichte der Landschaft zwischen Elbe und Oder. Zugleich betreibt er eine subtile Archäologie des neuen deutsch-deutschen Alltags - mit skurrilem Humor, genauem Blick und geschliffener Sprache.

Autorenporträt
Jens Sparschuh, geboren 1955 in Chemnitz (Karl-Marx-Stadt), studierte von 1973-1978 Philosophie und Logik in Leningrad. 1983 promovierte er in Berlin, seitdem arbeitet er freiberuflich. Er veröffentlichte eine Vielzahl von Hörspielen und Kinderbüchern. 2009 erschien »Putz- und Flickstunde« (zusammen mit Sten Nadolny). 1989 erhielt er den Hörspielpreis der Kriegsblinden, 2018 den Prix Chronos und 2019 den Günter-Grass-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2003

Wende verzweifelt gesucht
Mit dem Mähdrescher abgegrast: Jens Sparschuhs Wanderungen durch Mark und Bein / Von Peter Richter

Sie kamen aus dem Westen, wollten ihren Grund und Boden wieder, und bestanden auf Rückgabe vor Entschädigung. Sie versenkten die Leute, die inzwischen dort wohnten, in den Tiefen der Geschichte und mit ihnen alles, was ihnen heilig war. Viel ist jedenfalls nicht geblieben von den Wenden, jenen slawischen Stämmen, die im Zuge der Völkerwanderung das Land zwischen Elbe und Oder von den Germanen übernahmen und vor rund tausend Jahren von den Deutschen christianisiert und assimiliert wurden. Was die Erinnerung vage wach hält, sind die vielen Ortsnamen in Brandenburg, die auf -ow enden. Und das Geheimnis um Rethra, das mythische Hauptheiligtum der Wenden.

Als in Jens Sparschuhs neuem Roman "Eins zu eins" plötzlich der schweigsame Archivar eines Landkartenverlags verschwindet, ist schnell klar, daß er, wie so viele besessene Forscher vor ihm, auf der Suche ist nach diesem irrlichternden Ort, der ebenso versunken ist wie Vineta. Wie Atlantis. Oder wie jene DDR, die Sparschuh 1995 in seinem Bucherfolg "Der Zimmerspringbrunnen" sehr eindrucksvoll in einem solchen untergehen ließ. Kein Wunder, daß der Arbeitskollege, den Sparschuh dem Archivar als Ich-Erzähler hinterherschickt, den Leser also mitnimmt in eine seltsam entrückte Landschaft, wo sich überall in der wendischen Geschichte die ostdeutsche Gegenwart spiegelt wie die Bäume in den märkischen Seen.

"Wenn ich hierher fahre, das hat immer noch was von einer Expedition an sich", sagt die westdeutsche Chefin des Erzählers. Und dieser weiß als Ostdeutscher nicht einmal mehr, ob er das überheblich finden darf: "Ein Affenforscher ist Affen gegenüber ja auch nicht überheblich." Eine Entdeckungsfahrt in einen mehr als nur doppelbödigen Osten ist das - und selbst dem Einheimischen bleibt nur der erstaunte ethnologische Blick in die fremdgewordene Heimat. "Wie ein fahrender Kummerkasten, in den jeder der Beladenen seine Sorgen und Nöte hineinschütten kann", fährt er durch den deutschen Nordosten.

Und die Geschichten, die er dabei einsammelt, sind so bizarr wie absolut glaubhaft und traurig wahrscheinlich: Der Dorfpfarrer, der für ein neues Kopiergerät die toten Seelen aus dem Kirchenregister an die Mormonen verliert. Der Mann aus Hamburg, der in das Dorf seiner Kindheit zurückkehrt und das Haus nicht mehr findet, aus dem seine Eltern vor der Kollektivierung geflohen waren - dazu die Dorfbewohner, die das Haus längst als Baumaterial für ihre Garagen ausgeschlachtet haben und den Mann nun wie einen geschichtslosen Irren herumtapsen lassen. Das geheime Ferienheim des Zentralkomitees, wo heute Führungskräfte "mit direkter Feindberührung" - also etwa Karlsruher Sparkassenleiterinnen, die es nach Greifswald verschlagen hat - in DDR-Ferienlager-Atmosphäre den "Umgang mit dem Anderen" trainieren. Der Bilderbuchbauer aus dem Bilderbuchdorf, der sich dann aber als ein kasachischer Spätaussiedler entpuppt, der offenbar nur träumt, daß er ins Land seiner Träume heimgekommen ist. Oder der Bauarbeiter, der beim Aushub der Baugrube für ein Einkaufszentrum auf historisches Gemäuer gestoßen war, was die Denkmalpfleger auf den Plan rief, seine Baufirma aber in den Ruin trieb - und ihn selbst dazu, jedem die Reifen zu zerstechen, der nach Archäologe aussieht.

Wer immer hier spricht - stets trifft er irgendein Echo aus der Vergangenheit. Was für ein großartiger Stoff! Was für eine geschichtenträchtige, sich wie von selbst erzählende Landschaft, dieser Osten: Wo immerfort um die schiere Existenz einer Vergangenheit gekämpft werden muß, wo die Gegenwart eine unglaubwürdige Sache ist und nebenbei auch eine durch Baumärkte und Reißbrettsiedlungen unglaublich verunstaltete - und wo die Zukunft (Stichwort Abwanderung) schon wieder nach Vorvergangenheit schmeckt. Und was für ein Risiko: weil die Analogien leicht ins Schlingern geraten können. Und weil mythenschürfende Heimatkunde so schnell ins Raunende abgleitet. Denn Rethra und Svantevit, der vierköpfige Wendengott, sind nicht nur als Namen für Mecklenburger Gaststätten beliebt, sondern noch viel mehr als Kaminthema bei neuheidnischen Obskurantisten.

In dieser Hinsicht muß man sich jedoch hier überhaupt keine Sorgen machen. Und das liegt vor allem wohl an der Sprache, die eher leichtfüßig über die historischen Sumpflandschaften hinwegtänzelt, als elegisch und mit tiefsinnigem Blick um die Brandenburger Feldwegpfützen herumzuschleichen. Sparschuh macht alles, auch das Verworrene, ganz leicht. Vielleicht zu leicht. Zu "amüsant". Zu sehr "Lesevergnügen". Auf diese Weise macht er zwar einen beruhigend großen Bogen um jene Uckermark, die etwa von Botho Strauß bewohnt wird. Andererseits kann man aber wirklich nicht behaupten, daß er wirklich, wie der etwas zu häufig zitierte Fontane, durch die Mark Brandenburg wandert.

Vielmehr grast er sie wie mit einem Mähdrescher ab, um auch wirklich jede Pointe, die irgendwo zaghaft über die Ackerkrumen schaut, mitzunehmen. Kaum ein Satz ohne irgendeine onkelnde Humorigkeit. Das strengt an, auf Dauer. "Hier stehe ich, kann ich denn anders?"fragt sich der Held beim Schlangestehen. "Missionarstellung also, na gut", sagt er sich, als seine Chefin im Doppelstockbett lieber unten schlafen will. Wenn er die Wodkaflasche ansetzt, schickt er "eine eilige Flaschenpost ab". Und weil Sätze wie "Ein Kartograph, der alles auf eine Karte setzt - und gewinnt" offenbar sonst nirgendwo paßten, gibt es dafür sogar so etwas wie ein eigenes Buch Sprüche. Dort findet man übrigens dann endlich auch, was man schon 334 Seiten lang befürchtet hatte: "Die Wende? - nein, der Wende!"

Durch dieses Ausmaß an Sprachgeschmunzel steht sich das Buch leider selbst im Wege. Denn einerseits ist es ganz erfreulich, daß da mal ein Ostdeutscher gezeichnet wird, der nicht larmoyant ist in seinen Erinnerungen, sondern völlig zerrissen zwischen Trotz und Selbstverachtung und erst durch die Westdeutschen zu einer schwankenden Positionierung gegenüber der eigenen Herkunft gebracht wird. Andererseits wünscht man sich manchmal, daß er und nicht der schweigsame Archivar verschwunden wäre. Denn die Erzählung ist bis zur Ermüdung dessen Gegenteil. Statt im Doppelstockbett zu seiner Chefin nach unten zu steigen, erzählt er weitschweifig von seiner Armeezeit. Und noch ganz zum Schluß, wo es eigentlich inzwischen fast schon wieder egal ist, liefert er noch einen umfassenden Bericht über seine amouröse und politische DDR-Vergangenheit nach.

Das ist deshalb so schade, weil an manchen Stellen deutlich wird, zu welcher Hochform er auflaufen kann. Etwa wenn er da, wo er Rethra vermutet, nur eines der in Ostdeutschland so epidemischen Küchenstudios findet: "Du Schwuchtel", denkt er da, als ihn der Verkäufer mit seiner Mickymauskrawatte fragt, ob er sich für seine Einbauküchen interessiere, "mich interessiert vor allem eins: was hast du hier zu suchen? Am hellichten Tag, zwischen deinen dämlichen Einbauküchen. Und ausgerechnet hier, an dieser Stelle, dieser Stätte." Es ist großartig, wenn er wütend die touristische Vermarktung Rethras durch einen der im Osten nicht weniger epidemischen Mittelaltermärkte imaginiert. Es ist begrüßenswert, wenn die deutsche Gegenwartsliteratur endlich mal dahin geht, wo es wirklich weh tut: in die "Marktcenter" ostdeutschen Kleinstädte. Und es ist schade, wenn der Zahnarzt dort nur deshalb aufgesucht wird, damit er den uralten Scherz von den zusammengebissenen Zähnen noch mal vortragen kann.

Der verschollene Archivar taucht im übrigen wieder auf, Rethra hingegen nicht. Und es bleibt auch im dunklen, warum der Erzähler es überhaupt so inbrünstig sucht. Daß er es zum Schluß beim sächsischen Oschatz wähnt, dürfte jedenfalls nur damit zusammenhängen, daß das Wort so libidinös klingt, wenn er es einer Bekannten am Telefon zuruft.

Jens Sparschuh: "Eins zu eins". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. 427 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.03.2003

Fortsetzung von Seite 4
mit feinen Antennen für jene Kleinigkeiten und Nebensachen, die von turbogetriebenen Fortschrittsfreunden gern übersehen werden. Dass ihm kaum etwas zu geringfügig erscheint, um es festzuhalten, prädestiniert ihn für die Archäologie, schwächt ihn indes als Erzähler, weil er gar nicht erst den Versuch macht, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden.
So wie Olaf Gruber im Kapitel „Findlinge” seine handschriftlichen Notizen, „unkontrolliert vom Kopf”, zusammenstellt und dabei geistreiche Aphorismen mit Platitüden sorglos mischt, stehen bei Jens Sparschuh Szenen und Beschreibungen von beträchtlichem Witz neben schmerzhaft redundanten Dialogen und breitgetretenen Quark-Stellen, deren Funktion im Romangefüge sich nicht recht erschließen will. So hübsch er etwa Olafs wodkavernebelte Nacht im Etagenbett mit Cora Trottenburg zu schildern weiß, so unnötig langweilt er uns mit dem Protokoll seiner gescheiterten Beziehung zu einer gewissen Christine. Bei den Fallberichten des Seminarleiters Dr. Müller, der ost- und westdeutsche Wende-Opfer therapiert, wie auch bei firmeninternen Debatten über neue Tourismuskonzepte ist die Grenzlinie zwischen Satire und Bierernst derart verwischt, dass man ob solcher Entscheidungsschwäche leicht ermüdet. Und die umfangreichen Passagen, die aus Geschichtsbüchern exzerpiert oder Fontanes „Wanderungen” entnommen sind, runden den Eindruck ab, hier werde durchweg und unbekümmert „eins zu eins” erzählt.
Olaf Gruber verliert am Ende den Kontakt zur Realität und den Boden unter den Füßen. Dem Autor, ahnt man, könnte das nicht passieren. „Eins zu eins”, der Maßstab, der sämtliche Kartenwerke sprengen würde, lässt nichts offen, verheißt weder ästhetischen Höhenflug noch dehnbare Horizonte oder verborgene Untiefen; ins Positive gewendet steht er für Redlichkeit, für den Verzicht auf Prätention und Scharlatanerie. So darf man Jens Sparschuhs Prosa guten Gewissens charakterisieren. Dort aber, wo ihm so wunderbare Formulierungen unterlaufen wie „die unendliche Traurigkeit bunter Glasbausteine”, deutet sich an, dass er als Schrifsteller noch längst nicht alles auf eine Karte gesetzt hat.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
JENS SPARSCHUH: Eins zu eins. Roman. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2003. 432 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Was für ein großartiger Stoff! Was für eine geschichtsträchtige, sich selbst erzählende Landschaft, dieser Osten" ruft ein hingerissener Rezensent Peter Richter, der schon bald deutlich nach Luft schnappt. Zwar hat ihm die Art, wie Sparschuh in seinem Roman "eher leichtfüßig über die historischen Sumpflandschaften hinwegtänzelt" einiges Lesevergnügen bereitet, jedoch wurde es ihm immer wieder des Guten zuviel. Denn Sparschuh grase die Mark Brandenburg, moniert Richter, wie mit einem Mähdrescher ab, "um auch wirklich jede Pointe", mitzunehmen. Dabei findet der Rezensent die Geschichten, die Sparschuh bei seiner wenig fontanesken Wanderung einsammelt, "traurig wahrscheinlich". Doch durch ein, die Toleranzgrenzen des Rezensenten immer wieder deutlich überschreitendes "Sprachgeschmunzel", steht sich das Buch nach Ansicht Richters selbst im Weg. Und das tut dem Rezensenten unendlich leid. Denn im Grunde findet er es begrüßenswert, dass die deutsche Gegenwartsliteratur endlich auch mal dahin geht, "wo es wehtut": in die Marktcenter ostdeutscher Kleinstädte nämlich.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Abenteuer Ost. Gelegentlich will das Gestern zurück erobert werden ¨Sparschuh schafft das und zwar mit heiterem Ernst.« Der Spiegel