Als kritische Theorie ist die Theologie auch eine Sehschule: In der doppelten Bewegung von Einsichten und Ausblicken zielt sie auf eine "Umkehr im Erkennen". Statt Gott unmittelbar erkennen zu wollen und dabei die Weltwirklichkeit zu ,übersehen', gilt es wahrzunehmen, wo und wie Gott in seine Schöpfung 'hinein sieht' und in ihr wirkt. Damit tritt die Theologie zugleich ein in den Streit um die rechte Auslegung und Gestaltung der Wirklichkeit. Die Frage nach der Wahrheit verbindet sich mit dem Ringen um Gerechtigkeit. Die Grundfrage der Anthropologie "Was ist der Mensch?" wird in rechtfertigungstheologischer Perspektive neu gestellt und offen gehalten: Was wird dem Menschen gerecht? Was sind Mensch und Welt wirklich? Und wie gelangen sie zur Wahrheit ihres Seins? In diesem weit gespannten Horizont geht es um Einsichten und Ausblicke, die in universale Dimensionen hineinreichen, ohne dabei das Besondere, Individuelle und Konkrete aus dem Auge zu verlieren.