Marcia Bartusiak stellt in diesem Buch nicht nur Einsteins Relativitätstheorie in leicht fasslicher Form dar, von den Grundlagen bis zu ihren seltsamsten Konsequenzen wie den Gravitationswellen als Vibrationen des Raum-Zeit-Kontinuums selbst, sondern sie lässt auch den Forschungsalltag von Physikern und Astronomen lebendig werden. Sie zeigt die Hartnäckigkeit und die Verbohrtheit derjenigen, die Einsteins Theorie bestätigen wollten und es weitgehend konnten, und sie porträtiert die Unentwegten, die Wege suchten und fanden, das belächelte Hirngespinst der Gravitationswellen in experimentelle Realität zu verwandeln. Die Gravitationswellen sollen im hörbaren Bereich liegen, also buchstäblich das Geräusch sein, das der Kosmos in seiner Bewegung macht. Wenn Einstein Recht behält, bekäme das Universum erstmals eine Stimme, und wenn die Experimentatoren Recht behalten, werden wir sie bald hören können. Der Wettlauf um Einsteins Vermächtnis wird so zu einem wahren Forschungskrimi, in demes um Zufall, Glück und viel Gled geht, und in dem nicht von vorneherein feststeht, wer "Spinner" ist und wer "Genie".
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2005Am allerwenigsten hat die Schweiz begriffen
Ein Lektüre-Rundblick durch den Genie-Kosmos: Relativ viele Neuerscheinungen zu Albert Einstein / Von Dietmar Dath
Auch wenn das Hurra um das Einstein-Jahr nichts lieber vergessen machen möchte als dies, gilt weiterhin: Nicht alle, die Albert Einstein und sein Werk zur Kenntnis genommen haben und nehmen, sind darüber glücklich. Die sowohl historische wie aktuelle Front der Ablehnung reicht von den bösartigen Gegnern einer nur in ihren Hirnen existenten "jüdischen Physik" (meint: unanschaulich, abstrakt, zersetzend, übermathematisiert, undeutsch) über organisierte Aufstandsversuche wie den "Freundeskreis Naturphilosophie Baden-Württemberg", der mit einem Pamphlet namens "Die Entzauberung Einsteins - Warum die Spezielle Relativitätstheorie totaler Blödsinn ist" für sein Anliegen wirbt, bis hin zu ernsthaften Wissenschaftlern, die Einstein bis heute nicht verzeihen wollen, daß er zuerst nach Widersprüchen und dann nach einer "verborgenen Variablen" in der Quantenmechanik, die ihm zuwider war, gesucht und damit einen großen Teil seines letzten Lebensdrittels möglicherweise an ein fruchtloses polemisches Hobby vergeudet hat.
Angesichts dieser seltsamen Koalition der Ablehnung trifft es sich gut, daß so viele Neuerscheinungen uns den berühmten Menschen, sein riskantes Denken und die Idee der mehrfachen Lektüre desselben Sachverhalts in alternativen Darstellungsweisen nahebringen wollen.
Das biographische Material zuerst: Die Zeit in der Schweiz, in die das Wunderjahr 1905 fällt, als Einstein innert weniger Monate die Zündungen zu gleich zwei physikalischen Großumwälzungen, nämlich der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik, vollbrachte, ist Gegenstand von Alexis Schwarzenbachs Monographie "Das verschmähte Genie. Albert Einstein und die Schweiz". Sie gruppiert ihr Erzählgebinde um den Kern eines Dokumentenfunds im Schweizerischen Bundesarchiv, aus dem hervorgeht, daß Einstein, als es in Berlin langsam nach Scheiterhaufen zu riechen begann, den Schutz der in solchen Sachen berüchtigt wischiwaschiwieseligen eidgenössischen Diplomatie suchte und nicht erhielt, jedenfalls nicht so richtig. Der Erkenntnisgewinn des übersichtlich aufbereiteten Bandes läßt sich mit den Worten zusammenfassen, daß die Schweiz, als es darauf ankam, das Genie sowenig an sich angeschlossen hat wie das Deutsche Reich die Schweiz als solche an sich.
Zwei Bücher über Einsteins Zeit nach der freundlichen, neugierigen und natürlich auch an seiner Einbindung in diverse wissenschaftliche Netzwerke interessierten Aufnahme in Deutschland, "Einstein in Berlin" von Hubert Goenner und Thomas Levensons "Albert Einstein. Die Berliner Jahre 1914-1932", weichen in Details voneinander ab, der Nettonutzen dürfte aber in etwa derselbe sein. Levensons Buch ist als das dickere auch tatsächlich das reichhaltigere, aber man kann die Kontraste, die durch Goenners gedrängtere Präsentation entstehen, auch als zusätzlichen Reiz empfinden, etwa an der Stelle, an der an die Analyse der wissenschaftspolitisch heiklen Stellung von Einsteins Gelehrtenumfeld zu den Vorgängen rund um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs direkt ein längerer Passus über den Durchbruch zur Allgemeinen Relativitätstheorie anschließt. Denn genau diese Sorte überdeterminierter Mehrdimensionalität macht ja in der Tat einen Teil der anhaltend postfaustischen Anziehungskraft aus, die von Einsteins Statur und Lebensarrangemententwicklung ausgeht. Bei Levenson erfahren wir mehr über Weibergeschichten; auch das hat seinen Wert.
Eine Preziose im erweiterten Umkreis der Biographica ist Palle Yourgraus bezaubernde Einzelstudie über "Gödel, Einstein und die Folgen. Vermächtnis einer ungewöhnlichen Freundschaft", die den Physiker, der philosophisch ein metaphysischer Realist war, als aufmerksamen und ausgefuchsten Dialogpartner des Logikers zeigt, der sich mit zunehmendem Alter immer deutlicher zum Platonismus bekannte - Gipfeltreffen, bei denen die Klügsten ihres Zeitalters einander so delikat behandeln und aneinander die Präzisionsinstrumente ihrer Begriffsmaschinen so umsichtig eichen, sind in allen Epochen selten. Yourgraus verbindlicher Erzählstil behandelt dieses Wunder nicht mit der dezisionistischen Wertungswut vieler Chronisten moderner, also noch unmittelbar nachwirkender geistiger Großereignisse, sondern mit der Sorgfalt, mit der ein Archäologe den Staub von alten Gravuren pustet, um sie entziffern zu können. Wer es lieber positivistisch mag, sollte sich "Albert Einstein/Max Born: Briefwechsel 1916-1955" beschaffen, ein Buch, das man nicht an vergleichbaren Editionen der Korrespondenzen geisteswissenschaftlicher Zentralgestalten wie Adorno und Horkheimer messen darf - persönliche und weltpolitische Erschütterungen oder Euphoriephasen treten bei Physikern eben doch in ein viel mittelbareres Verhältnis zu den Dingen, die bei ihnen intellektuell auf dem Spiel stehen, als bei Philosophen etwa die Erfahrung von Faschismus und Emigration zu innovativen Leistungen neuzeitlicher Zivilisationskritik.
Über Jürgen Neffes sehr bewußt aufs Stichjahr und die gegebene deutsche Aufmerksamkeitskultur hin verfaßte neue Kompaktbiographie "Einstein" läßt sich lobend sagen, daß sie an keiner Stelle irgendeine Eile oder marktspekulative Verflachung verrät; aber man darf auch skeptisch sein, was die Notwendigkeit eines derartigen Buches angeht, solange Albrecht Fölsings solide Lebensschilderung nach wie vor als preiswertes Taschenbuch erhältlich ist. Die paar neuen Fündchen oder Akzente rechtfertigen keine Doppellektüre.
Unter den Hinführungen und Fingerzeigen zum Werk sind die empfehlenswertesten drei mit breitgestreuten Vorzügen und Erläuterungsparametern: nämlich Ernst Peter Fischers "Einstein für die Westentasche", Marcia Bartusiaks "Einsteins Vermächtnis" und Martin Gardners "Relativitätstheorie für Alle".
Gardners Werk verdient dabei den Sympathiepreis, denn es heißt nicht nur ähnlich wie ein Buch von Rainald Goetz, sondern hält sich auch treu an dessen alte Maxime "Das Geheimnis ist ganz offenbar". Wenn einem je glaubhaft gemacht wurde, daß dieser steile Qualster rund um schrumpfende oder wachsende Intervalle und eine Masse, die der Raumzeit das Sichkrümmen beibringt, keineswegs die exakteste Spielart von Esoterik und Spökenkiekerei darstellt, sondern von beiden so ziemlich das Gegenteil, dann von diesem verdienten Wissenschaftskolumnisten, Mumpitz-Entlarver und Rätselknacker. Marcia Bartusiak stellt dem eher deduktiv-rationalistischen Zugang Gardners eine Betonung der Tatsache gegenüber, daß einige der Theorien, die wir Einstein verdanken, trotz überwältigender Belege für ihre Richtigkeit im praktischen und induktiven Bereich der Forschung noch Gegenstand schwebender Verfahren sind; die Wissenschaftsjournalistin führt mit angenehm langem Atem in die Welt der Fernexperimente und Gravitations-Interferometer ein, und daß auch Kosmologie heute mehr mit Technik als mit Philosophie zu tun hat, liest man ja gern.
Sein Titelversprechen löst, angesichts all der schweren Wälzer durchaus wohltuend, das Bändchen "Einstein für die Westentasche" des mit einer Begabung für Anschauliches gesegneten Wissenschaftshistorikers Ernst Peter Fischer ein. Die zwischen enzyklopädischer Geste und aphorismenaffinem Stil schillernden Einträge unter Zwischentiteln wie "Akademie Olympia", "Frühes Licht" oder "Popularität" eignen sich für den Intercity, das Wartezimmer und das interstellare Raumschiff gleichermaßen, als einziger Mangel stört nur das abscheuliche Cover - nicht nur tut die herausgestreckte Zunge den Augen weh, sondern man sollte sie, wenn man schon nicht davon Abstand nimmt, wenigstens fotografisch reproduzieren und nicht noch im Stil bravdummer Magazinumschlagbilder abmalen lassen, von der unvermeidlichen Gleichung ( E = na, Sie wissen schon) an der Tafel daneben mal abgesehen; sonst verfestigt sich der Eindruck, Einstein sei vielleicht doch eine typische Altlast des zwanzigsten Jahrhunderts.
Alexis Schwarzenbach: "Das verschmähte Genie. Albert Einstein und die Schweiz". Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2005. 200 S., geb., 17,90 [Euro].
Hubert Goenner: "Einstein in Berlin". 1914-1933. C. H. Beck Verlag, München 2005. 367 S., Abb., geb., 22,90 [Euro].
Thomas Levenson: "Albert Einstein. Die Berliner Jahre 1914-1932". Aus dem Amerikanischen von Yvonne Badal. Bertelsmann Verlag, München 2005. 542 S., 56 Fotos, geb., 24,90 [Euro].
Palle Yourgrau: "Gödel, Einstein und die Folgen". Vermächtnis einer ungewöhnlichen Freundschaft. C. H. Beck Verlag, München 2005. 235 S., geb., 19,90 [Euro].
Albert Einstein/Max Born: "Briefwechsel 1916-1955". Vorwort von Werner Heisenberg. Verlag Langen-Müller, München 2005. 391 S., geb., 24,90 [Euro].
Jürgen Neffe: "Einstein". Eine Biographie. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005. 490 S., Fototafeln., geb., 22,90 [Euro].
Ernst Peter Fischer: "Einstein für die Westentasche". Piper Verlag, München 2005. 128 S., geb., 9,90 [Euro].
Marcia Bartusiak: "Einsteins Vermächtnis". Der Wettlauf um das letzte Rätsel der Relativitätstheorie. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2005. 335 S. Abb., geb., 22,90 [Euro].
Martin Gardner: "Relativitätstheorie für alle". DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2005. 140 S., geb., 14,90 [Euro].
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Ein Lektüre-Rundblick durch den Genie-Kosmos: Relativ viele Neuerscheinungen zu Albert Einstein / Von Dietmar Dath
Auch wenn das Hurra um das Einstein-Jahr nichts lieber vergessen machen möchte als dies, gilt weiterhin: Nicht alle, die Albert Einstein und sein Werk zur Kenntnis genommen haben und nehmen, sind darüber glücklich. Die sowohl historische wie aktuelle Front der Ablehnung reicht von den bösartigen Gegnern einer nur in ihren Hirnen existenten "jüdischen Physik" (meint: unanschaulich, abstrakt, zersetzend, übermathematisiert, undeutsch) über organisierte Aufstandsversuche wie den "Freundeskreis Naturphilosophie Baden-Württemberg", der mit einem Pamphlet namens "Die Entzauberung Einsteins - Warum die Spezielle Relativitätstheorie totaler Blödsinn ist" für sein Anliegen wirbt, bis hin zu ernsthaften Wissenschaftlern, die Einstein bis heute nicht verzeihen wollen, daß er zuerst nach Widersprüchen und dann nach einer "verborgenen Variablen" in der Quantenmechanik, die ihm zuwider war, gesucht und damit einen großen Teil seines letzten Lebensdrittels möglicherweise an ein fruchtloses polemisches Hobby vergeudet hat.
Angesichts dieser seltsamen Koalition der Ablehnung trifft es sich gut, daß so viele Neuerscheinungen uns den berühmten Menschen, sein riskantes Denken und die Idee der mehrfachen Lektüre desselben Sachverhalts in alternativen Darstellungsweisen nahebringen wollen.
Das biographische Material zuerst: Die Zeit in der Schweiz, in die das Wunderjahr 1905 fällt, als Einstein innert weniger Monate die Zündungen zu gleich zwei physikalischen Großumwälzungen, nämlich der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik, vollbrachte, ist Gegenstand von Alexis Schwarzenbachs Monographie "Das verschmähte Genie. Albert Einstein und die Schweiz". Sie gruppiert ihr Erzählgebinde um den Kern eines Dokumentenfunds im Schweizerischen Bundesarchiv, aus dem hervorgeht, daß Einstein, als es in Berlin langsam nach Scheiterhaufen zu riechen begann, den Schutz der in solchen Sachen berüchtigt wischiwaschiwieseligen eidgenössischen Diplomatie suchte und nicht erhielt, jedenfalls nicht so richtig. Der Erkenntnisgewinn des übersichtlich aufbereiteten Bandes läßt sich mit den Worten zusammenfassen, daß die Schweiz, als es darauf ankam, das Genie sowenig an sich angeschlossen hat wie das Deutsche Reich die Schweiz als solche an sich.
Zwei Bücher über Einsteins Zeit nach der freundlichen, neugierigen und natürlich auch an seiner Einbindung in diverse wissenschaftliche Netzwerke interessierten Aufnahme in Deutschland, "Einstein in Berlin" von Hubert Goenner und Thomas Levensons "Albert Einstein. Die Berliner Jahre 1914-1932", weichen in Details voneinander ab, der Nettonutzen dürfte aber in etwa derselbe sein. Levensons Buch ist als das dickere auch tatsächlich das reichhaltigere, aber man kann die Kontraste, die durch Goenners gedrängtere Präsentation entstehen, auch als zusätzlichen Reiz empfinden, etwa an der Stelle, an der an die Analyse der wissenschaftspolitisch heiklen Stellung von Einsteins Gelehrtenumfeld zu den Vorgängen rund um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs direkt ein längerer Passus über den Durchbruch zur Allgemeinen Relativitätstheorie anschließt. Denn genau diese Sorte überdeterminierter Mehrdimensionalität macht ja in der Tat einen Teil der anhaltend postfaustischen Anziehungskraft aus, die von Einsteins Statur und Lebensarrangemententwicklung ausgeht. Bei Levenson erfahren wir mehr über Weibergeschichten; auch das hat seinen Wert.
Eine Preziose im erweiterten Umkreis der Biographica ist Palle Yourgraus bezaubernde Einzelstudie über "Gödel, Einstein und die Folgen. Vermächtnis einer ungewöhnlichen Freundschaft", die den Physiker, der philosophisch ein metaphysischer Realist war, als aufmerksamen und ausgefuchsten Dialogpartner des Logikers zeigt, der sich mit zunehmendem Alter immer deutlicher zum Platonismus bekannte - Gipfeltreffen, bei denen die Klügsten ihres Zeitalters einander so delikat behandeln und aneinander die Präzisionsinstrumente ihrer Begriffsmaschinen so umsichtig eichen, sind in allen Epochen selten. Yourgraus verbindlicher Erzählstil behandelt dieses Wunder nicht mit der dezisionistischen Wertungswut vieler Chronisten moderner, also noch unmittelbar nachwirkender geistiger Großereignisse, sondern mit der Sorgfalt, mit der ein Archäologe den Staub von alten Gravuren pustet, um sie entziffern zu können. Wer es lieber positivistisch mag, sollte sich "Albert Einstein/Max Born: Briefwechsel 1916-1955" beschaffen, ein Buch, das man nicht an vergleichbaren Editionen der Korrespondenzen geisteswissenschaftlicher Zentralgestalten wie Adorno und Horkheimer messen darf - persönliche und weltpolitische Erschütterungen oder Euphoriephasen treten bei Physikern eben doch in ein viel mittelbareres Verhältnis zu den Dingen, die bei ihnen intellektuell auf dem Spiel stehen, als bei Philosophen etwa die Erfahrung von Faschismus und Emigration zu innovativen Leistungen neuzeitlicher Zivilisationskritik.
Über Jürgen Neffes sehr bewußt aufs Stichjahr und die gegebene deutsche Aufmerksamkeitskultur hin verfaßte neue Kompaktbiographie "Einstein" läßt sich lobend sagen, daß sie an keiner Stelle irgendeine Eile oder marktspekulative Verflachung verrät; aber man darf auch skeptisch sein, was die Notwendigkeit eines derartigen Buches angeht, solange Albrecht Fölsings solide Lebensschilderung nach wie vor als preiswertes Taschenbuch erhältlich ist. Die paar neuen Fündchen oder Akzente rechtfertigen keine Doppellektüre.
Unter den Hinführungen und Fingerzeigen zum Werk sind die empfehlenswertesten drei mit breitgestreuten Vorzügen und Erläuterungsparametern: nämlich Ernst Peter Fischers "Einstein für die Westentasche", Marcia Bartusiaks "Einsteins Vermächtnis" und Martin Gardners "Relativitätstheorie für Alle".
Gardners Werk verdient dabei den Sympathiepreis, denn es heißt nicht nur ähnlich wie ein Buch von Rainald Goetz, sondern hält sich auch treu an dessen alte Maxime "Das Geheimnis ist ganz offenbar". Wenn einem je glaubhaft gemacht wurde, daß dieser steile Qualster rund um schrumpfende oder wachsende Intervalle und eine Masse, die der Raumzeit das Sichkrümmen beibringt, keineswegs die exakteste Spielart von Esoterik und Spökenkiekerei darstellt, sondern von beiden so ziemlich das Gegenteil, dann von diesem verdienten Wissenschaftskolumnisten, Mumpitz-Entlarver und Rätselknacker. Marcia Bartusiak stellt dem eher deduktiv-rationalistischen Zugang Gardners eine Betonung der Tatsache gegenüber, daß einige der Theorien, die wir Einstein verdanken, trotz überwältigender Belege für ihre Richtigkeit im praktischen und induktiven Bereich der Forschung noch Gegenstand schwebender Verfahren sind; die Wissenschaftsjournalistin führt mit angenehm langem Atem in die Welt der Fernexperimente und Gravitations-Interferometer ein, und daß auch Kosmologie heute mehr mit Technik als mit Philosophie zu tun hat, liest man ja gern.
Sein Titelversprechen löst, angesichts all der schweren Wälzer durchaus wohltuend, das Bändchen "Einstein für die Westentasche" des mit einer Begabung für Anschauliches gesegneten Wissenschaftshistorikers Ernst Peter Fischer ein. Die zwischen enzyklopädischer Geste und aphorismenaffinem Stil schillernden Einträge unter Zwischentiteln wie "Akademie Olympia", "Frühes Licht" oder "Popularität" eignen sich für den Intercity, das Wartezimmer und das interstellare Raumschiff gleichermaßen, als einziger Mangel stört nur das abscheuliche Cover - nicht nur tut die herausgestreckte Zunge den Augen weh, sondern man sollte sie, wenn man schon nicht davon Abstand nimmt, wenigstens fotografisch reproduzieren und nicht noch im Stil bravdummer Magazinumschlagbilder abmalen lassen, von der unvermeidlichen Gleichung ( E = na, Sie wissen schon) an der Tafel daneben mal abgesehen; sonst verfestigt sich der Eindruck, Einstein sei vielleicht doch eine typische Altlast des zwanzigsten Jahrhunderts.
Alexis Schwarzenbach: "Das verschmähte Genie. Albert Einstein und die Schweiz". Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2005. 200 S., geb., 17,90 [Euro].
Hubert Goenner: "Einstein in Berlin". 1914-1933. C. H. Beck Verlag, München 2005. 367 S., Abb., geb., 22,90 [Euro].
Thomas Levenson: "Albert Einstein. Die Berliner Jahre 1914-1932". Aus dem Amerikanischen von Yvonne Badal. Bertelsmann Verlag, München 2005. 542 S., 56 Fotos, geb., 24,90 [Euro].
Palle Yourgrau: "Gödel, Einstein und die Folgen". Vermächtnis einer ungewöhnlichen Freundschaft. C. H. Beck Verlag, München 2005. 235 S., geb., 19,90 [Euro].
Albert Einstein/Max Born: "Briefwechsel 1916-1955". Vorwort von Werner Heisenberg. Verlag Langen-Müller, München 2005. 391 S., geb., 24,90 [Euro].
Jürgen Neffe: "Einstein". Eine Biographie. Rowohlt Verlag, Reinbek 2005. 490 S., Fototafeln., geb., 22,90 [Euro].
Ernst Peter Fischer: "Einstein für die Westentasche". Piper Verlag, München 2005. 128 S., geb., 9,90 [Euro].
Marcia Bartusiak: "Einsteins Vermächtnis". Der Wettlauf um das letzte Rätsel der Relativitätstheorie. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2005. 335 S. Abb., geb., 22,90 [Euro].
Martin Gardner: "Relativitätstheorie für alle". DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2005. 140 S., geb., 14,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Marcia Bartusiak porträtiert die Forscher, die sich dem Nachweis der bisher nur indirekt beobachteten Gravitationswellen verschrieben haben, berichtet Martin Urban. Bartusiaks personenbezogener Ansatz vermittle "sehr lebendig" von den Visonen und Obesessionen der Wissenschaftler und dem Glücksspiel um die Genehmigung und Finanzierung von Großprojekten, die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge aber bekomme der Leser damit nur indirekt vermittelt. Ein Buch, dass sich angenehm leicht liest, wie der Rezensent versichert, und "faszinierende Eindrücke" beschert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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