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Wie ist es, herauszufinden, dass der Vater ein Attentäter war? Traudl Bünger kannte ihren Vater als einen fürsorglichen Mann, auf den sie sich stets verlassen konnte, der aber auch rigide Meinungen hatte. Schon als Kind wusste sie, dass ihn ein Geheimnis umgab, über das er stets eisern schwieg. Nach seinem plötzlichen Tod beginnt sie, dieses Geheimnis zu lüften - und wird in die frühen Sechzigerjahre katapultiert.
Deutschland ist frisch durch die Mauer geteilt, Bundeskanzler Konrad Adenauer will die BRD als verlässlichen internationalen Partner etablieren. Da flammt ein Konflikt auf, der
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Produktbeschreibung
Wie ist es, herauszufinden, dass der Vater ein Attentäter war? Traudl Bünger kannte ihren Vater als einen fürsorglichen Mann, auf den sie sich stets verlassen konnte, der aber auch rigide Meinungen hatte. Schon als Kind wusste sie, dass ihn ein Geheimnis umgab, über das er stets eisern schwieg. Nach seinem plötzlichen Tod beginnt sie, dieses Geheimnis zu lüften - und wird in die frühen Sechzigerjahre katapultiert.

Deutschland ist frisch durch die Mauer geteilt, Bundeskanzler Konrad Adenauer will die BRD als verlässlichen internationalen Partner etablieren. Da flammt ein Konflikt auf, der die junge BRD emotionalisiert und in dem auch Traudl Büngers Vater tatkräftig mitmischt. Im Herbst 1962 fährt er mit Gesinnungsgenossen nach Italien. Ziel der Mission: Völkerrechtsverletzungen an »Volksdeutschen« in Südtirol brandmarken. Das Mittel: Sprengstoff. Das Ergebnis: Ein Toter und zahlreiche Verletzte.

Was hat ihren Vater im Alter von 27 Jahren zu dieser Tat verleitet? Was für ein Mensch war er? Traudl Büngers Recherchen führen sie in zahlreiche Archive und in drei Länder. Sie beginnt, mit Angehörigen über das damalige Geschehen zu sprechen. Dabei blickt sie nicht nur in die Abgründe ihrer Familiengeschichte. Sie führt uns auch tief in die Historie der Bundesrepublik, des Kalten Krieges und seiner Propagandaschlachten. »Eisernes Schweigen« zeigt ein junges Land, das sich neu positionieren muss und dabei die Schatten seiner Vergangenheit konsequent übersieht - bis heute.

Autorenporträt
Traudl Bünger, geboren 1975 in Siegburg, studierte in Köln Literaturwissenschaften und Mathematik und promovierte über 'Narrative Computerspiele'. Nach Stationen in Verlagen konzipiert sie seit 2004 Kulturveranstaltungen, u.a. als Programmleitung der Literatur- und Kulturfestivals lit.Cologne, phil.Cologne und lit.Ruhr sowie des Literatur- und Musikfestivals 'Wege durch das Land'. Traudl Bünger war Kritikerin im Literaturclub des Schweizer Fernsehens und lehrt und publiziert zu Themen der Kulturvermittlung, der literarischen Öffentlichkeit und Gegenwartsliteratur. Sie ist Mitglied der Jury des Heinrich-Heine-Preises. Gemeinsam mit Roger Willemsen schrieb sie den Bestseller 'Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort. Die Weltgeschichte der Lüge'. Bei Kiepenheuer & Witsch erschien zuletzt von ihr der Roman 'Lieblingskinder'. Für die Arbeit an 'Eisernes Schweigen' wurde sie mit dem Wellershoff-Stipendium der Stadt Köln ausgezeichnet. Traudl Bünger lebt in Köln.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Traudl Büngers Vater war überzeugter Nazi: Ein Mann, der an Anschlagsserien beteiligt war, aber in der Familie das Bild des liebevollen Vaters aufrechterhalten wollte und sein titelgebendes "eisernes Schweigen" mit ins Grab genommen hat, erklärt Rezensent Andreas Rossmann.  Dies war der Anlass, aus dem die Autorin nach einem Dachbodenfund von lauter Dokumenten über ihren Vater Heinrich Bünger schreibt, so der Kritiker. Terroristische Aktivitäten werden ebenso beleuchtet wie die familiären Verstrickungen, aus denen die Autorin Verbindungen zu aktuellen Themen wie Online-Hetze und behördliches Versagen bei der NSU-Mordserie zieht, wie der Kritiker aufzeigt. Ihm ist das bisweilen zu sehr von töchterlichen Gefühlen durchzogen, aber auch von zu gewollten Bezügen, die dann doch nicht wirklich aufklären, warum der 1935 geborene Heinrich Bünger Nazi wurde und geblieben ist.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Es ist die stets wiederkehrende deutsche Frage, die vor keiner Generation Halt macht und die Traudl Bünger mit ihrem Recherchekrimi aufbrechen will.« Kai Müller Der Tagesspiegel 20240421

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.05.2024

Wenn sich der Vater als Attentäter erweist
In "Eisernes Schweigen" versucht Traudl Bünger das Geheimnis ihrer Familie zu lüften

Als Traudl Bünger im Herbst 2019 auf den Dachboden ihres Elternhauses steigt, findet sie neben Drucksachen, Briefen, Zeugnissen und Fotos auch drei zu Zeitzündern umgerüstete Taschenuhren, eine Broschüre über Zündmittel, Hitlers "Mein Kampf", die "Nürnberger Gesetze" von 1937 und die Satzung des "Bunds Nationaler Studenten" (BNS). Die Hinterlassenschaften ihres Vaters sind Zeugnisse seiner politischen Ansichten und Aktivitäten: Heinrich Bünger, Jahrgang 1935, promovierter Chemiker, war überzeugter Rechtsextremist und 1962 mit seinem Bruder und zwei Kameraden an einer Attentatsserie in Italien beteiligt, um Südtirol im "Freiheitskampf" gegen die fremden "Besatzer" beizustehen. Die Anschläge sollten Sachschaden anrichten, doch im Bahnhof von Verona verstellte sich der Zünder, sodass die Kofferbombe nicht in der Nacht, sondern am Nachmittag explodierte; der Arbeiter Gaspare Erzen erlitt tödliche Verbrennungen, neunzehn Menschen wurden verletzt, einer büßte einen Teil seiner Sehkraft ein.

Die Autorin hat ihren Vater als fürsorglichen, zugewandten, aufbrausenden Mann in Erinnerung, der auf Hitler nichts kommen ließ und den Holocaust leugnete, die Leberwurstpelle erfand und gerne Sachertorte aß. Schon früh wusste sie, dass ihn ein Geheimnis umhüllt. Die Fundsachen auf dem Dachboden geben den Anstoß, ihm nachzuspüren und die Wahrheit über den Vater herauszufinden. Über seine Vergangenheit als Terrorist hatte er nie gesprochen und sein eisernes Schweigen 2016 mit ins Grab genommen. Die Tochter beginnt zu recherchieren, forscht in Archiven, liest "circa 60.000 Seiten Akten" und befragt ihren Onkel Fritz, den Zwillings- und Gesinnungsbruder ihres Vaters, der, wenn sie ihn mit Streuselkuchen besucht, gesprächig und auskunftsfreudig ist.

Es ist ein verschlungener Lebensweg, den Traudl Bünger rekonstruiert und aus vielen Einzelheiten zusammenpuzzelt: vom deutschnationalen Burschenschaftler an der Universität Bonn über den Kampfeinsatz im marokkogrünen Ford für Südtirol bis zum Familienvater im Siegburger Reihenhaus. Als ein Mittäter 1963 in Ost-Berlin festgenommen wird, bauscht die DDR den Fall zum Propagandacoup auf, der nachweisen soll, dass die Bundesrepublik rechte Terrororganisationen duldet. In Mailand wird Heinrich Bünger 1966 in Abwesenheit zu 21 Jahren Gefängnis verurteilt, sechs Monate sitzt er in deutscher Untersuchungshaft; als das Landgericht Köln das Verfahren erst 1980 wiederaufnimmt, lautet das Urteil dreieinhalb Jahre, der Bundesgerichtshof hebt es 1982 auf.

Liebenswerter Vater und feindseliger Gewalttäter - wie passt das zusammen? War Heinrich Bünger eine dissoziierte Persönlichkeit, die unterschiedliche Identitäten vereint? Die 1975 geborene Tochter ist, obwohl politisch auf Distanz, emotional zu beteiligt für eine psychologische Studie: Wie die Familie den rechtsradikalen Vater, seine chauvinistischen Sprüche und, wie er es nennt, "Mindermeinungen" erlebt, wird mehr anekdotisch geschildert als analytisch ausgeleuchtet, wie seine Frau damit umgeht, nur knapp und pauschal benannt. Traudl Bünger hat ein Stück Autobiographie geschrieben und sich "dichterische Freiheit" gestattet: Sie erzählt nicht chronologisch, sondern wechselt zwischen Dokument und Reflexion, Recherche und "Making of", polstert die Darstellung etwas dick mit Gefühlen und Kindheitserinnerungen, Träumen und Selbstbefragungen aus, erfindet hinzu ("Das habe ich mir ausgedacht"), stellt Hypothesen auf, ändert Namen, führt ein fiktives Fräulein ein.

Die Autorin ordnet und interpretiert aber nicht nur, sondern zieht Verbindungen zur Gegenwart und versieht sie mit Kommentaren zu Tempolimit, Hetze im Netz, Querdenkern oder der Kartoffelpüree-Attacke auf Monets "Les Meules", die ihr kritisches Bewusstsein bekunden (sollen). Satirische Spitzen inklusive: Im Oktober 1962, während einer Phase der Ruhe und kurz vor der nächsten Gesprächsrunde über die Autonomie, in Südtirol Bomben zu legen, sei, so witzelt Traudl Bünger, "als würde man Christian Lindner eine Torte ins Gesicht werfen, wenn er gerade seinen Porsche verschrottet".

Als wären ihre Recherchen nicht aussagekräftig genug, meint sie, dem Leser auf die Sprünge helfen und die politische Aktualität herausstellen zu müssen. Was sie "nur eine kleine Episode in diesen dramatischen Jahren" nennt, soll belegen, dass die Ermittlungsbehörden auf dem rechten Auge blind sind. Der Vorwurf ist schnell zur Hand, Parallelen zur Pannenserie bei der NSU-Aufklärung sind offenkundig, doch wäre er besser an die Gesellschaft zu richten. Denn einschlägige Studien liegen vor, auch wenn Bünger sie im Literaturverzeichnis nicht anführt: Etwa Manfred Jenkes 500-Seiten-Bericht "Verschwörung von rechts?", der 1961 erschien und 1967 für die Büchergilde Gutenberg überarbeitet wurde.

Die Annäherung an den Vater ist schwierig und schmerzhaft. Die Tochter hat viel herausbekommen, aber "keine Antwort auf das Warum gefunden". Während der Onkel, wie er ihr berichtet, "auf einer Urlaubsreise für die Südtiroler Sache affiziert" wurde, bleibt merkwürdig offen, warum Südtirol, das "vielen Deutschen", so der spätere Bundespräsident Karl Carstens 1959, "als urdeutsches, manchen als das deutscheste aller deutschen Länder" erschien, für den Vater zum Anliegen wurde. Dass ein Zusammenhang mit dem Vortrag bestehen könnte, den der SVP-Abgeordnete Friedl Volgger am 12. Februar 1961 auf einer Kundgebung des "Freundeskreises Südtirol" an der Universität Bonn hielt, wo Heinrich Bünger studierte, wird nicht einmal erwogen. Italien reagierte damals entrüstet: Der Botschafter zeigte sich verstimmt, die Presse kritisierte eine Annäherung an die "Separatisten", und Ministerpräsident Fanfani sagte einen für Mitte März 1961 geplanten Bonn-Besuch ab. ANDREAS ROSSMANN

Traudl Bünger: "Eisernes Schweigen". Das Attentat meines Vaters. Eine deutsche Familiengeschichte.

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024. 384 S., geb., 24,- Euro.

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