Wenn deine Vergangenheit deine Gegenwart einholt
Das Buch „Eisgrab“ von Mads Peder Nordbo ist der zweite Band um den dänischen Journalisten Matthew Cave nach „Eisrot“ (im Original „Pigen uden hud“). Im Original gibt es mit „Kvinden med dødsmasken“ schon den dritten Teil. Zwar ist der Thriller
fiktiv, aber mit Sicherheit ist nichts, was darin aufgegriffen wird, unmöglich, auch die Orte, die der…mehrWenn deine Vergangenheit deine Gegenwart einholt
Das Buch „Eisgrab“ von Mads Peder Nordbo ist der zweite Band um den dänischen Journalisten Matthew Cave nach „Eisrot“ (im Original „Pigen uden hud“). Im Original gibt es mit „Kvinden med dødsmasken“ schon den dritten Teil. Zwar ist der Thriller fiktiv, aber mit Sicherheit ist nichts, was darin aufgegriffen wird, unmöglich, auch die Orte, die der Autor nennt, gibt es alle. Nuuk, die Hauptstadt Grönlands, die Thule Airbase und auch die praktisch verlassene Siedlung Færingehavn sind die Orte, an denen sich die Handlung des Buchs überwiegend abspielt. Hochpolitische Fakten wie medizinische Versuche auf der Thule Air Base der amerikanischen Armee, Kindesmissbrauch, Verschwörungstheorien und Drogenprobleme werden vom Autor gekonnt und schonungslos mit einer Menge Fantasie und Fiktion, ein bisschen nordischer Mythologie (wie beispielsweise der Glaube an Dämonen) und Tradition zu einer enorm spannende Geschichte gestrickt.
Anfangs tat ich mich ein bisschen schwer, mich in die Geschichte einzufinden, da viele der Beziehungen der Figuren ihren Ursprung im ersten Teil haben, daher habe ich den parallel dazu, praktisch als Hintergrundlektüre, gelesen. Es ist also zwar durchaus möglich, das Buch ohne Vorkenntnisse zu lesen, wesentlich mehr Spaß macht es aber, wenn man den Vorgänger kennt. Zwar erklärt der Autor, wie Matthew, Tupaarnaq, Arnaaq und alle anderen zusammenhängen, wer und was sie sind, aber sich diese Fakten heraus zu sammeln ist ziemlich mühsam. Auch die beiden verschiedenen Handlungs- und Zeitstränge, die der Autor parallel zueinander beschreibt, muten anfangs etwas kompliziert an. Der eine Strang dreht sich um Tom Cave (Matthews Vater) und spielt 1990, der andere 2014 und hat Matthew, aber auch Tupaarnaq als zentrale Figuren.
Aber wenn man einmal richtig in dem Buch Fuß gefasst hat, mag man es gar nicht mehr aus der Hand legen. Viel mehr möchte ich über den Inhalt auch gar nicht sagen, denn das muss man einfach selbst lesen. Das Buch an sich ist aber definitiv nichts für schwache Nerven und für schwache Mägen. Es ist blutig, brutal und grausam. Die Charaktere, die der Autor beschreibt sind zum Teil sehr klar und deutlich gezeichnet. Ich konnte mir Tupaarnaq und ihre traditionellen Tätowierungen bildhaft vorstellen, sie war mir auch, trotz ihrer Brutalität und ihrem Pragmatismus von Anfang an sympathisch, während mit Matthew zum Teil ein bisschen zu naiv erschien.
Das Buch ist spannend und flüssig geschrieben. Ein paar holprige Übersetzungen haben meinen Lesefluss etwas gebremst, so tat ich mich definitiv mit dem Wort „abgespact“ schwer. Zwar ist es laut Duden richtig, aber abgespaced sieht irgendwie für mich gefälliger aus, abgesehen davon finde ich die Übersetzung für „syret“ nicht optimal. Auch finde ich den Titel im Original wesentlich passender. „Kolde Angst“ – das passt sowohl zur bedrückenden und angstgeladenen Atmosphäre des Buchs, als auch zu den medizinischen Experimenten der Amerikaner, die ein Mittel suchten, um Menschen gegen Kälte unempfindlich zu machen. Aber vermutlich sollte es zu „Eisrot“ passen, was zu „Pigen uden hud“, also „Mädchen ohne Haut“ auch nicht wirklich die passende Übersetzung ist, aber so schafft man natürlich eine Serienzusammengehörigkeit, auch wenn es auf Biegen und Brechen ist.
Aber alles in allem ein enorm spannender und bedrückender Thriller, fesselnd und packend geschrieben, ein Punkt Abzug dafür, dass viel aus dem Vorgängerband aufgegriffen wird und es dadurch anfangs undurchsichtig und kompliziert scheint. Aber eine klare Lese-Empfehlung mit 4 Sternen.