Ludwig Binswanger, einer der bedeutendsten Psychiater des 20. Jahrhunderts, gehört zu den interessantesten philosophischen Grenzgängern seiner Epoche. Ausgehend von der ärztlich - therapeutischen Praxis der Psychiatrie entwickelte er in Auseinandersetzung mit Heideggers "Sein und Zeit" einen eigenständigen sozialontologischen Ansatz, dessen Zentrum das Phänomen der Liebe bildet. Ausgehend von der grundlegenden Intention, einen Weg zum psychologischen Verstehen des Mitmenschen zu finden, stehen für Binswanger konsequenterweise die zwischenmenschlichen Beziehungen im Mittelpunkt seiner phänomenologischen Analysen. Hierbei wird das Phänomen der Liebe von Binswanger im Kontext einer phänomenologischen Ontologie situiert, die von einer Hermeneutik des Wir im liebenden Miteinandersein ausgeht, für die das duale Verhältnis von Ich und Du ausschlaggebend ist. Die Liebe, die sich im polaren Zwischenreich von Ich und Du als In-Beziehung-sein in einem prozessualen Ereignisraum vollzieht, wird hier hinsichtlich der daseinsbestimmenden Aspekte analysiert. Als Schlüsselbegriff der Untersuchung fungiert hier der Begriff der "ekstatischen Transzendenz" mit dem die prozessualen Vollzüge der Liebe primär als Entgrenzungsprozesse erfasst werden können. Dabei zeigt sich das dynamische Transzendenzgeschehen im liebenden Begegnungsvollzug von Ich und Du als spezifische Ekstase der Überweltlichung in einer entgrenzenden Bewegung der mundanen Überwindung. Dieser ekstatische Transzendenzprozeß wird im Hinblick auf die daseinsfundierenden Bezüge und seine ontologische Relevanz hinsichtlich der sozialen und zwischenmenschlichen Daseinswirklichkeit untersucht.