Produktdetails
- Verlag: Plaza & Janés
- Seitenzahl: 224
- Erscheinungstermin: Juni 2017
- Spanisch
- Abmessung: 232mm x 160mm x 22mm
- Gewicht: 454g
- ISBN-13: 9788401020629
- ISBN-10: 840102062X
- Artikelnr.: 65369920
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.03.2005Im Zeichen von Jaguar und Adler
Isabel Allende versucht, noch ein paar Schmunzler abzustauben
Tiefer, immer tiefer geht es in den Urwald. Die Stätten der Zivilisation sind nur noch eine ferne Erinnerung. Die Reisenden drohen im Morast zu versinken; sie werden von Müdigkeit, Hunger und Ungeziefer aller Art geplagt. Eine Gruppe Eingeborener bringt sie schließlich an das Ziel ihrer Irrfahrt, zu einem rätselhaften Tyrannen, der über sein kleines Reich herrscht wie ein böser Gott. Schnell begreifen die Reisenden, dass sie in einer Hölle auf Erden gelandet sind, an einem Ort, wo Traum und Wirklichkeit, Diesseits und Jenseits sich jederzeit durchdringen können.
Wovon ist hier die Rede? Von Joseph Conrads „Herz der Finsternis” oder von Francis Ford Coppolas opernhaftem Vietnamfilm „Apocalypse Now”, der von dieser Novelle inspiriert wurde? Weit gefehlt: Mit diesen Worten lässt sich auch der Inhalt von Isabel Allendes „Im Bann der Masken” skizzieren. Erneut versucht sich die Autorin hier an einem Roman für Jugendliche und schmökerfreudige Erwachsene. „Im Bann der Masken” beschließt eine mit „Die Stadt der wilden Götter” und „Im Reich des Goldenen Drachen” begonnene Trilogie phantastischer Abenteuer, deren halbwüchsige Hauptfiguren, der Amerikaner Alex und die Brasilianerin Nadia, sich bei Gefahr in ihre Totemtiere, einen Jaguar und einen Adler, verwandeln können.
War es, bewusst oder unbewusst, die Absicht Allendes, eine Light-Version der Meisterwerke von Conrad und Coppola vorzulegen? Oder ist die Ähnlichkeit der Inhalte ein Zufall? Auf jeden Fall bedarf es nicht des erdrückenden Vergleichs, damit deutlich wird, was sich ohnehin nicht verkennen lässt: „Im Bann der Masken” ist ein ganz und gar misslungenes Buch.
Von der unerschrockenen Pilotin, die ihre Cessna mit einer Zigarre im Mund und einer Bierdose zwischen den Knien steuert, bis zum Großen Bösen Schwarzen Mann mit schweren Muskelpaketen, von dem schüchtern ineinander verliebten Heldenduo und seiner reiseschriftstellernden, dem Wodka zugeneigten Großmutter bis zu dem blassen katholischen Missionar, der in Notlagen stets auf die Hilfe des Herrn vertraut - die Figuren, die Isabel Allende verwendet, sind dem Leser aus vielen Abenteuerbüchern und -filmen vertraut. Ihr dies vorzuwerfen, wäre töricht. Es kommt in solchen Fällen nicht darauf an, Formeln zu vermeiden, sondern darauf, dass es mit Scharfsinn und Phantasie gelingt, das Erprobte intelligent abzuwandeln.
Sie bekam, was sie wollte
Dazu ist die Autorin aber entweder nicht willens oder nicht in der Lage. Sie greift bedenkenlos zum Vorgegebenen - und verstößt zudem gegen elementare Gesetze des Erzählens. Von der afrikanischen Pilotin heißt es: „Sie wusste, sie war schön, sie war klug und unwiderstehlich, und wenn sie es wirklich darauf anlegte, bekam sie, was sie wollte.” So etwas will der Leser nicht erklärt bekommen; er will es selbst verstehen, indem er es sich erschließt. Allende aber rettet sich ins Benennen, weil sie unfähig ist, das Abstrakte im Konkreten aufzulösen, die Begriffe in Handlung zu überführen.
Leichtfertig verschenkt der Roman die Möglichkeiten seines Stoffes. Nadias Fähigkeit, mit Tieren zu reden, ist zwar mehrfach von großer Bedeutung, bleibt aber erzählerisch völlig unterentwickelt. Worüber tauscht sie sich mit dem Löwen aus, der nachts an ihrem Zelt schnuppert? Mit welchen Worten beruhigt sie die Gorillamutter, die mit ihrem Baby verzweifelt in einer Falle sitzt? Was sieht sie im Auge des alten, von den Pygmäen schwer verwundeten Elefanten? All dies würde dem Roman Farbe und Tiefe verleihen, aber leider ist es nirgendwo zu lesen. Und dann der umständlich geschilderte Slapstickhumor, mit dem Allende im Vorübergehen noch ein paar Schmunzler abstauben will - es ist besser, diese Szenen gar nicht zu erwähnen.
Am Ende von „Das Herz der Finsternis” und von „Apocalypse Now” bleiben einige Fragen offen, vor allem die zentrale Frage nach dem Verhältnis von Gut und Böse. Hier siegt, wie nicht anders zu erwarten, nach erheblicher Plackerei triumphal das Gute. Auch dies wäre nicht schlimm, würden nicht die anfängerhaften erzählerischen Fehler die Lektüre gründlich verleiden. Mit diesem Roman sind die Masken gefallen. Was sich schon seit einiger Zeit ankündigte, nun ist es endgültig eingetreten. Isabel Allende ist umgezogen: in das übervölkerte Geisterhaus literarisch belangloser Bestsellerautoren.
CHRISTOPH HAAS
ISABEL ALLENDE: Im Bann der Masken. Die Abenteuer von Aguila und Jaguar. Roman. Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 235 S., 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Isabel Allende versucht, noch ein paar Schmunzler abzustauben
Tiefer, immer tiefer geht es in den Urwald. Die Stätten der Zivilisation sind nur noch eine ferne Erinnerung. Die Reisenden drohen im Morast zu versinken; sie werden von Müdigkeit, Hunger und Ungeziefer aller Art geplagt. Eine Gruppe Eingeborener bringt sie schließlich an das Ziel ihrer Irrfahrt, zu einem rätselhaften Tyrannen, der über sein kleines Reich herrscht wie ein böser Gott. Schnell begreifen die Reisenden, dass sie in einer Hölle auf Erden gelandet sind, an einem Ort, wo Traum und Wirklichkeit, Diesseits und Jenseits sich jederzeit durchdringen können.
Wovon ist hier die Rede? Von Joseph Conrads „Herz der Finsternis” oder von Francis Ford Coppolas opernhaftem Vietnamfilm „Apocalypse Now”, der von dieser Novelle inspiriert wurde? Weit gefehlt: Mit diesen Worten lässt sich auch der Inhalt von Isabel Allendes „Im Bann der Masken” skizzieren. Erneut versucht sich die Autorin hier an einem Roman für Jugendliche und schmökerfreudige Erwachsene. „Im Bann der Masken” beschließt eine mit „Die Stadt der wilden Götter” und „Im Reich des Goldenen Drachen” begonnene Trilogie phantastischer Abenteuer, deren halbwüchsige Hauptfiguren, der Amerikaner Alex und die Brasilianerin Nadia, sich bei Gefahr in ihre Totemtiere, einen Jaguar und einen Adler, verwandeln können.
War es, bewusst oder unbewusst, die Absicht Allendes, eine Light-Version der Meisterwerke von Conrad und Coppola vorzulegen? Oder ist die Ähnlichkeit der Inhalte ein Zufall? Auf jeden Fall bedarf es nicht des erdrückenden Vergleichs, damit deutlich wird, was sich ohnehin nicht verkennen lässt: „Im Bann der Masken” ist ein ganz und gar misslungenes Buch.
Von der unerschrockenen Pilotin, die ihre Cessna mit einer Zigarre im Mund und einer Bierdose zwischen den Knien steuert, bis zum Großen Bösen Schwarzen Mann mit schweren Muskelpaketen, von dem schüchtern ineinander verliebten Heldenduo und seiner reiseschriftstellernden, dem Wodka zugeneigten Großmutter bis zu dem blassen katholischen Missionar, der in Notlagen stets auf die Hilfe des Herrn vertraut - die Figuren, die Isabel Allende verwendet, sind dem Leser aus vielen Abenteuerbüchern und -filmen vertraut. Ihr dies vorzuwerfen, wäre töricht. Es kommt in solchen Fällen nicht darauf an, Formeln zu vermeiden, sondern darauf, dass es mit Scharfsinn und Phantasie gelingt, das Erprobte intelligent abzuwandeln.
Sie bekam, was sie wollte
Dazu ist die Autorin aber entweder nicht willens oder nicht in der Lage. Sie greift bedenkenlos zum Vorgegebenen - und verstößt zudem gegen elementare Gesetze des Erzählens. Von der afrikanischen Pilotin heißt es: „Sie wusste, sie war schön, sie war klug und unwiderstehlich, und wenn sie es wirklich darauf anlegte, bekam sie, was sie wollte.” So etwas will der Leser nicht erklärt bekommen; er will es selbst verstehen, indem er es sich erschließt. Allende aber rettet sich ins Benennen, weil sie unfähig ist, das Abstrakte im Konkreten aufzulösen, die Begriffe in Handlung zu überführen.
Leichtfertig verschenkt der Roman die Möglichkeiten seines Stoffes. Nadias Fähigkeit, mit Tieren zu reden, ist zwar mehrfach von großer Bedeutung, bleibt aber erzählerisch völlig unterentwickelt. Worüber tauscht sie sich mit dem Löwen aus, der nachts an ihrem Zelt schnuppert? Mit welchen Worten beruhigt sie die Gorillamutter, die mit ihrem Baby verzweifelt in einer Falle sitzt? Was sieht sie im Auge des alten, von den Pygmäen schwer verwundeten Elefanten? All dies würde dem Roman Farbe und Tiefe verleihen, aber leider ist es nirgendwo zu lesen. Und dann der umständlich geschilderte Slapstickhumor, mit dem Allende im Vorübergehen noch ein paar Schmunzler abstauben will - es ist besser, diese Szenen gar nicht zu erwähnen.
Am Ende von „Das Herz der Finsternis” und von „Apocalypse Now” bleiben einige Fragen offen, vor allem die zentrale Frage nach dem Verhältnis von Gut und Böse. Hier siegt, wie nicht anders zu erwarten, nach erheblicher Plackerei triumphal das Gute. Auch dies wäre nicht schlimm, würden nicht die anfängerhaften erzählerischen Fehler die Lektüre gründlich verleiden. Mit diesem Roman sind die Masken gefallen. Was sich schon seit einiger Zeit ankündigte, nun ist es endgültig eingetreten. Isabel Allende ist umgezogen: in das übervölkerte Geisterhaus literarisch belangloser Bestsellerautoren.
CHRISTOPH HAAS
ISABEL ALLENDE: Im Bann der Masken. Die Abenteuer von Aguila und Jaguar. Roman. Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 235 S., 22,90 Euro.
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