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Die fesselnde Spurensuche nach dem wirklichen Leben des spanischen Nationalhelden Rodrigo Diaz, genannt El Cid. Eingebettet in 500 Jahre spanische Geschichte schildert der Autor akribisch, wie und warum sich ein kastilischer Ritter aus dem 11. Jahrhundert in den Heros verwandelte, der er nie war. Der Mythos lebt. Spanien feiert den 900. Todestag seines Nationalhelden. Rodrigo Diaz, genannt El Cid, war ein kastilischer Ritter des 11. Jahrhunderts, der in Spanien als Befreier des Vaterlands von den maurischen Invasoren bis heute als Nationalheld verehrt wird. Tapfer und stolz soll er gewesen…mehr

Produktbeschreibung
Die fesselnde Spurensuche nach dem wirklichen Leben des spanischen Nationalhelden Rodrigo Diaz, genannt El Cid. Eingebettet in 500 Jahre spanische Geschichte schildert der Autor akribisch, wie und warum sich ein kastilischer Ritter aus dem 11. Jahrhundert in den Heros verwandelte, der er nie war. Der Mythos lebt. Spanien feiert den 900. Todestag seines Nationalhelden. Rodrigo Diaz, genannt El Cid, war ein kastilischer Ritter des 11. Jahrhunderts, der in Spanien als Befreier des Vaterlands von den maurischen Invasoren bis heute als Nationalheld verehrt wird. Tapfer und stolz soll er gewesen sein, fromm und patriotisch, ritterlich und großzügig, ein liebevoller Gatte und Vater und ein treuer Vasall seines Königs. So heißt es. In Wirklichkeit war der Cid ein condottiere, weder human noch loyal, ein rücksichtsloser Draufgänger, der sein Wort brach, Kirchen ausraubte und sich bereicherte. Im Unterschied zu anderen sagenhaften Helden wie Achilles, Arthur oder Roland kennen wir seine abente uerliche Karriere und die bewegte Zeit, in der er lebte. Er war ein genialer Heerführer, der vor allem seine eigenen Interessen verfolgte, geschätzt und umworben von den christlichen Königen Nordspaniens wie den muslimischen Herrschern im maurischen Süden. Mißtrauisch gegen jede politische Autorität strebte er zeitlebens nach Unabhängigkeit. Seine kriegerische Laufbahn beendete er erfolgreich als Fürst von Valencia, damals die schönste Stadt Spaniens, die er mit Bravour gegen die islamischen Almoraviden und gegen seine neidischen christlichen Nachbarn verteidigte. Als Rodrigo Diaz am 10. Juli 1099 starb, war er der berühmteste Mann der Iberischen Halbinsel. Seine Taten inspirierten zahlreiche Lieder und Legenden, unter ihnen Spaniens bedeutendstes Epos, das "Poema de Mio Cid". 1961 entdeckte ihn Hollywood. Der zweieinhalbstündige Breitwandfilm mit Charlton Heston und Sophia Loren in den Titelrollen wurde an den Originalschauplätzen mit Tausenden von Statisten gedreht und ist denno ch nicht historisch. Einem Detektiv gleich entwirrt Richard Fletcher in seiner fesselnden Biographie das Gespinst aus Wahrheit und Legende. Akribisch schildert er, wie und warum sich ein schillernder Held aus dem Mittelalter in etwas verwandelte, was er zu Lebzeiten niemals war.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.1999

Alle Kraft ging vom Volke aus
Ein Mann wie El Cid wollte Geld haben, viel Geld: Richard Fletcher untersucht seine Verdienste

"Dieser Mann, die Geißel seiner Zeit, war durch seine Liebe zum Ruhm, auch die kluge Standhaftigkeit seines Charakters und durch seine heldenhafte Tapferkeit eines der Wunder Gottes." Mit solch anerkennenden Worten wurde Don Rodrigo Díaz, den die populäre Einbildungskraft im "Cantar de Mio Cid" und über zahlreiche Balladen den großen mythischen Heroen anglich, schon von seinem zeitgenössischen Feind Ibn Bassan bezeichnet. Als literarische Figur wirkte er mächtig in der spanischen Geschichte. Ein Rodrigo, der letzte westgotische König, war 711 den Arabern unterlegen. Ein Rodrigo, so hieß es unter dem Eindruck des Cid, wird die Hispania wieder zurückgewinnen und das westgotische Reich erneuern.

Rodrigo Díaz wurde zum nationalen Helden der Kastilianer. In ihm wollten sie sich in gesteigerter Gestalt wiedererkennen, seinen unbeugsamen Willen als Aufforderung verstehen, Spaniens Unabhängigkeit und Größe mit ähnlicher Energie zu wahren oder zu mehren. Es war unvermeidlich, daß Rodrigo Díaz als El Cid, um dessen Heiligsprechung sich Philipp II. allerdings vergeblich bemühte, immer wieder zur Legitimation der unterschiedlichsten politischen Strategien herangezogen wurde. Zuletzt während der leidenschaftlichen Debatten um die Zukunft Spaniens, als 1898 im glücklosen Krieg mit den Vereinigten Staaten Kuba und die Philippinen verlorengingen - Debatten, die sich bis in den Bürgerkrieg fortsetzen, der schrecklichen Fernwirkung jener Niederlage.

Die jeweiligen Beschwörungen des vaterländischen Heroen bilden eine Geschichte für sich. Sie setzen eine fest umrissene Vorstellung von seinem Leben voraus. Von ihr verabschieden sich Kastilianer nur ungern, obschon seit dem vergangenen Jahrhundert zuerst José Antonio Conde und dann vor allem Reinhart Dozy den Cid "entmythologisierten", ohne deshalb seinen Rang im Reich der Poesie zu mindern. Freilich, die Tatsachengläubigen irritierte die erhebliche Spannung zwischen der historischen und der poetischen Wahrheit. Der große Philologe und Historiker, Ramón Menendez Pidal, versuchte in diesem Jahrhundert mit einigem Trotz und zumindest für Kastilianer noch einmal überzeugend, dem Helden Rodrigo als Ritter ohne Furcht und Tadel ein Ehrfurcht gebietendes Denkmal zu setzen. Seine Lebensbeschreibung des Cid, eine ungemein suggestive Geschichte, vermag sich fast gleichberechtigt neben dem Heldenepos zu behaupten. Doch entrückte er damit den wirklichen Rodrigo dem historischen Verständnis. Historisierung aber verkleinert nicht die Größe, sie hilft dabei, zu begreifen, warum einer seinerzeit als ungewöhnlich auffiel, Staunen und Bewunderung erregte. Darum bemüht sich Richard Flechter in seinem Buch "El Cid".

Rodrigo Díaz (1043 bis 1099) stammte aus Vivar, im Norden von Burgos. Seine Familie gehörte zum Adel, aber nicht zu den großen Geschlechtern. Ein Sohn des Volkes, wie es der demokratischen Version seines Lebens gefällt, die sich von dem Glaubenssatz leiten läßt, daß alles Große in Kastilien unmittelbar vom Volke ausging, war er nicht. Damals verfügten die Spanier nur über recht vage "nationale" Vorstellungen. Es gab römische und westgotische Erinnerungen an die Hispania, aber sie war in der Tiefe der Jahre abgesunken. Wie überall in Europa bestimmte die "Treue", die Verbundenheit zum königlichen Herren und die Verpflichtung gegenüber der eigenen Familie sowie deren Verbündeten, das sittlich-politische Verhalten. Rodrigo wuchs am Hofe auf. Er brillierte nicht nur in den sportlich-militärischen Fähigkeiten, was unbedingt erforderlich war, um Karriere zu machen, er lernte auch lesen und schreiben, was keineswegs notwendig war, und wurde, wie gründlich auch immer, mit dem Rechtswesen seiner Zeit vertraut gemacht.

Reich zu werden galt noch nicht als schimpfliches Begehren. Reichtum gewährte Macht, Ansehen und Einfluß. Es lag nahe, daß Rodrigo zeit seines Lebens danach strebte, reich und immer noch reicher zu werden. Außerdem war Geld, viel Geld, die Voraussetzung, um elegant leben zu können, der rauhen, kriegerischen Art mit Artigkeit und ästhetischen Sitten ein gefälligeres Aussehen zu verleihen. Sein Christentum, das als Selbstverständlichkeit kaum auffiel, wird sich nicht von dem seiner Standesgenossen am Anfang der Entwicklung zu christlicher Ritterlichkeit unterschieden haben: ein formalisierter Dienst zu Ehren des Ehren spendenden Christus Imperator. Er hatte nie damit Schwierigkeiten, seine ungewöhnlichen Talente auch "ungläubigen" Herren gegen Christen zur Verfügung zu stellen. Der Glaube blieb eine ganz persönliche Angelegenheit. Die "Moros", die Heiden, mochten fern der Wahrheit darben. Darüber ein Urteil zu fällen, blieb Gott selber überlassen. Sofern sie nur Ehrenmänner mit guten Manieren waren, ließ sich mit ihnen umgehen, ja sie konnten Vorbild sein, um feinere Höflichkeit zu lernen.

Rodrigo wuchs in einer Umwelt auf, die überhaupt kein energisches Wollen kannte, Spanien zurückzuerobern und zu christianisieren. Den Königen in den verschiedenen "Reichen" genügte es, sich die wirre Vielzahl der "Zaunkönige" mohammedanischer Anhänglichkeit tributpflichtig zu machen. König Sancho von Kastilien ernannte Rodrigo als jungen Mann zu seinem alfarez, zum Oberbefehlshaber der Leibgarde. Sein Ehrentitel, mio Cid, vom arabischen sidi, ungeschränkter Herr, meint mehr oder minder modern übersetzt "mein Führer", eben "leadership", wie man unbefangen in Amerika sagt.

Sein König Sancho wurde 1072 ermordet, wahrscheinlich mit Wissen Alfons VI., seines Bruders. Rodrigo vermochte sich sofort mit dem neuen Herrn zu arrangieren, der ihm ein gnädiger König war, aber nicht unbedingt geneigt, den Eigenwilligkeiten dieses begabten Offiziers allzuviel Spielraum zu gewähren. 1081 kam es zum Bruch. Der angeblich Treueste der Treuen wurde wegen mannigfacher Eigenmächtigkeiten vom Hofe verbannt. Rodrigo verdingte sich bei den "Ungläubigen", stets bereit, Ruhm auch dann zu gewinnen, wenn der Preis darin bestand, gegen die Christen oder gegen seinen König zu kämpfen. Sein "Heldenleben", das schon zu Lebzeiten als solches festgehalten wurde, begann jetzt erst: Er fing an, wie die späteren Condottieri auf eigene Faust "Politik" zu treiben, zu erobern, zu verwüsten, zu erpressen, zu morden und zu plündern. Seine Feldzüge waren weder Kreuzzüge noch patriotische Veranstaltungen. Rodrigo wollte nur eines: sein eigener Herr sein, Fürst werden. Mit der Eroberung von Valencia 1094 und dem Bemühen, das Umland unter seine Kontrolle zu bringen, hatte er sein Ziel erreicht. Während Alfons VI. gegen die fanatisierten Berber, die aus Marokko kamen, eine Niederlage nach der anderen erlitten hatte, zeigte der ehemalige Vasall, wie man diese Unbesiegbaren zu besiegen vermochte.

Seine Zeitgenossen staunten, und mit Recht. Sie waren im Zeichen des aufbrechenden Individualismus an verwegene, selbstgemachte Männer gewöhnt. Aber Rodrigo überstieg das Fassungsvermögen seiner Zeit. Er wurde zum Mythos und - historisch nicht belanglos - über seine Töchter zum Stammvater der heutigen Könige Spaniens. Mit ihm verwandt zu sein, schämten sich weder Hohenstaufer noch Habsburger, Hohenzollern oder Bourbonen. El Cid hatte alles erreicht, wonach ein Ritter streben kann, selbst wenn nach seinem Tode Alfons VI. Valencia wieder aufgab. Gegen Ende des zwölften Jahrhunderts wird dieses unfaßliche Individuum zum Ideal kastilianischer Energien, die danach verlangten, "Hispania" als eine Einheit zu verstehen, die in der Wirklichkeit sich mächtig bemerkbar machen müsse. Jetzt entwickelt sich erst eine Idee der Reconquista, die Idee eines christlichen Spaniens und damit die Idee volkhafter und religiöser Reinheit: so zu sein wie alle Europäer, nichts mehr gemein zu haben mit den verfänglichen Zeiten, als kastilianische Könige sich Kaiser der drei Religionen nannten und jeden Untertan willkommen hießen, der nur bereit war, ihnen zu dienen. El Cid, kein treuer Diener seines Herrn, nur sich selbst ergeben, avancierte zum christlich-kastilianischen Ritter nationaler Einheit. Dabei blieb es.

Daß er dennoch groß genannt werden kann unter den Bedingungen seiner Zeit und seines Standes, erklärt Fletcher. Er befreit El Cid von poetisch-politischem Ballast. Der höfliche Kritiker Ramón Menendez Pidals, des großen Deuters der Hispanidad, versichert dem Meister, keine Angst vor historischer Kritik haben zu müssen. Sie vermag der Größe des wirklichen Cid und Campeador keinen Abbruch zu tun - und damit auch nicht der Größe Spaniens, das im elften Jahrhundert sich Europa anglich über ein inkommensurables Individuum.

EBERHARD STRAUB

Richard Fletcher: "El Cid". Leben und Legende des spanischen Nationalhelden. Eine Biographie. Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. Quadriga Verlag, Berlin 1999. 352 S., 17 Abb., geb., 48,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.01.2000

Der Cid sei mit uns
In Richard Fletchers Studie wird aus der Legende wieder der nicht ganz edle Ritter Rodrigo Diaz
Als Anthony Mann 1961 an der Mittelmeerküste Spaniens seinen dreistündigen El-Cid-Film drehte, herrschte dort die eisige Friedhofsstille der Nachkriegszeit. Über den noch frischen Gräbern Tausender Bürgerkriegstoter durfte sich ein Millionenpublikum – fernab der Folterkeller Francos – an den Heldentaten einer reinen Ritterseele des 11.  Jahrhunderts wärmen, die wohl auch mythisches Vorbild des Caudillo-Generals war. Für „historische Authentizität” bürgte Ramón Menendez Pidal, ein Stargelehrter der Zeit, vom Produzenten wohl just wegen seiner seltenen, im katholischen Spanien freilich nicht undenkbaren Begabung zum sacrificium intellectus, als historischer Berater angestellt.
Von der einflussreichen Hagiografie Pidals, der den Cid-Mythos schon vor dem Bürgerkrieg an die neuen „nationalen” Bedürfnisse anpasste, hat der britische Historiker Richard Fletcher in seinem spannend zu lesenden Buch über „Leben und Legende” des Cid nichts übrig gelassen. Dennoch: Nicht die Zerstörung eines Mythos haben wir diesem Buch zu verdanken (das haben davor schon andere geleistet) – sondern das authentische Bild eines typischen Repräsentanten aus der spanischen Gründerzeit, den Fletcher von den über die Jahrhunderte wild wuchernden Sagen befreite.
Zwischen dem „Poema de Mio Cid”, Pidals (irrtümlich vordatierter) Hauptquelle, und der weniger glanzvollen Historia Roderici”, die schon an der Wende zum 12.  Jahrhundert entstanden sein muss, und die Fletcher – neben juristischen Urkunden und Chroniken – hauptsächlich heranzieht, liegen kaum hundert Jahre. Lang genug, wie Fletcher zeigt, um die Gebeine des Cid und seiner Frau zu einer „Reliquie mit großem Potenzial” werden zu lassen – zunächst für die Mönche von Cardena, dann besonders auch für die kastilische Aristokratie. Man muss sich das typische Kloster der Zeit vorstellen als ein Altersheim für ausgediente Ritter, die ihre Zeit mit der Verklärung ihrer Räubergeschichten totschlugen. Während der Klerus sich bald daran machte, die damalige „touristische Hauptattraktion”, den Pilgerort Santiago de Copostela in eine Wallfahrtsstätte des Kreuzzugswahns zu verwandeln (Santiago Matamoros, Maurenschlächter, nannten die Patres fortan ihren Schutzheiligen!), wurde mit dem Cid ein dazu passender Helden besungen: ein grimmiger Gegner der Mauren, loyaler Untertan des Königs etc. Mit diesem Profil konnte er gut schon Mitte des 12. Jahrhunderts beschworen werden zur Kompensation eines Machtvakuums der kastilischen Krone – und das so erfolgreich, dass 1554 Philipp II. seine Heiligsprechung vorschlägt.
Fletchers Cid ist ein komplexer Charakter – und vielschichtig waren auch die im Buch detailliert geschilderten Verhältnisse auf der Halbinsel, deren größter Teil damals von den Mauren bewohnt wurde. Zugleich ist dieser Cid so simpel, wie man sich einen Glücksritter dieser Zeit eben vorzustellen hat: „Der Krieg als Mittel zum Lebensunterhalt, das Ansammeln von Gefolgsleuten, Schätzen und Land; die Verfolgung von Fehden und die Erfahrung der Verbannung. ” Das Spätmittelalter als eine Epoche in Bewegung – ähnlich hat es Robert Bartlett (in „Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt”) gezeigt, bei dem es freilich mehr um die Richtung von den Zentren in die Peripherie Europas ging.
Rodrigo, der Sprössling einer bescheidenen Adelsfamilie, war nur einer von unzähligen „aristokratischen Abenteurerkriegern, die vorwiegend, aber nicht ausschließlich aus Profitgründen reisten” – auch er angelockt von den vermeintlich unermesslichen Goldschätzen der Mauren, von denen schon das Rolandslied kündete, und die die christlichen Fürsten im Norden in einem perfiden System der Schutzgelderpressung ausplünderten. Als Armiger von König Sancho und dann unter dem Bruder – und wahrscheinlichen Brudermörder – Alfons VI. , schwor auch Rodrigo, seine „Schützlinge” gegen äußere Feinde, „ob Mauren oder Christen”, zu verteidigen, womit er sich ebenso wie durch Raubzüge im Königsauftrag rasch eine goldene Nase verdiente.
Als Rodrigo am Hof in Ungnade fiel, war er sich mitnichten zu schade, an seinem maurischen Verbannungsort in die – nicht weniger lukrativen – Dienste seiner Gastgeber zu treten. Noch benebelte die Vorstellung einer Reconquista in Kreuzzugmanier nicht die Köpfe. Und das komplizierte „System der Grenze”, eine Art frühen Wettrüstens zwischen der westlichen und der arabischen Welt, steckte, wenn überhaupt, noch in den Kinderschuhen. Erst nach der Almoraviden-Invasion aus Nordafrika schlossen sich auf beiden Seiten die Reihen – auch Rodrigo war dabei, der nun der Cid hieß: ein arabischer Spitzname, Äquivalent des spanischen „Caudillo”.
Auch wenn Fletcher die maurische Gesellschaft nicht in rosigen Farben malt – die größere religiöse Toleranz, das geradezu verschwenderische Mäzenatentum seiner Herrscher, die er wie Américo Castro oder Juan Goytisolo emphatisch in Erinnerung ruft, stehen zu den spanischen Grenzfürstentümern und gerade auch zur Figur des Cid in starkem Kontrast. Die bis zur Bestialität gehende Raffgier Rodrigos – als er zum Beispiel Jahhaf, den almoravidischen Eroberer Valencias, der das Versteck des Schatzes von Al Qadir nicht preisgeben wollte, bei lebendigem Leib und um ein Haar mitsamt Frau und Kind auf dem Scheiterhaufen verbrennen lässt und selbst dabei Hand anlegt – nimmt auf bestürzende Weise die Konquistadorengreuel des 16. Jahrhunderts vorweg. Dazwischen liegt die entscheidende Etappe, in der die spanische und europäische „Homogenisierung” (Bartlett) unterm Banner des Kreuzes und im Zeichen des Goldrausches sich vollzieht.
HANNO ZICKGRAF
RICHARD FLETCHER: El Cid. Leben und Legende des spanischen Nationalhelden. Eine Biografie. Aus dem Englischen von Martin Pfeiffer. Quadriga Verlag, Weinheim Berlin 1999. 352 S. , 48 Mark.
Der Ritter von Kastilien: Charlton Heston als El Cid
Foto: SZ-Archiv
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