Produktdetails
  • Verlag: Alfaguara
  • Seitenzahl: 504
  • Erscheinungstermin: 5. Dezember 2012
  • Spanisch
  • Abmessung: 264mm x 164mm x 38mm
  • Gewicht: 698g
  • ISBN-13: 9788420413099
  • ISBN-10: 8420413097
  • Artikelnr.: 36598097

Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Arturo Perez-Reverte, geboren 1951 in Cartagena, gilt seit Mitte der achtziger Jahre als einer der größten spanischen Autoren. Über zwanzig Jahre hat er als Journalist gearbeitet, bevor er erste Romane schrieb, die schon bald mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnete Bestseller wurden. Sein Roman "Der Club Dumas" wurde 1999 von Roman Polanski unter dem Titel "Die neun Pforten" mit Johnny Depp in der Hauptrolle verfilmt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.09.2013

Das Schicksal zählt nur bis drei

Glück auf der Flucht: Arturo Pérez-Reverte, einer der erfolgreichsten Schriftsteller Spaniens, gilt als Großmeister rasanter Historienschinken und Schöpfer zahlloser Mantel-und Degen-Romane. In seinem Roman "Dreimal im Leben" wagt er sich ins zwanzigste Jahrhundert und an einen Liebesroman.

Es treten unter anderem schwungvoll auf: Gentleman-Diebe und Tango-Tänzer, Faschistenfieslinge und Femmes fatales, Schachgenies und Hochstapler, Multimillionäre und Lumpenpack, Kokainschnupfer und Marihuanaraucher, Fremdenlegionäre und Bürgerkriegsflüchtlinge, Spione und Gegenspione, Sadisten und Masochisten, leichte Mädchen und schwere Jungs, Liebestrunkene und Liebesverweigerer.

Es geht um Sehnsucht und Verlangen, Treue und Verrat, Gruppensex und Zärtlichkeit, jugendlichen Leichtsinn und milde Altersweisheit. Das Ganze spielt auf Ozeandampfern und Luxuspromenaden, in Opiumhöhlen und Grandhotels, inmitten der besten und der übelsten Gesellschaft. Und die Kulissen sind auch noch an drei mondänen Orten in drei verschiedenen Epochen mit aller Liebe zu Detail und Dekor aufgebaut. All das kommt schnell zusammen, wenn Arturo Pérez-Reverte, einer der erfolgreichsten Schriftsteller Spaniens, Großmeister rasanter Historienschinken, Schöpfer zahlloser Mantel-und Degen-Romane, Vater des ehrenwerten Abenteurers Diego Alatriste aus dem Goldenen Zeitalter, sich ins zwanzigste Jahrhundert vorwagt und einen Liebesroman schreibt, in dem zumindest metaphorisch die Mäntel verwegen wehen und sich die Degen klirrend kreuzen.

Dreimal im Leben begegnen sich Max und Mercedes, und jedes Mal sind es Momente der Schicksalhaftigkeit. Im Winter 1929 reisen beide auf einem Schiff nach Buenos Aires. Max ist Eintänzer mit zweifelhaftem Vorleben, im Nebenberuf Witwentröster und Juwelendieb, ein Filou aus der Gosse, dessen Eleganz und Geschmeidigkeit ihn in Hautkontakt mit den Schönen und Reichen bringt. Mercedes ist eine wunderschöne, schwerreiche Tochter von umwerfender Anmut, die mit ihrem Mann, einem berühmten spanischen Komponisten, an Bord ist. Max und Mercedes umkreisen sich erst vorsichtig, dann immer intensiver, ziehen durch die Tango-Kaschemmen in den zwielichtigen Vierteln von Buenos Aires, verlieben sich rettungslos und verbringen schließlich eine rauschhafte Nacht miteinander. 1937 begegnen sich die beiden in Nizza wieder, in einem schillernden Kosmos, der prall gefüllt ist mit Europas Oberen Zehntausend und bettelarmen Flüchtlingen aus dem bürgerkriegserschütterten Spanien. Hier buhlen Republikaner und Franquisten gleichermaßen um Max und wollen sich seiner Diebeskünste bedienen.

Wieder kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung mit Mercedes, wieder ist sie kurz und stürmisch, wieder hinterlässt sie einen Seelenabdruck, der nie mehr verschwindet. Neunundzwanzig Jahre später kommt es zu einer letzten Begegnung in Sorrent am Golf von Neapel. Max ist inzwischen eine halbverkrachte Existenz, arbeitet als Chauffeur für einen reichen Schweizer Arzt, hat sein Vermögen verspielt, wird noch einmal zum Hochstapler und für seine geliebte Mercedes zum honorigen Dieb. Und dann folgt das Happy End oder auch nicht.

Selbst fünfhundert Seiten sind für soviel Stoff und so viel Personal nicht üppig bemessen. Deswegen gibt Pérez-Reverte vom ersten Satz an Gas, schlägt ein derart fulminantes Erzähltempo an, als säße ihm der Leibhaftige im Nacken, und vergisst glücklicherweise nicht, seine Leser vom ersten Moment an fest umklammert mit auf die Reise zu nehmen. Die Gegenwart des Jahres 1966 und die beiden Vergangenheitsebenen verzahnt er in schnellen Gegenschnitten, meist erfolgt der Zeitsprung schon nach einer Handvoll Absätze, wobei konsequent Präsens und Imperfekt für die jeweiligen Ebenen benutzt werden. Dieses erzählerische Pingpongspiel in Hochgeschwindigkeit geht allerdings ein wenig auf Kosten von Atempausen, die man für eine tiefere Beschäftigung mit der Epoche und den Figuren hätte nutzen können.

Vor allem die Protagonisten sausen so flott durch die Geschichte, dass sie manchmal schemenhaft bleiben. Andererseits nimmt sich Arturo Pérez-Reverte immer die Muße, mit einer Detailliebe an der Grenze zur Pedanterie Lokalkolorit, Dekoration und Requisiten seiner Geschichte zu schildern - von Zigarettenetuis über Seidenschals und Perlenketten bis hin zur Garderobe seiner Figuren, die mit einer akribischen, sonst nur von Modezeitschriften bekannten Ausführlichkeit gewürdigt wird.

Doch für diese Asymmetrie entschädigt die Sprache, die sich durch dieselbe gefällige Eleganz auszeichnet, die auch der Eintänzer Max bei seiner Arbeit an den Tag legt. Das Buch liest sich - und das ist ein Kompliment in unseren komplizierten Zeiten - schnell und reibungslos, man gleitet gleichsam durch den Text, stößt nirgendwo an, muss keine sprachlichen Widerhaken oder syntaktische Fallgruben fürchten und nimmt es dann auch gerne hin, dass Pérez-Reverte stilistisch bisweilen an die Grenzen seiner Kunst stößt - etwa bei den Passagen garantiert jugendfreier Erotik. Bei einem Tango-Tänzchen in Buenos Aires zum Beispiel schwenken die Frauen "die Hüften wie in einem halbherzigen Fluchtversuch, während sie ein Bein außen und innen an den Schenkeln des Mannes entlanggleiten ließen. Extrem sinnlich."

Eine extrem sinnliche Sprache klingt anders und würde Arturo Pérez-Reverte auch gar nicht ins Konzept passen. Denn er will nicht nur als Sprachstilist, sondern auch als Erzähler so professionell sein wie der Salontänzer Max, virtuos zwar, doch in seinen Emotionen immer gezügelt. Und so wie dieser jeden Schritt, jede Drehung, jeden Rhythmuswechsel perfekt beherrscht, macht auch Pérez-Reverte so gut wie keine Fehler, erlaubt sich kaum eine Länge, hält den Erzählfaden immer fest in der Hand, verliert weder seine Leser noch sein Personal jemals aus dem Blick.

Selbst populäres Allgemeinwissen streut er in genau der richtigen Dosierung in den Text, weder schulmeisterlich enzyklopädisch noch versnobt verkürzt - etwa über Ursprung und Entwicklung des Tangos vom Tanz der Bordelle zum gesellschaftlichen Ereignis, über Strategien und Winkelzüge des Schachspiels oder über Francos faschistische Handlanger aus der Welt der Großfinanz.

Arturo Pérez-Reverte ist ein Perfektionist, kein Genie, ein Schriftsteller im Dienst der Leser, ein Mann, der sein Handwerk versteht. Und so ist ihm mit diesem Buch Unterhaltungsliteratur im besten Sinn gelungen, bei der man sich selbst nach fünfhundert Seiten nicht erschöpft und ermüdet von so viel Liebes-Mantel-Degen-Geflatter fühlt, sondern gar nichts dagegen hätte, wenn es auch noch zu einer vierten Begegnung von Max und Mercedes käme.

JAKOB STROBEL Y SERRA

Arturo

Pérez-Reverte: "Dreimal im

Leben". Roman.

Insel Verlag, Berlin 2013. 525 S., geb., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr