Der Stein eines Schamanen lässt sein Lied in der Wüste Gobi erklingen. Tibetische Gebetsfahnen an einem heiligen Stein am Nam Co flattern im Wind und schicken Gebete in den blauen Himmel. Piktogramme an Felsen im amerikanischen Su dwesten, in Afrika, Australien und Asien bezeugen die enge Verbindung des Menschen mit der spirituellen Welt. Naturfelsen ragen an ihren jeweiligen Standorten majestätisch in den Himmel. 30 Jahre lang wanderte Elaine Ling durch Wüsten, Canyons und Dschungel und erforschte die Mythologie von Steinen. Vier Kontinente bereiste sie mit einem ausgeprägten kulturellen Feingefühl, das sie ihrer ostasiatischen Herkunft und den Philosophien des Westens, wo sie seit dem Alter von neun Jahren lebt und Medizin studiert hat, zu verdanken hat. Wir schreiben Steinen eine gewisse Beständigkeit zu. Aber ihr Fortbestand wird von den Erosionen der Natur und der Zerstörungskraft unserer Kriege bedroht. Dieses Buch bietet eine atemberaubende und einzigartige Darstellung vonnatürlichen und historischen Steinen aus der ganzen Welt.
Die vielfach ausgestellten und veröffentlichten Fotografien von Elaine Ling sind Bestandteil der ständigen Sammlungen zahlreicher Museen und Privatsammlungen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.12.2015Wenn Steine um die Wette laufen
Im Jahr 2014 wurde das jahrzehntelange Rätsel der wandernden Steine im Tal des Todes gelöst: Regnet es in der kalten Nacht im amerikanischen Death Valley, gefriert der Wüstenboden. Morgens taut die dünne Eisschicht, zersplittert und wird vom Wind verweht. Das versetzt auch umherliegende Steine in Bewegung. Eliane Ling wusste das noch nicht, als sie 1995 dort war, und vielleicht wäre es ihr auch egal gewesen. Sie fotografierte einfach in der Hitze des Tages zwei kleine Felsbrocken, die auf der dörren Erde jeweils eine Schleifspur hinterlassen, gerade so wie Schildkröten, die über einen Strand der rettenden Brandung entgegenstreben. Der eine Stein war schneller als der andere, ihre Wege scheinen sich zu trennen. Wo mögen sie heute sein? Zum Bild gibt es kein Wort der Erklärung. Und bei den "Captions", den näheren Angaben, stehen nur Seite, Ort und Jahr. Die Details zu den mehr als hundert Fotografien in diesem Bildband passen auf eine Seite. Der Fotografin ist es offenbar nicht wichtig, objektive Fakten zu liefern. Im Zeitalter von Internet und Apps, die einem alles erklären, noch ehe die eigene Wahrnehmung anspringt und die Phantasie auf Reisen geht, wirkt das wie eine in Vergessenheit geratende Fähigkeit. Wohltuend verlangsamend. Ling, die in Hongkong aufwuchs und seit langem in Kanada lebt, hat sich selbst dreißig Jahre Zeit genommen, um Steine und Felsen, von der Natur oder von Menschenhand geformt, überall auf der Welt aufzuspüren. Sie sehen aus wie gefrorene Meereswogen (Australien), ragen als verwitterte Riesenköpfe aus einem Königsgrab (Türkei), sind vor langer Zeit von Menschen mit Malereien und Gravuren versehen worden oder dienen, wie eine zerbröselnde Pagode in Burma, als Vase für einen Baum, dessen Krone lustig daraus hervorwippt. Alle Motive sind schwarzweiß, was die Reduktion auf das Wesentliche noch verstärkt. Die Steine biedern sich nicht an, sind nicht einmal ins rechte Licht gerückt, sie sind einfach da. Und irgendwann vielleicht nicht mehr, ob durch Erosion oder Kriege. Dann bleibt mit diesem Buch die Erinnerung an die Steine und daran, dass nichts bleibt, wie es ist - auch die Technik nicht. Elaine Ling hat mit Polaroid-Type-55-Negativen gearbeitet. Die gibt es schon jetzt nicht mehr.
rea
"Talking Stones" von Elaine Ling. Kehrer Verlag, Heidelberg 2015. 144 Seiten, 114 Schwarzweißfotografien. Gebunden, 48 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Im Jahr 2014 wurde das jahrzehntelange Rätsel der wandernden Steine im Tal des Todes gelöst: Regnet es in der kalten Nacht im amerikanischen Death Valley, gefriert der Wüstenboden. Morgens taut die dünne Eisschicht, zersplittert und wird vom Wind verweht. Das versetzt auch umherliegende Steine in Bewegung. Eliane Ling wusste das noch nicht, als sie 1995 dort war, und vielleicht wäre es ihr auch egal gewesen. Sie fotografierte einfach in der Hitze des Tages zwei kleine Felsbrocken, die auf der dörren Erde jeweils eine Schleifspur hinterlassen, gerade so wie Schildkröten, die über einen Strand der rettenden Brandung entgegenstreben. Der eine Stein war schneller als der andere, ihre Wege scheinen sich zu trennen. Wo mögen sie heute sein? Zum Bild gibt es kein Wort der Erklärung. Und bei den "Captions", den näheren Angaben, stehen nur Seite, Ort und Jahr. Die Details zu den mehr als hundert Fotografien in diesem Bildband passen auf eine Seite. Der Fotografin ist es offenbar nicht wichtig, objektive Fakten zu liefern. Im Zeitalter von Internet und Apps, die einem alles erklären, noch ehe die eigene Wahrnehmung anspringt und die Phantasie auf Reisen geht, wirkt das wie eine in Vergessenheit geratende Fähigkeit. Wohltuend verlangsamend. Ling, die in Hongkong aufwuchs und seit langem in Kanada lebt, hat sich selbst dreißig Jahre Zeit genommen, um Steine und Felsen, von der Natur oder von Menschenhand geformt, überall auf der Welt aufzuspüren. Sie sehen aus wie gefrorene Meereswogen (Australien), ragen als verwitterte Riesenköpfe aus einem Königsgrab (Türkei), sind vor langer Zeit von Menschen mit Malereien und Gravuren versehen worden oder dienen, wie eine zerbröselnde Pagode in Burma, als Vase für einen Baum, dessen Krone lustig daraus hervorwippt. Alle Motive sind schwarzweiß, was die Reduktion auf das Wesentliche noch verstärkt. Die Steine biedern sich nicht an, sind nicht einmal ins rechte Licht gerückt, sie sind einfach da. Und irgendwann vielleicht nicht mehr, ob durch Erosion oder Kriege. Dann bleibt mit diesem Buch die Erinnerung an die Steine und daran, dass nichts bleibt, wie es ist - auch die Technik nicht. Elaine Ling hat mit Polaroid-Type-55-Negativen gearbeitet. Die gibt es schon jetzt nicht mehr.
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"Talking Stones" von Elaine Ling. Kehrer Verlag, Heidelberg 2015. 144 Seiten, 114 Schwarzweißfotografien. Gebunden, 48 Euro.
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