Wasser, Feuer, Erde, Luft - die Urprinzipien der Welt. Vier Elemente, aus denen jedes Sein besteht. Franz Josef Czernin macht diese mythischen Urkategorien der Elemente nicht nur zum Thema seines Sonettenzyklus, sie prägen die Gedichte auch in ihrer Form. Die Sprache ist von Element-Metaphern wie "ganz Feuer und Flamme" oder "Du bist Luft für mich" durchsetzt und weist mit ihrer Bildhaftigkeit darauf hin, wie tief die Elemente in die Natur der Sprache reichen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.12.2002Ohrenzeuge der Schöpfung
Franz Josef Czernins Gedichtband „elemente, sonette”
Es gibt Gedichte, die den Leser ratlos machen, die ihn schimpfen und fluchen lassen, um ihm schon im nächsten Moment die Worte zu rauben. Und bisweilen kann es eine Sisyphosarbeit sein, sich durch Sprachfelder zu kämpfen, die sich dem alltäglichen Verständnis so ganz und gar entziehen. Manchmal allerdings geschieht etwas Eigenartiges mit den Versen: sie kehren wieder, hallen nach. Und dort, im Klangraum des Kopfes, zeigen sie erst eigentlich, was sie sind, entfalten ihr Spiel mit Lauten, Rhythmen und Wörtern, springen und tönen, als ginge es ums Ganze. Zu diesen Gedichten gehören die Sonette Franz Josef Czernins.
Bei einem Schriftsteller, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Geschäft der Poesie systematisch und enzyklopädisch zu betreiben, sind Dichtung und die Erforschung ihrer Voraussetzungen untrennbar verbunden. Stets hat Franz Josef Czernin die literarische Tradition und die gegenwärtige Sprachlandschaft kommentiert. Er hat sich über Kafka und Musil ausgelassen und an der Hand von Ferdinand Schmatz den renommierten Residenz Verlag mit bewusst schlecht geschriebenen Gedichten genarrt, er hat die Lyrik Durs Grünbeins in ihre Einzelteile zerlegt und in einem eigenen Buch die Lektüreweisen Marcel Reich-Ranickis hinterfragt. Schon daran, dass Czernin diese literaturkritischen Arbeiten ihrerseits als Literatur versteht, zeigt sich, wie sehr sein vor gut zwanzig Jahren begonnenes Universalprojekt einer „kunst des dichtens” den Überlegungen der Frühromantik verpflichtet ist.
Auch die eigene Poesie hat der österreichische Autor fortwährend dem analytischen Blick ausgesetzt – und vielleicht ist manches Detail seiner Dichtkunst erst vor dem Hintergrund der poetologischen Äußerungen angemessen zu verorten. In seinem neuen Lyrikband „elemente, sonette” greift er in einem Nachwort auf die Prinzipienlehre des Empedokles zurück, um sein Schreiben zu erklären. Die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft, die Czernin dort in trockener Diktion beschwört, siedeln nah an Mythos und Metaphysik. So nimmt es nicht Wunder, dass sich die großen Dichter der Moderne, d’Annunzio etwa oder Rilke, von diesen schöpferischen Prinzipien begeistern ließen: „Als ob die Elemente Orte darstellten, von denen aus sich das Mythische und das Philosophische oder das Anschauliche und das Theoretische als Momente einer sie umfassenden poetischen Erkenntnis darstellen könnten”.
Wörtlich einzufleischen
Was Czernin selbst vorschwebt, ist eine Poesie, in der jedes Moment „ein sowohl symbolischer als auch stofflicher Prozess” wäre. Noch im kleinsten Staubkorn des Gedichts könnte sich dann ein Prinzip wie das der Erde verkörpern, während das Stäubchen gleichzeitig in diesem Prinzip aufgehoben wäre. Im Grunde ist dies nichts anderes als die Zuspitzung jener Vorstellung, die Czernins Schreiben von Beginn an bestimmt hat. Schon in seinem ersten Gedichtband „ossa und pelion” aus dem Jahr 1979 sprechen die Verse von der Überzeugung, zwischen einer wörtlichen und einer bildlichen Redeweise könne im Gedicht gar nicht ohne weiteres unterschieden werden, vielmehr ähnelten die Wörter mehrfach aufgeladenen Materialien, die im Idealfall eine eigene, neue Art von Wirklichkeit erzeugten.
Wer den kalten Kosmos der Czerninschen Reflexionen durchwandert hat, den wird nicht minder frösteln, wenn er die Schematik sieht, mit der die fast 130 Sonette gleichmäßig den vier Elementen zugeordnet sind. Czernin hält das ursprüngliche Strophenmuster des Sonetts, von zwei, drei Shakespeareschen Varianten abgesehen, konsequent durch. Erhaben wie eine Welt der Ideen mutet das an, aber auch abstrakt und fern wie ein solches philosophisches Konstrukt. Die streng arbeitende Hand ist den Verben der Gedichte anzusehen. Über Partizipien, Umstellungen und reflexive Formen spannt Czernin eine Syntax auf, die den Versen einen sachlichen, manchmal gar archaischen Tonfall verleiht. Statt eines lyrischen Ich finden sich stets Bezugsgeflechte mehrerer Perspektiven, „es”, „wir”, „ihr”, „ich” und „du” treten zu schwebenden Konstellationen zusammen, die aufgelöst und neu organisiert werden können: „auf flächen, tisch gebracht, wir sind jetzt aufgedeckt / einander; dass hier jeder krümel förmlich gleicht / dem ganzen leib, ich uns bereite, da uns schmeckt, / zeug wörtlich einzufleischen, das sich festlich reicht”.
Klare Bedeutungen gibt es in Franz Josef Czernins lyrischer Elementarkunde nicht. Der österreichische Autor ist auch ein Kind der konkreten Poesie. Freilich kappt er nicht alle Verbindungen zu einer Welt des Sinns. Ganz im Einklang mit der empedokleischen Lehre inszenieren die Verse Schöpfungsprozesse und Verwandlungen. Die grundsätzliche Vieldeutigkeit der Sonette ist vor allem Czernins sprachlichen Verfahren zu verdanken. Und am liebsten baut er Redewendungen in die Verse ein, verfremdet sie oder schleift sie zu. So kann aus Idiomen wie „jemanden leimen” und „sich das Maul zerreißen” ein poetisches Gewebe werden, in dem die Grenzen zwischen wörtlichem und bildlichem Sprechen verschwimmen: „euch sack voll knochen krumm vernagelnd, mir verpasse / glieder unmäßig, wie ich dürftig, faul, in stümpfen / mich teil mit euch; geleimt, geschraubt, mir selbst zur last, / zusammenflick euch maul, zerreiss in wie viel rümpfen”. Mosaikartig strahlen die Wörter nach allen Seiten hin aus und entfalten eine assoziative Kraft, die an den Sprachzauber des Barock ebenso erinnert wie an die feinen Zitatnetze eines Jean Paul.
Ein ungeheurer Anspruch steht hinter diesen Gedichten, ein Wille zu Form und Vollständigkeit, der sich exemplarisch im Umgang mit der Sonettform zeigt. Czernin hält das gewählte Versmaß – meist sind es sechshebige Jamben – über alle Texte hinweg so eisern durch, dass zuweilen der alte Verdacht aufblitzen mag, hinter dem Sonett stecke nichts weiter als eine zahlenlogische Spielerei. Doch trotz der formalen Härte schafft es Czernin immer wieder, kunstvoll die Reime zu variieren und den Versen rhythmische Schläge oder Verzögerungen abzugewinnen, die sich auf wundersame Weise mit seiner Sprache verbinden.
Und gerade jene Sprache entschädigt für viele der Mühen, die eine Lektüre der Sonette zweifellos verlangt. Czernin sammelt schillernde Wörter zu den vier Elementen, und er stöbert nicht nur in den poetischen Wortspeichern des Erhabenen, sondern baut auch den Slang, die gegrölte oder geflüsterte Sprache der Straße, in seine Verse ein. „stunk” und „dreck” schlagen dem Leser entgegen, es „krümmt und wurmt” sich ein ums andere Mal. Und weil die Gedichte eine strikte Trennung zwischen einfacher und übertragener Rede nicht kennen, sprechen sie klingend und springend fortwährend von sich selber, vom zitternden, staubigen Bau der Poesie oder vom Fließen und Sprudeln der Sprachquellen, vom Brennen und Blitzen der Wörter oder vom luftigen Schleier der Verse.
Dies ist vielleicht das eigentlich Überraschende an der Czerninschen Lyrik: sie entfaltet eine intensive Art von Sinnlichkeit, schwingt und tönt, dass der Leser tatsächlich zum „augen-, ohrenzeugen” werden kann. So wie einst Rudolf Borchardt, den Czernin in einigen Motti sprechen lässt, mit seiner Übertragung der Danteschen Komödie zu einer eigenen, rauhen, gleichermaßen künstlichen wie authentischen Sprache gefunden hat, so entdeckt Franz Josef Czernin auf den Spuren der Vorsokratiker einen eigentümlich atmosphärischen, mal ruppigen, mal sanften Ton der Elemente, in dem sich Archaik und Modernität verbinden.
„Ich stelle mir vor, dass Literatur die Expedition in eine Gegend ist, in der ich noch nicht war”, hat Franz Josef Czernin einmal gesagt. Mit seiner poetischen Elementarlehre hat er ein großes Stück Niemandsland erkundet. NICO BLEUTGE
FRANZ JOSEF CZERNIN: elemente, sonette. Hanser Verlag, München 2002. 160 Seiten, 17,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Franz Josef Czernins Gedichtband „elemente, sonette”
Es gibt Gedichte, die den Leser ratlos machen, die ihn schimpfen und fluchen lassen, um ihm schon im nächsten Moment die Worte zu rauben. Und bisweilen kann es eine Sisyphosarbeit sein, sich durch Sprachfelder zu kämpfen, die sich dem alltäglichen Verständnis so ganz und gar entziehen. Manchmal allerdings geschieht etwas Eigenartiges mit den Versen: sie kehren wieder, hallen nach. Und dort, im Klangraum des Kopfes, zeigen sie erst eigentlich, was sie sind, entfalten ihr Spiel mit Lauten, Rhythmen und Wörtern, springen und tönen, als ginge es ums Ganze. Zu diesen Gedichten gehören die Sonette Franz Josef Czernins.
Bei einem Schriftsteller, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Geschäft der Poesie systematisch und enzyklopädisch zu betreiben, sind Dichtung und die Erforschung ihrer Voraussetzungen untrennbar verbunden. Stets hat Franz Josef Czernin die literarische Tradition und die gegenwärtige Sprachlandschaft kommentiert. Er hat sich über Kafka und Musil ausgelassen und an der Hand von Ferdinand Schmatz den renommierten Residenz Verlag mit bewusst schlecht geschriebenen Gedichten genarrt, er hat die Lyrik Durs Grünbeins in ihre Einzelteile zerlegt und in einem eigenen Buch die Lektüreweisen Marcel Reich-Ranickis hinterfragt. Schon daran, dass Czernin diese literaturkritischen Arbeiten ihrerseits als Literatur versteht, zeigt sich, wie sehr sein vor gut zwanzig Jahren begonnenes Universalprojekt einer „kunst des dichtens” den Überlegungen der Frühromantik verpflichtet ist.
Auch die eigene Poesie hat der österreichische Autor fortwährend dem analytischen Blick ausgesetzt – und vielleicht ist manches Detail seiner Dichtkunst erst vor dem Hintergrund der poetologischen Äußerungen angemessen zu verorten. In seinem neuen Lyrikband „elemente, sonette” greift er in einem Nachwort auf die Prinzipienlehre des Empedokles zurück, um sein Schreiben zu erklären. Die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft, die Czernin dort in trockener Diktion beschwört, siedeln nah an Mythos und Metaphysik. So nimmt es nicht Wunder, dass sich die großen Dichter der Moderne, d’Annunzio etwa oder Rilke, von diesen schöpferischen Prinzipien begeistern ließen: „Als ob die Elemente Orte darstellten, von denen aus sich das Mythische und das Philosophische oder das Anschauliche und das Theoretische als Momente einer sie umfassenden poetischen Erkenntnis darstellen könnten”.
Wörtlich einzufleischen
Was Czernin selbst vorschwebt, ist eine Poesie, in der jedes Moment „ein sowohl symbolischer als auch stofflicher Prozess” wäre. Noch im kleinsten Staubkorn des Gedichts könnte sich dann ein Prinzip wie das der Erde verkörpern, während das Stäubchen gleichzeitig in diesem Prinzip aufgehoben wäre. Im Grunde ist dies nichts anderes als die Zuspitzung jener Vorstellung, die Czernins Schreiben von Beginn an bestimmt hat. Schon in seinem ersten Gedichtband „ossa und pelion” aus dem Jahr 1979 sprechen die Verse von der Überzeugung, zwischen einer wörtlichen und einer bildlichen Redeweise könne im Gedicht gar nicht ohne weiteres unterschieden werden, vielmehr ähnelten die Wörter mehrfach aufgeladenen Materialien, die im Idealfall eine eigene, neue Art von Wirklichkeit erzeugten.
Wer den kalten Kosmos der Czerninschen Reflexionen durchwandert hat, den wird nicht minder frösteln, wenn er die Schematik sieht, mit der die fast 130 Sonette gleichmäßig den vier Elementen zugeordnet sind. Czernin hält das ursprüngliche Strophenmuster des Sonetts, von zwei, drei Shakespeareschen Varianten abgesehen, konsequent durch. Erhaben wie eine Welt der Ideen mutet das an, aber auch abstrakt und fern wie ein solches philosophisches Konstrukt. Die streng arbeitende Hand ist den Verben der Gedichte anzusehen. Über Partizipien, Umstellungen und reflexive Formen spannt Czernin eine Syntax auf, die den Versen einen sachlichen, manchmal gar archaischen Tonfall verleiht. Statt eines lyrischen Ich finden sich stets Bezugsgeflechte mehrerer Perspektiven, „es”, „wir”, „ihr”, „ich” und „du” treten zu schwebenden Konstellationen zusammen, die aufgelöst und neu organisiert werden können: „auf flächen, tisch gebracht, wir sind jetzt aufgedeckt / einander; dass hier jeder krümel förmlich gleicht / dem ganzen leib, ich uns bereite, da uns schmeckt, / zeug wörtlich einzufleischen, das sich festlich reicht”.
Klare Bedeutungen gibt es in Franz Josef Czernins lyrischer Elementarkunde nicht. Der österreichische Autor ist auch ein Kind der konkreten Poesie. Freilich kappt er nicht alle Verbindungen zu einer Welt des Sinns. Ganz im Einklang mit der empedokleischen Lehre inszenieren die Verse Schöpfungsprozesse und Verwandlungen. Die grundsätzliche Vieldeutigkeit der Sonette ist vor allem Czernins sprachlichen Verfahren zu verdanken. Und am liebsten baut er Redewendungen in die Verse ein, verfremdet sie oder schleift sie zu. So kann aus Idiomen wie „jemanden leimen” und „sich das Maul zerreißen” ein poetisches Gewebe werden, in dem die Grenzen zwischen wörtlichem und bildlichem Sprechen verschwimmen: „euch sack voll knochen krumm vernagelnd, mir verpasse / glieder unmäßig, wie ich dürftig, faul, in stümpfen / mich teil mit euch; geleimt, geschraubt, mir selbst zur last, / zusammenflick euch maul, zerreiss in wie viel rümpfen”. Mosaikartig strahlen die Wörter nach allen Seiten hin aus und entfalten eine assoziative Kraft, die an den Sprachzauber des Barock ebenso erinnert wie an die feinen Zitatnetze eines Jean Paul.
Ein ungeheurer Anspruch steht hinter diesen Gedichten, ein Wille zu Form und Vollständigkeit, der sich exemplarisch im Umgang mit der Sonettform zeigt. Czernin hält das gewählte Versmaß – meist sind es sechshebige Jamben – über alle Texte hinweg so eisern durch, dass zuweilen der alte Verdacht aufblitzen mag, hinter dem Sonett stecke nichts weiter als eine zahlenlogische Spielerei. Doch trotz der formalen Härte schafft es Czernin immer wieder, kunstvoll die Reime zu variieren und den Versen rhythmische Schläge oder Verzögerungen abzugewinnen, die sich auf wundersame Weise mit seiner Sprache verbinden.
Und gerade jene Sprache entschädigt für viele der Mühen, die eine Lektüre der Sonette zweifellos verlangt. Czernin sammelt schillernde Wörter zu den vier Elementen, und er stöbert nicht nur in den poetischen Wortspeichern des Erhabenen, sondern baut auch den Slang, die gegrölte oder geflüsterte Sprache der Straße, in seine Verse ein. „stunk” und „dreck” schlagen dem Leser entgegen, es „krümmt und wurmt” sich ein ums andere Mal. Und weil die Gedichte eine strikte Trennung zwischen einfacher und übertragener Rede nicht kennen, sprechen sie klingend und springend fortwährend von sich selber, vom zitternden, staubigen Bau der Poesie oder vom Fließen und Sprudeln der Sprachquellen, vom Brennen und Blitzen der Wörter oder vom luftigen Schleier der Verse.
Dies ist vielleicht das eigentlich Überraschende an der Czerninschen Lyrik: sie entfaltet eine intensive Art von Sinnlichkeit, schwingt und tönt, dass der Leser tatsächlich zum „augen-, ohrenzeugen” werden kann. So wie einst Rudolf Borchardt, den Czernin in einigen Motti sprechen lässt, mit seiner Übertragung der Danteschen Komödie zu einer eigenen, rauhen, gleichermaßen künstlichen wie authentischen Sprache gefunden hat, so entdeckt Franz Josef Czernin auf den Spuren der Vorsokratiker einen eigentümlich atmosphärischen, mal ruppigen, mal sanften Ton der Elemente, in dem sich Archaik und Modernität verbinden.
„Ich stelle mir vor, dass Literatur die Expedition in eine Gegend ist, in der ich noch nicht war”, hat Franz Josef Czernin einmal gesagt. Mit seiner poetischen Elementarlehre hat er ein großes Stück Niemandsland erkundet. NICO BLEUTGE
FRANZ JOSEF CZERNIN: elemente, sonette. Hanser Verlag, München 2002. 160 Seiten, 17,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2002In alle Wolken gefallen
Worte, wortwörtlich genommen: Franz Josef Czernins Gedichte
Ein moderner Dichter, der nicht aufs Ganze geht, hat seinen Beruf verfehlt. Für Beschreibung und Analyse ist Prosa zuständig, für Stimmungen sorgen Pop-Poeten und Werbetexter, und so bleibt für Lyrik eine Aufgabe, die an Sprachphilosophie grenzt: darzustellen, wie aus den Interferenzen von Wörtern und Gegenständen Wirklichkeit entsteht. Im geglückten poetischen Prozeß läßt sich punktuell der Zusammenhang der Welt als Ganze erfahren. Vertrackterweise ist das fertige Gedicht seinerseits ein ontologischer Zwitter: Gegenstand der Außenwelt, an dem wir Wahrnehmungen machen, und inneres Sprachgeschehen. Das Gedicht, ob es will oder nicht, gehört selbst zum Weltzusammenhang, den es doch erhellen wollte.
Lyriker wie Paul Celan oder Octavio Paz haben die entsprechenden semiotischen Theorien explizit in ihre Gedichte integriert. Franz Josef Czernin, der mit sprachanalytischer Philosophie wohlvertraut ist, kehrt den Blick um. Nicht bloß unser Zeichengebrauch verheddert sich in den Gegenständen, sondern auch der Weltzusammenhang verfängt sich - unser Glück! - in der Sprache. Das klingt metaphysisch, aber jedes Kind muß Metaphysik üben, sobald es die Augen öffnet: Holz verbrennt, Wasser verdunstet, Regen fällt aus der Luft, Schlamm wird zu Ton gebrannt - alles geht ineinander über, und die Konstanten sind schwer erkennbar. Das bis in die frühe Neuzeit hinein wirksame und erst spät durch die chemischen Elemente und jüngst durch den subatomaren Teilchenzoo abgelöste Ordnungssystem der Welt ist dasjenige des Vorsokratikers Empedokles, dessen vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft als Wurzelstränge die Welt in ihren verschiedenen Zuständen durchgängig konstituieren.
Ist aber schon Empedokles' Philosophie alles andere als eine Kinder-Metaphysik, so hat Czernin den Aspekt entdeckt, der die Elemente zum Zündstoff seiner Dichtung macht: Sie sind allgegenwärtig in unserer Sprache. Rede ist flüssig, wir brennen auf etwas, Mienen versteinern, Windiges kommt uns in den Sinn: Die stofflichen Prinzipien der Außenwelt sind das häufigste Deutungsmuster unseres Inneren. Und nicht von ungefähr werden die Zustände der Elemente bei Empedokles durch zwei Kräfte bestimmt, die seit je Herz, Hirn und Zunge der Dichter bewegen: Liebe und Streit.
Czernin führt in 129 Sonetten, zyklisch um die vier Elemente geordnet, die deutsche Sprache und den Menschen in seiner leibhaften Geistigkeit durch einen Prozeß "elementarer" Übertragungen zwischen Himmel und Hölle. Krude Körperlichkeit "verpißt sich, verduftet, geht flöten, verpufft" - oder wird zu einem "honiglecken" und "aus den fingern saugen". Der Körper, "dies eingefleischte kleid", behaftet mit allen Konnotationen der biblischen Schöpfung des Menschen aus dem Staub, vermag zu einem Träger erotischer und intellektueller Freuden zu werden. Bisweilen fallen positiver wie negativer Aspekt - Liebe und Streit - in eins. Das Pronomen "wir" läßt sich bei Czernin oft ebensogut auf das Menschengeschlecht wie auf ein Liebespaar beziehen.
Diese Ambivalenz wie auch das Versmaß des Alexandriners deuten auf den Ursprung von Czernins Kunst in der barocken Sonett-Tradition. Seine Sprache ist allerdings radikal modern: Verknappungen und Auslassungen führen zu einer verstörenden Fremdheit. Hat man aber erst erkannt, daß die Verbalform "siehst" eindeutig die zweite Person impliziert, kann das fehlende Pronomen, wie es etwa im Italienischen oder Lateinischen die Regel ist, leicht hinzugehört werden. Da viele Vorgänge zudem im unpersönlichen Reflexiv spielen, ist der Grund von Czernins abweichender Diktion rasch ersichtlich: Die elementaren Verwandlungen finden an und in Personen statt, diesseits und jenseits subjektiver Willkür. In den Facetten dieser fragmentierten und neu zusammengesetzten Sprache spiegelt sich, kunstvoll gebrochen, die Tradition deutscher Dichtung und antiker Mythen. In das "sonett, brunnen" ist die Kaskade der Brunnengedichte bis Rilke eingegangen, um neu aufgemischt zu werden: ". . . bis welche welle ausbricht, hochsteigt, ausgelassen / zusammenschlägt, dass (unter-, übergang!) im sprung / zu grund getaucht sind ganz; uns überflutend schemen / zu gliedern dergestalt sind bildsam; im entringen / selbst überschäumen, herzerweichend uns einnehmen, / ja, jüngst, im augenblick! wie wir uns jetzt entspringen, / selbst ausgebadet wasser reichen, überströmen, / doch leibhaft, fest aufs neu an all dies licht uns bringen!" Wer Ohren hat zu lesen, wird an dieser Verwandlung deutscher Phrasen in erotische Wortgischt erkennen, daß diese Dichtung nicht bloß aus Philosophie, sondern auch aus Sprachlust erwächst. Was, wie Nestroy und Wittgenstein zeigen, gut zusammenpaßt. Czernins Kunst besteht im Wörtlichnehmen von Worten und Wendungen, die sich in neuen Kontexten bewahrheiten. Wenn etwa die Phrase "aus allen Wolken fallen" im "sonett, auch mit narziss" beim Blick ins Wasser verkehrt wird zu "in alle wolken fallen", so läßt uns diese sprachliche Spiegelung selbstverliebte Reflexion - natürlich auch dichterische! - so unmittelbar einsehen, wie es keine Psychologie vermag.
Einige Gedichttitel verweisen auf Brentano, Heine und Peter Gan; Goethes Sonett "Die Zweifelnden. Die Liebenden" kehrt sogar in jedem der vier Elementzyklen in einer eigenen Übertragung wieder. Schlägt man die zitierten Texte nach, wird man verblüfft durch die Modernität der Tradition: Brentanos klingende Wortvereinzelung, Gans spielerische Tiefe und Goethes konstruktiven Witz liest man nach Czernin mit anderen Augen. Goethes Verse "Das Allerstarrste freudig aufzuschmelzen / Muß Liebesfeuer allgewaltig glühen" könnte sogar als Motto über dem ganzen Band stehen. Ähnliches gilt für die wiederholten Zitate aus Rudolf Borchardts Commedia-Übersetzung, in der alle grammatischen Kühnheiten von Czernins Sprache keimhaft angelegt sind. Borchardts gewaltsame Rückschöpfung eines mittelalterlichen Idioms zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wird unversehens wieder zum Avantgarde-Text. Analog dazu (wenn auch im Furor gemildert) treibt Czernins Dichten aus toten Bereichen der Sprache neue Anschaulichkeit hervor und artikuliert unsere intimsten Erfahrungen neu: Was Wörter wie "anhimmeln", "einräumen" oder "vorschweben" bedeuten, haben wir vor Czernins intellektueller Sprachmagie noch gar nicht gewußt. Die "elemente" sind gewiß nicht einfach zu lesen, aber wer nur ein bißchen Verstand investiert, gewinnt eine Summe gegenwärtiger Poesie. Die gedankliche Kohärenz und der sprachliche Witz dieses Ganzen - das natürlich noch lange nicht alles ist - wird Maß jeder künftigen Dichtung sein.
Wer die Hintergründe Czernins kennenlernen möchte, ohne sich durch ein mehr als zwanzig Bände und zahllose Aufsätze umfassendes Werk hindurchzulesen, der kann dies in dem gleichzeitig erschienenen Bändchen "Voraussetzungen" tun. Auf einen Dialog über "Dichtung und Wissenschaft" folgen zwei Gespräche mit Swedenborg, dem zum Geisterseher gewordenen Naturforscher des achtzehnten Jahrhunderts. Der Dichter übernimmt darin den Part der Rationalität und gestaltet so das Paradox, daß rationale und irrationale Weltdeutung prinzipiell als gleichwertig angesehen werden können - was freilich nur einen naiven Rationalisten überraschen könnte, nicht den abgeklärten Kenner von Engeln und Dämonen. In ganz anderes Territorium führt der Dialog über ein Gedicht aus Heimrad Bäckers Band "nachschrift", das aus nichts anderem besteht als dem Katalog der Reichsgesetzblätter zu Ausgrenzung und Vernichtung der Juden. Wer sich abseits von greller Polemik über die ästhetischen Bedingungen engagierter Kunst klarwerden möchte, wird in Czernins dialogischen Abwägungen verläßliche Kriterien finden. Denn der metaphysische Sprachartist Czernin verfügt über Urteil, Gewissen und Takt. Seine Dichtung setzt das Wissen des historischen Abgrunds voraus.
Franz Josef Czernin: "Voraussetzungen". Vier Dialoge. Literaturverlag Droschl, Graz und Wien 2002. 112 S., br., 12,- [Euro].
Franz Josef Czernin: "elemente, sonette". Hanser Verlag, München und Wien 2002. 160 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Worte, wortwörtlich genommen: Franz Josef Czernins Gedichte
Ein moderner Dichter, der nicht aufs Ganze geht, hat seinen Beruf verfehlt. Für Beschreibung und Analyse ist Prosa zuständig, für Stimmungen sorgen Pop-Poeten und Werbetexter, und so bleibt für Lyrik eine Aufgabe, die an Sprachphilosophie grenzt: darzustellen, wie aus den Interferenzen von Wörtern und Gegenständen Wirklichkeit entsteht. Im geglückten poetischen Prozeß läßt sich punktuell der Zusammenhang der Welt als Ganze erfahren. Vertrackterweise ist das fertige Gedicht seinerseits ein ontologischer Zwitter: Gegenstand der Außenwelt, an dem wir Wahrnehmungen machen, und inneres Sprachgeschehen. Das Gedicht, ob es will oder nicht, gehört selbst zum Weltzusammenhang, den es doch erhellen wollte.
Lyriker wie Paul Celan oder Octavio Paz haben die entsprechenden semiotischen Theorien explizit in ihre Gedichte integriert. Franz Josef Czernin, der mit sprachanalytischer Philosophie wohlvertraut ist, kehrt den Blick um. Nicht bloß unser Zeichengebrauch verheddert sich in den Gegenständen, sondern auch der Weltzusammenhang verfängt sich - unser Glück! - in der Sprache. Das klingt metaphysisch, aber jedes Kind muß Metaphysik üben, sobald es die Augen öffnet: Holz verbrennt, Wasser verdunstet, Regen fällt aus der Luft, Schlamm wird zu Ton gebrannt - alles geht ineinander über, und die Konstanten sind schwer erkennbar. Das bis in die frühe Neuzeit hinein wirksame und erst spät durch die chemischen Elemente und jüngst durch den subatomaren Teilchenzoo abgelöste Ordnungssystem der Welt ist dasjenige des Vorsokratikers Empedokles, dessen vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft als Wurzelstränge die Welt in ihren verschiedenen Zuständen durchgängig konstituieren.
Ist aber schon Empedokles' Philosophie alles andere als eine Kinder-Metaphysik, so hat Czernin den Aspekt entdeckt, der die Elemente zum Zündstoff seiner Dichtung macht: Sie sind allgegenwärtig in unserer Sprache. Rede ist flüssig, wir brennen auf etwas, Mienen versteinern, Windiges kommt uns in den Sinn: Die stofflichen Prinzipien der Außenwelt sind das häufigste Deutungsmuster unseres Inneren. Und nicht von ungefähr werden die Zustände der Elemente bei Empedokles durch zwei Kräfte bestimmt, die seit je Herz, Hirn und Zunge der Dichter bewegen: Liebe und Streit.
Czernin führt in 129 Sonetten, zyklisch um die vier Elemente geordnet, die deutsche Sprache und den Menschen in seiner leibhaften Geistigkeit durch einen Prozeß "elementarer" Übertragungen zwischen Himmel und Hölle. Krude Körperlichkeit "verpißt sich, verduftet, geht flöten, verpufft" - oder wird zu einem "honiglecken" und "aus den fingern saugen". Der Körper, "dies eingefleischte kleid", behaftet mit allen Konnotationen der biblischen Schöpfung des Menschen aus dem Staub, vermag zu einem Träger erotischer und intellektueller Freuden zu werden. Bisweilen fallen positiver wie negativer Aspekt - Liebe und Streit - in eins. Das Pronomen "wir" läßt sich bei Czernin oft ebensogut auf das Menschengeschlecht wie auf ein Liebespaar beziehen.
Diese Ambivalenz wie auch das Versmaß des Alexandriners deuten auf den Ursprung von Czernins Kunst in der barocken Sonett-Tradition. Seine Sprache ist allerdings radikal modern: Verknappungen und Auslassungen führen zu einer verstörenden Fremdheit. Hat man aber erst erkannt, daß die Verbalform "siehst" eindeutig die zweite Person impliziert, kann das fehlende Pronomen, wie es etwa im Italienischen oder Lateinischen die Regel ist, leicht hinzugehört werden. Da viele Vorgänge zudem im unpersönlichen Reflexiv spielen, ist der Grund von Czernins abweichender Diktion rasch ersichtlich: Die elementaren Verwandlungen finden an und in Personen statt, diesseits und jenseits subjektiver Willkür. In den Facetten dieser fragmentierten und neu zusammengesetzten Sprache spiegelt sich, kunstvoll gebrochen, die Tradition deutscher Dichtung und antiker Mythen. In das "sonett, brunnen" ist die Kaskade der Brunnengedichte bis Rilke eingegangen, um neu aufgemischt zu werden: ". . . bis welche welle ausbricht, hochsteigt, ausgelassen / zusammenschlägt, dass (unter-, übergang!) im sprung / zu grund getaucht sind ganz; uns überflutend schemen / zu gliedern dergestalt sind bildsam; im entringen / selbst überschäumen, herzerweichend uns einnehmen, / ja, jüngst, im augenblick! wie wir uns jetzt entspringen, / selbst ausgebadet wasser reichen, überströmen, / doch leibhaft, fest aufs neu an all dies licht uns bringen!" Wer Ohren hat zu lesen, wird an dieser Verwandlung deutscher Phrasen in erotische Wortgischt erkennen, daß diese Dichtung nicht bloß aus Philosophie, sondern auch aus Sprachlust erwächst. Was, wie Nestroy und Wittgenstein zeigen, gut zusammenpaßt. Czernins Kunst besteht im Wörtlichnehmen von Worten und Wendungen, die sich in neuen Kontexten bewahrheiten. Wenn etwa die Phrase "aus allen Wolken fallen" im "sonett, auch mit narziss" beim Blick ins Wasser verkehrt wird zu "in alle wolken fallen", so läßt uns diese sprachliche Spiegelung selbstverliebte Reflexion - natürlich auch dichterische! - so unmittelbar einsehen, wie es keine Psychologie vermag.
Einige Gedichttitel verweisen auf Brentano, Heine und Peter Gan; Goethes Sonett "Die Zweifelnden. Die Liebenden" kehrt sogar in jedem der vier Elementzyklen in einer eigenen Übertragung wieder. Schlägt man die zitierten Texte nach, wird man verblüfft durch die Modernität der Tradition: Brentanos klingende Wortvereinzelung, Gans spielerische Tiefe und Goethes konstruktiven Witz liest man nach Czernin mit anderen Augen. Goethes Verse "Das Allerstarrste freudig aufzuschmelzen / Muß Liebesfeuer allgewaltig glühen" könnte sogar als Motto über dem ganzen Band stehen. Ähnliches gilt für die wiederholten Zitate aus Rudolf Borchardts Commedia-Übersetzung, in der alle grammatischen Kühnheiten von Czernins Sprache keimhaft angelegt sind. Borchardts gewaltsame Rückschöpfung eines mittelalterlichen Idioms zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wird unversehens wieder zum Avantgarde-Text. Analog dazu (wenn auch im Furor gemildert) treibt Czernins Dichten aus toten Bereichen der Sprache neue Anschaulichkeit hervor und artikuliert unsere intimsten Erfahrungen neu: Was Wörter wie "anhimmeln", "einräumen" oder "vorschweben" bedeuten, haben wir vor Czernins intellektueller Sprachmagie noch gar nicht gewußt. Die "elemente" sind gewiß nicht einfach zu lesen, aber wer nur ein bißchen Verstand investiert, gewinnt eine Summe gegenwärtiger Poesie. Die gedankliche Kohärenz und der sprachliche Witz dieses Ganzen - das natürlich noch lange nicht alles ist - wird Maß jeder künftigen Dichtung sein.
Wer die Hintergründe Czernins kennenlernen möchte, ohne sich durch ein mehr als zwanzig Bände und zahllose Aufsätze umfassendes Werk hindurchzulesen, der kann dies in dem gleichzeitig erschienenen Bändchen "Voraussetzungen" tun. Auf einen Dialog über "Dichtung und Wissenschaft" folgen zwei Gespräche mit Swedenborg, dem zum Geisterseher gewordenen Naturforscher des achtzehnten Jahrhunderts. Der Dichter übernimmt darin den Part der Rationalität und gestaltet so das Paradox, daß rationale und irrationale Weltdeutung prinzipiell als gleichwertig angesehen werden können - was freilich nur einen naiven Rationalisten überraschen könnte, nicht den abgeklärten Kenner von Engeln und Dämonen. In ganz anderes Territorium führt der Dialog über ein Gedicht aus Heimrad Bäckers Band "nachschrift", das aus nichts anderem besteht als dem Katalog der Reichsgesetzblätter zu Ausgrenzung und Vernichtung der Juden. Wer sich abseits von greller Polemik über die ästhetischen Bedingungen engagierter Kunst klarwerden möchte, wird in Czernins dialogischen Abwägungen verläßliche Kriterien finden. Denn der metaphysische Sprachartist Czernin verfügt über Urteil, Gewissen und Takt. Seine Dichtung setzt das Wissen des historischen Abgrunds voraus.
Franz Josef Czernin: "Voraussetzungen". Vier Dialoge. Literaturverlag Droschl, Graz und Wien 2002. 112 S., br., 12,- [Euro].
Franz Josef Czernin: "elemente, sonette". Hanser Verlag, München und Wien 2002. 160 S., geb., 17,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Thomas Poiss schreibt ausgesprochen angetan über diesen Lyrikband. In 129 Sonetten, die sich Poiss zufolge um die vier Elemente ordnen, führe der als metaphysischer Sprachanalytiker beschriebene Dichter "die deutsche Sprache und den Menschen in seiner leibhaftigen Geistigkeit" durch einen Prozess elementarer Übertragungen zwischen Himmel und Hölle. Der Rezensent sieht "krude Körperlichkeit" sich verpissen, verduften und flötengehen oder auch zu einem Träger intellektueller und erotischer Freude werden. Das Versmaß des Alexandriners deutet für ihn auf den Ursprung dieser Kunst in barocker Sonett-Tradition. Czernins Sprache jedoch findet er "radikal modern" und bewundert daran besonders die Verknappungen und Verfremdungen, die zu einer ihn "verstörenden Fremdheit" führten. In den Facetten dieser fragmentierten und neu zusammengesetzten Sprache sieht er auch, "kunstvoll gebrochen", die Tradition deutscher Dichtung und antiker Mythen sich spiegeln.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Wer Ohren hat zu lesen wird erkennen, daß diese Dichtung nicht bloß aus Philosophie, sondern auch aus Sprachlust erwächst." Thomas Poiss, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.11.02
"Seine Lyrik entfaltet eine intensive Art von Sinnlichkeit, schwingt und tönt, dass der Leser tatsächlich zum "augen-, ohrenzeugen" werden kann." Nico Bleutge, Süddeutsche Zeitung, 04.12.02
"Seine Lyrik entfaltet eine intensive Art von Sinnlichkeit, schwingt und tönt, dass der Leser tatsächlich zum "augen-, ohrenzeugen" werden kann." Nico Bleutge, Süddeutsche Zeitung, 04.12.02