Drawing on alchemical theory, Édouard Laugier and Auguste Laurent set out to find the vital essence of life through the craft of perfumes. While drawing the ire of enlightened Bohemian Paris, they discovered fundamental differences in the structures of naturally occurring and synthetic molecules, inaugurating a persistent scientific mystery.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.2024Das Labor der Parfümeure
Theresa Levitt folgt auf anregende Weise Duftspuren in der Herausbildung der modernen Chemie
Parfümgeschichte gehört bislang zu jenen Feldern, in denen gute Darstellungen rar sind. Entweder findet man Abhandlungen von Fachleuten großer Parfümhäuser über deren Düfte oder Kompendien für Chemiker, selten jedoch ein Buch, das sich sowohl mit den für Geruch verantwortlichen Molekülen auseinandersetzt als auch die historische Entwicklung von Düften in den Blick nimmt. Die amerikanische Geschichtsprofessorin Theresa Levitt schließt mit "Elixir. A Parisian Perfume House and the Quest for the Secret of Life" diese Lücke. Der Untertitel, der von der Suche nach dem Geheimnis des Lebens spricht, ist dabei nicht reißerisch gemeint. Vielmehr deutet er den roten Faden an, den Levitt durch ihre Kapitel zieht. "Dieses Geheimnis beschäftigte seit Jahrtausenden die besten Köpfe Europas: Was trennte lebende und nichtlebende Materie? Was machte die dynamische, organisierte Welt der Lebewesen so verschieden von der trägen Mineralwelt?", schreibt sie in ihrem Prolog.
Wie diese Fragen mit der Parfümherstellung zusammenhängen, davon erzählt Levitt. Als Ausgangspunkt wählt sie das Jahr 1770 und blickt auf Paris, beschreibt die olfaktorischen Gegensätze ähnlich eindrucksvoll, wie es Patrick Süskind in seinen Roman "Das Parfüm" tat: Gestank weht von einem innerstädtischen Friedhof, in dessen Erdreich halb verweste Leichen auftauchten, weil der Platz für die Toten knapp wurde; vor einem Schlachthaus läuft ein offener Kanal in Richtung Seine, in dem sich Exkremente mit dem Blutstrom der Schlachterei vermengen, und um die Ecke, wo Läden die Straße säumen, stellt sich dem Gestank plötzlich der Geruch blühender Weidelandschaften entgegen.
Denn hier hat sich ein junger Mann aus dem südfranzösischen Grasse - das noch heute die Rohstoffe für Luxusparfüme liefert - niedergelassen. In seinem Geschäft bot Blaise Laugier Düfte der Provence zu Preisen an, die sich Bürgerliche leisten konnten. Vormals war Parfüm als Luxusgut dem Adel vorbehalten. In welchen Duftexzessen Frankreichs Monarchie schwelgte - von wohlriechend geölten Lederhandschuhen bis zu den mit Parfüm befüllten Springbrunnen -, ist hierbei eher von anekdotischer Relevanz. Levitt geht es um die Entwicklung der Wissenschaft, von der Alchemie hin zur Chemie. So folgt das Buch den Parfümherstellern Édouard Laugier, Sohn des Parfümverkäufers aus Grasse, und Auguste Laurent bei ihren Versuchen der Duftgewinnung und der Untersuchung der dafür notwendigen Rohstoffe, erklärt, wie die beiden im Labor arbeiteten und das von der Natur gegebene Material zu verändern suchten.
Ausgeschmückt mit zahlreichen Details zur Parfümgeschichte bilden die biographischen Passagen zugleich einen Abriss der Wissenschaftsgeschichte, der die Entwicklung der Chemie bis ins Heute verfolgt. Levitt, die sich in ihren Universitätsstudien neben der Geschichte der Wissenschaft auch auf die der französischen Kultur spezialisiert hat, lässt dank umsichtiger Recherche die Pariser Duftlandschaft wiederauferstehen. Man erfährt etwa, dass die Chemiker nach der Französischen Revolution aufgrund von Rohstoffmangel (die europäischen Monarchien hatten den Handel mit der Republik umgehend eingestellt) entscheiden mussten, was sie aus dem vorhandenen Kaliumkarbonat herstellen wollten: Seife oder Schießpulver. Ausführlich beleuchtet die Autorin den Parfümverbrauch Napoleons, der sich auf sechzig Flaschen pro Monat belief, da er Duftwasser nicht nur auf sein Taschentuch schüttete, sondern darin auch badete und es sogar mit Wein und Wasser gemischt am Abend vor seinen Schlachten trank.
Parfüm nicht nur äußerlich anzuwenden war üblich, bis Frankreich den Steuersatz für die Toilettenartikel änderte und man den Duftwassern Stoffe zusetzte, die den Geschmack vergällten. Dass Parfüm im weiteren Verlauf zwar als Hygieneartikel vermarktet wurde, neue chemische Produkte jedoch ohne große Gesundheitsstudien auf die Menschheit losgelassen wurden, deutet Levitt immer wieder an und macht schließlich auch klar, wie die Wirkungen der neuen Substanzen auf den menschlichen Organismus aussahen.
Bei allen ins Auge gefassten Details geraten die größeren Zusammenhänge doch nie aus dem Blick. So zieht Levitt etwa auch die Verbindung zwischen der Forschung der französischen Parfümeure und den deutschen Chemikern um Friedrich Wöhler, dem es bereits 1828 gelungen war, Harnstoff synthetisch herzustellen. "Elixir" mischt diesem Haupterzählstrang - der Entwicklung der modernen Chemie - die bunten Details so bei, wie ein Parfümeur einen guten Duft kreiert: schmückendes Beiwerk sollte nie die Hauptidee überstrahlen. Was dabei herauskommt, ist ebenso unterhaltsam wie lehrreich. MARIA WIESNER
Theresa Levitt: "Elixir". A Parisian Perfume House and the Quest for the Secret of Life.
Harvard University Press, Cambridge 2023. 320 S., Abb., geb., 29,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Theresa Levitt folgt auf anregende Weise Duftspuren in der Herausbildung der modernen Chemie
Parfümgeschichte gehört bislang zu jenen Feldern, in denen gute Darstellungen rar sind. Entweder findet man Abhandlungen von Fachleuten großer Parfümhäuser über deren Düfte oder Kompendien für Chemiker, selten jedoch ein Buch, das sich sowohl mit den für Geruch verantwortlichen Molekülen auseinandersetzt als auch die historische Entwicklung von Düften in den Blick nimmt. Die amerikanische Geschichtsprofessorin Theresa Levitt schließt mit "Elixir. A Parisian Perfume House and the Quest for the Secret of Life" diese Lücke. Der Untertitel, der von der Suche nach dem Geheimnis des Lebens spricht, ist dabei nicht reißerisch gemeint. Vielmehr deutet er den roten Faden an, den Levitt durch ihre Kapitel zieht. "Dieses Geheimnis beschäftigte seit Jahrtausenden die besten Köpfe Europas: Was trennte lebende und nichtlebende Materie? Was machte die dynamische, organisierte Welt der Lebewesen so verschieden von der trägen Mineralwelt?", schreibt sie in ihrem Prolog.
Wie diese Fragen mit der Parfümherstellung zusammenhängen, davon erzählt Levitt. Als Ausgangspunkt wählt sie das Jahr 1770 und blickt auf Paris, beschreibt die olfaktorischen Gegensätze ähnlich eindrucksvoll, wie es Patrick Süskind in seinen Roman "Das Parfüm" tat: Gestank weht von einem innerstädtischen Friedhof, in dessen Erdreich halb verweste Leichen auftauchten, weil der Platz für die Toten knapp wurde; vor einem Schlachthaus läuft ein offener Kanal in Richtung Seine, in dem sich Exkremente mit dem Blutstrom der Schlachterei vermengen, und um die Ecke, wo Läden die Straße säumen, stellt sich dem Gestank plötzlich der Geruch blühender Weidelandschaften entgegen.
Denn hier hat sich ein junger Mann aus dem südfranzösischen Grasse - das noch heute die Rohstoffe für Luxusparfüme liefert - niedergelassen. In seinem Geschäft bot Blaise Laugier Düfte der Provence zu Preisen an, die sich Bürgerliche leisten konnten. Vormals war Parfüm als Luxusgut dem Adel vorbehalten. In welchen Duftexzessen Frankreichs Monarchie schwelgte - von wohlriechend geölten Lederhandschuhen bis zu den mit Parfüm befüllten Springbrunnen -, ist hierbei eher von anekdotischer Relevanz. Levitt geht es um die Entwicklung der Wissenschaft, von der Alchemie hin zur Chemie. So folgt das Buch den Parfümherstellern Édouard Laugier, Sohn des Parfümverkäufers aus Grasse, und Auguste Laurent bei ihren Versuchen der Duftgewinnung und der Untersuchung der dafür notwendigen Rohstoffe, erklärt, wie die beiden im Labor arbeiteten und das von der Natur gegebene Material zu verändern suchten.
Ausgeschmückt mit zahlreichen Details zur Parfümgeschichte bilden die biographischen Passagen zugleich einen Abriss der Wissenschaftsgeschichte, der die Entwicklung der Chemie bis ins Heute verfolgt. Levitt, die sich in ihren Universitätsstudien neben der Geschichte der Wissenschaft auch auf die der französischen Kultur spezialisiert hat, lässt dank umsichtiger Recherche die Pariser Duftlandschaft wiederauferstehen. Man erfährt etwa, dass die Chemiker nach der Französischen Revolution aufgrund von Rohstoffmangel (die europäischen Monarchien hatten den Handel mit der Republik umgehend eingestellt) entscheiden mussten, was sie aus dem vorhandenen Kaliumkarbonat herstellen wollten: Seife oder Schießpulver. Ausführlich beleuchtet die Autorin den Parfümverbrauch Napoleons, der sich auf sechzig Flaschen pro Monat belief, da er Duftwasser nicht nur auf sein Taschentuch schüttete, sondern darin auch badete und es sogar mit Wein und Wasser gemischt am Abend vor seinen Schlachten trank.
Parfüm nicht nur äußerlich anzuwenden war üblich, bis Frankreich den Steuersatz für die Toilettenartikel änderte und man den Duftwassern Stoffe zusetzte, die den Geschmack vergällten. Dass Parfüm im weiteren Verlauf zwar als Hygieneartikel vermarktet wurde, neue chemische Produkte jedoch ohne große Gesundheitsstudien auf die Menschheit losgelassen wurden, deutet Levitt immer wieder an und macht schließlich auch klar, wie die Wirkungen der neuen Substanzen auf den menschlichen Organismus aussahen.
Bei allen ins Auge gefassten Details geraten die größeren Zusammenhänge doch nie aus dem Blick. So zieht Levitt etwa auch die Verbindung zwischen der Forschung der französischen Parfümeure und den deutschen Chemikern um Friedrich Wöhler, dem es bereits 1828 gelungen war, Harnstoff synthetisch herzustellen. "Elixir" mischt diesem Haupterzählstrang - der Entwicklung der modernen Chemie - die bunten Details so bei, wie ein Parfümeur einen guten Duft kreiert: schmückendes Beiwerk sollte nie die Hauptidee überstrahlen. Was dabei herauskommt, ist ebenso unterhaltsam wie lehrreich. MARIA WIESNER
Theresa Levitt: "Elixir". A Parisian Perfume House and the Quest for the Secret of Life.
Harvard University Press, Cambridge 2023. 320 S., Abb., geb., 29,95 Euro.
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