Produktdetails
  • insel taschenbuch 1840
  • Verlag: Insel Verlag
  • 1996.
  • Deutsch
  • Abmessung: 21mm x 107mm x 177mm
  • Gewicht: 279g
  • ISBN-13: 9783458335405
  • ISBN-10: 3458335404
  • Artikelnr.: 06288375
Autorenporträt
Die Publizistin Kirsten Jüngling, geboren 1949, schrieb zusammen mit Brigitte Roßbeck hoch gelobte Biografien über Elizabeth von Arnim, Frieda von Richthofen, Elly Heuss-Knapp, Franz und Maria Marc, Katia Mann sowie die Doppelbiografie über Schillers Frau Charlotte und ihre Schwester Caroline Lengefeld. Kirsten Jüngling lebt in Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.1997

Zwischen allen Blumenrabatten
Stille Orte des Schreibens: Das Leben Elizabeth von Arnims

"Glück ist so bekömmlich", schreibt Elizabeth von Arnim in ihrem Bestseller "Elizabeth und ihr Garten", mit dem sie 1898 in der literarischen Welt debütierte. Mit dieser Devise sind das Buch und alle weiteren einundzwanzig Werke, die ihm folgten, bis zum heutigen Tag erfolgreich. Das Glück, das dem Leser aus jeder Zeile der frühen und sogar noch aus den gelegentlich kummervollen der späteren Romane entgegenatmet, wäre weniger beseligend, wenn nicht Elizabeth von Arnim den Eindruck zu vermitteln vermöchte, daß sie selbst am blühendsten in ihm gedeihe. Einen jeden ihrer Sätze scheint ein verhaltener Freudentaumel zu tragen über ein unverhofftes Heil, das ihr gerade widerfahren ist.

Eine Biographie Elizabeth von Arnims hat es schwer, denn es müßte ihr erst einmal gelingen, die Erscheinung dieses Glückskinds in den Schatten zu stellen, um es dann doch zu beschwören, zu beschreiben, zu analysieren. Die Autorin ist die gefährlichste Konkurrentin ihrer Biographen; denn ihre Bücher sehen zumindest so aus, als seien sie Autobiographien, Tagebücher, spontane Ausrufe, abendliche Erzählung vom gerade gewesenen Tag. Kirsten Jüngling und Brigitte Roßbeck haben den Wettstreit dennoch angetreten, weil sie durch ungedruckte Quellen, durch die Tagebücher des Vaters etwa, aber auch durch die der Elizabeth von Arnim selbst, dahintergekommen sind, daß auch bei ihr nicht alles Wahrheit war, was Dichtung ist: "Sie verstand es fabelhaft, die Leser mit vermeintlich autobiographischen Details gleichzeitig für sich einzunehmen und zu täuschen."

Um so mehr schlägt es zur Ehre der Dichterin aus, daß ihre beiden Biographinnen über sie und ihre Romane nicht hinauskommen. Offensichtlich ist der ihr eigene Gestus der Verklärung, der dennoch den Anschein wahrt, als sei die erzählte Welt Wirklichkeit gewesen, so gut gelungen, daß er auch skeptischen Nachforschungen eine Grenze setzt. Für die wichtigen Stationen des Lebens dieser Autorin, einer Cousine Katherine Mansfields, die in Australien geboren wurde, in England aufwuchs und dem deutschen Grafen Arnim auf sein Gut Nassenheide in Pommern folgte, müssen die Biographinnen die Romane heranziehen, sobald sie die innere Einstellung Elizabeths von Arnim zu den Ereignissen ihres Lebens erfassen wollen. Die Stimmung der Schwangeren etwa auf Gut Nassenheide fängt eine Szene aus "The Pastor's Life" von 1914 ein. Über Kindheit und frühe Jugend weiß zwar das Tagebuch des Vaters noch überraschende Auskünfte zu geben, für die späteren Jahre jedoch, als Elizabeth von Arnim sich von ihrem Mann getrennt hat und durch die Ehe mit Francis Russell, dem Bruder des Philosophen, abermals Countess geworden ist, und noch später, in ihrem Liebesverhältnis mit H. G. Wells, hätte man mehr Auskünfte aus ihrer illustren und sprachmächtigen Umgebung erhofft.

Am Ende also erfährt die Freundin der Elizabeth von Arnim, zu der jede ihrer Leserinnen wird - männliche Bewunderer wird ihr weiblicher Kosmos nur wenige finden -, kaum mehr als das, was sie von ihr selbst schon erzählt bekommen hat. Zudem übernimmt die Biographie auch Stimme und Melodie der Bücher Elizabeths von Arnim, sei es, weil die Zitate daraus den Ton in den neuen Text hineintragen, sei es, weil die beiden Biographinnen Einfühlung für eine Pflicht des wohlwollenden Betrachters halten. Die Atmosphäre überwiegt also die Information, die Häuslichkeit dominiert gegenüber dem schriftstellerischen Leben und der öffentlichen Funktion, die Elizabeth von Arnim nicht ohne List weitgehend von sich ferngehalten hat. In dieser Biographie bleibt die Bestsellerautorin eine schreibende Gräfin; Ehemann, Liebhaber, Kinder, Rosen und Hunde sind die heile Welt, die ihre Serenità beherrscht. Dem Leser wird es bald allzu gemütlich zwischen den Blumenrabatten und an den stillen Schreiborten, an denen er der Dichterin so oft begegnet.

Trotz der Einfühlung sind Kirsten Jüngling und Brigitte Roßbeck nicht unkritisch gegenüber Elizabeth von Arnim, ja sie werten sie sogar als Trivialschriftstellerin ab - ein strenges Urteil, das einem intellektuellen Maßstab folgt, der schon den kleinsten Anschein von Glück in der Literatur als Befriedigung eines billigen Wunschtraums diffamiert. So hart müßte man mit Elizabeth von Arnim nicht ins Gericht gehen, vielmehr böte gerade ihre geschickt unterhaltende Schreibart Gelegenheit, Zwischenformen der literarischen Werteskala zu entdecken.

Immerhin ist die Verfasserin der Garten- und Hundeidyllen eine Zeitgenossin von Virginia Woolf, D. H. Lawrence, Aldous Huxley und H. G. Wells. Ihre Distanz zur britischen Avantgarde hätte andere Probleme aufwerfen müssen als nur die Frage nach der literarischen Qualität und die, ob ihre Werke mehr oder weniger trivial, mehr oder weniger reich an Lebenserfahrung seien: "Elizabeth Russells reiferes literarisches Programm hingegen läßt eindeutig Rückkoppelungen an wachsende reale Erfahrungen und drückendere Lebenslast erkennen." Schließlich muß Elizabeth von Arnim entschiedener und risikoreicher gelebt haben, als es die süße Nostalgie ihrer Romane vermuten läßt. Der Abschied von einem Ehemann und fünf Kindern, eine zweite Heirat, Liebschaften mit zwei weiteren Männern und der Mut, sich durch die Schriftstellerei selbst zu unterhalten, waren am Anfang des Jahrhunderts keine Selbstverständlichkeit.

Nichts ist jedoch in der Biographie von der Kühnheit und dem emanzipatorischen Mut zu spüren, die diese Entschlüsse getragen haben könnten, nichts ist über die Gründe zu erfahren, warum die Dichterin sich trotz ihres modernen Lebensstils nicht der Avantgarde anschloß. Eine Biographie darf nicht bei der Darstellung eines einzelnen Lebens stehenbleiben, sie sollte dieses Leben in seiner Zeit und die Zeit in ihm darstellen. HANNELORE SCHLAFFER

Kirsten Jüngling, Brigitte Roßbeck: "Elizabeth von Arnim". Eine Biographie. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1996. 426 S., br., 18,80 DM.

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