Nevin Nollop left the islanders of Nollop with the treasured legacy of his pangram "the quick brown fox jumps over the lazy dog". But as the letters begin to crumble on the monumental inscription, the island's council forbids the use of the lost letters and silence threatens Ella and her family.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.06.2004Auf Baumstoff klopfen
Wem die Buchstaben ausgehen: Mark Dunns „Nollops Vermächtnis”
Ein Buch aus Briefen hat der New Yorker Dramatiker Mark Dunn als Debütroman geschrieben, einen Text über eine neben Amerika liegende Insel, auf der eine Diktatur ihren toten Gründer so sehr verherrlicht, dass sie die Buchstaben, die vom Sockel seines Monuments klatschen, für mündlichen wie schriftlichen Gebrauch verbietet unter Androhung drastischer Strafen – welche sich die Mehrheit der Insulaner aus unerfindlichen Gründen gefallen lässt.
Die Plausibilität ist eines der Probleme, mit denen das Buch vergeblich kämpft. Es verliert aber an mehreren Fronten. Die Happy-End-Story ist nicht nur fadenscheinig, sondern gar nicht gewebt. Denn nicht mehr geschieht, als dass sich ein paar Leute, deren schriftlicher Ausdruck sich gleicht, Briefe schreiben, in denen die Buchstaben weniger werden. Das ist kein Roman, wie auf dem Titel behauptet wird, sondern ein Sprachspiel, über dessen konstruktive Schlichtheit die Übersetzung von Henning Ahrens nicht hinwegtäuscht. Die Übersetzung ist überhaupt das einzig Reizvolle an dem Buch, denn da es keine Gefühle schildert oder beim Leser weckt, bleibt bloß, sich daran zu erfreuen, wie findig Ahrens dieses in die Länge gezogene Wochenendbeilagenrätsel gelöst hat. Als allmählich auf immer mehr Buchstaben verzichtet werden muss, entstehen Ausweichformulierungen, beispielsweise „blutpumpender Busenmuskel” für das Herz, das ohne z nicht zu haben ist. Wenn neben dem z auch das d nicht mehr eingesetzt werden darf, wird es schwer, dreimal auf Holz zu klopfen, also: „Wir klopfen vier-minus-einmal auf Baumstoff.” Entfällt auch noch das d, wird aus bedanken entbitten.
Das sind wirklich nette Scherze, aber auf 240 Seiten wird die Angelegenheit selbst dann zäh, wenn diese Seiten oft nicht mal halb gefüllt sind. Es handelt sich nicht nur um keinen Roman, sondern gar nicht um einen literarischen Text. Es ist eine Denksportaufgabe, an welcher der Übersetzer Henning Ahrens sicherlich den meisten Spaß hatte.
MARTIN Z. SCHRÖDER
MARK DUNN: Nollops Vermächtnis. Roman. Aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens. Mare Buchverlag, Hamburg 2004. 240 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Wem die Buchstaben ausgehen: Mark Dunns „Nollops Vermächtnis”
Ein Buch aus Briefen hat der New Yorker Dramatiker Mark Dunn als Debütroman geschrieben, einen Text über eine neben Amerika liegende Insel, auf der eine Diktatur ihren toten Gründer so sehr verherrlicht, dass sie die Buchstaben, die vom Sockel seines Monuments klatschen, für mündlichen wie schriftlichen Gebrauch verbietet unter Androhung drastischer Strafen – welche sich die Mehrheit der Insulaner aus unerfindlichen Gründen gefallen lässt.
Die Plausibilität ist eines der Probleme, mit denen das Buch vergeblich kämpft. Es verliert aber an mehreren Fronten. Die Happy-End-Story ist nicht nur fadenscheinig, sondern gar nicht gewebt. Denn nicht mehr geschieht, als dass sich ein paar Leute, deren schriftlicher Ausdruck sich gleicht, Briefe schreiben, in denen die Buchstaben weniger werden. Das ist kein Roman, wie auf dem Titel behauptet wird, sondern ein Sprachspiel, über dessen konstruktive Schlichtheit die Übersetzung von Henning Ahrens nicht hinwegtäuscht. Die Übersetzung ist überhaupt das einzig Reizvolle an dem Buch, denn da es keine Gefühle schildert oder beim Leser weckt, bleibt bloß, sich daran zu erfreuen, wie findig Ahrens dieses in die Länge gezogene Wochenendbeilagenrätsel gelöst hat. Als allmählich auf immer mehr Buchstaben verzichtet werden muss, entstehen Ausweichformulierungen, beispielsweise „blutpumpender Busenmuskel” für das Herz, das ohne z nicht zu haben ist. Wenn neben dem z auch das d nicht mehr eingesetzt werden darf, wird es schwer, dreimal auf Holz zu klopfen, also: „Wir klopfen vier-minus-einmal auf Baumstoff.” Entfällt auch noch das d, wird aus bedanken entbitten.
Das sind wirklich nette Scherze, aber auf 240 Seiten wird die Angelegenheit selbst dann zäh, wenn diese Seiten oft nicht mal halb gefüllt sind. Es handelt sich nicht nur um keinen Roman, sondern gar nicht um einen literarischen Text. Es ist eine Denksportaufgabe, an welcher der Übersetzer Henning Ahrens sicherlich den meisten Spaß hatte.
MARTIN Z. SCHRÖDER
MARK DUNN: Nollops Vermächtnis. Roman. Aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens. Mare Buchverlag, Hamburg 2004. 240 Seiten, 19,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2004Sprache in Trümmern
Fortschreitender Buchstabenverlust: Mark Dunns Romansatire
Man stelle sich vor: Die Regierung eines Landes will Verfügungsmacht über die Sprache ausüben. Sie erläßt Gesetze, die allen Bürgern den einzig zulässigen Gebrauch von Wort und Schrift vorschreiben, bestimmte Buchstaben verbieten, andere verordnen und jeden Verstoß mit harten Strafen ahnden. Dabei begründet sie das selbstherrliche Reglement mit den alleredelsten Motiven: Die Pflege eines großen kulturellen Erbes fordere solche Sprachanpassung, sonst stehe ein historisches Vermächtnis auf dem Spiel. Doch die Folgen des Reformwahns sind verheerend. Bücher werden eingezogen oder eingestampft, Briefe abgefangen und zensiert, Lehrer verraten, Schüler verwirrt. In der hilflosen Bevölkerung bleibt Widerständlern, die auf selbstbestimmtem Sprachgebrauch beharren, nur der Weg in die Emigration. Eine absurde Vorstellung? Man lese selbst.
Diesem kleinen Roman gelingt nämlich das große Kunststück, eine scheinbar unglaubwürdige Geschichte nicht nur vergnüglich zu erzählen, sondern buchstäblich so vorzuführen, daß man als Leser ihre absonderliche Wirkung miterleben kann. So abwegig auch ihre Grundkonstellation sein mag: Was sich daraus entwickelt, wirkt plausibel, ja fast beunruhigend bekannt.
Eine Inselgesellschaft hat sich dem Gedenken eines Gründervaters namens Nollop verschrieben, der einst eine spezielle Wortfolge austüftelte, die alle Buchstaben des Alphabets mit nur sehr wenigen Wiederholungen enthält. Dieser Satz, ein sogenanntes Pangramm, wird mit einem öffentlichen Denkmal, auf Kacheln aufgemalt, zur Schau gestellt. Eines Sommertages aber löst sich eine Kachel, fällt zu Boden und zerbricht. Sie zeigte zufällig das Z. Doch nach Auffassung des Inselrats muß ihrem Fall ein tiefer Sinn, der Wille Nollops gar, zugrunde liegen, weshalb die Obrigkeit verfügt, daß dieser Buchstabe fortan nicht mehr zu gebrauchen sei. Statt "Herz" muß man daher "blutpumpender Muskel" sagen; aus "schwarz" wird "nachtfarben", aus "Zebra" "nachtfarben-weiß gestreiftes pferdeähnliches Tier". Infolge der drakonischen Reform wuchern die bürokratischen Ersatzleistungen.
Und das ist erst der Anfang. Mit der nächsten Kachel, die unweigerlich zerbricht, verbietet man das Q. Bald fällt das J, dann auch das D - bis schließlich nur noch ganze sechs Buchstaben zur Verfügung stehen, ein jämmerliches Rumpfalphabet, mit dem die Insulaner sich verzweifelt gegen das erzwungene Verstummen wehren. Wie dies geschieht, verfolgen wir als Leser mit. Denn die Geschichte wird durchweg in Briefen der Betroffenen dargeboten, immer strikt auf dem jeweiligen Reformstand abgefaßt, so daß die sprachliche Verarmung wie auch die kompensatorischen Maßnahmen für uns direkt erfahrbar werden. Um den fortschreitenden Buchstabenverlust auszugleichen, erläßt die Regierung beispielsweise folgende Verordnung zur neuen Schreibweise: "Ap sovort türfen sich alle Pürger - allertings ploß schrivtlich - glangverwantter Schrivttseichen petienen." Damit ist den Nollopianern jedoch kaum geholfen: "Palt liegt tie Sprache gants in Trümmern . . ."
Der amerikanische Autor Mark Dunn, bislang vor allem als Dramatiker bekannt, hat sich diese Sprachzertrümmerungsgeschichte vor drei Jahren ausgedacht, doch wie auch andere Parabeln des Absurden wird sie womöglich von der Wirklichkeit zuweilen unversehens eingeholt. Daß darüber jetzt deutsche Leser nachgrübeln können, ist vor allem dem Übersetzer Henning Ahrens zu verdanken, dessen artistische Findigkeit in der buchstäblichen Neuerfindung eines derartigen Textes schlichtweg virtuos ist. Die vorsätzliche Auslassung bestimmter Buchstaben, das sogenannte Lipogramm, ist ein sprachspielerisches Verfahren, das von der literarischen Avantgarde immer wieder eingesetzt, dabei von Autoren wie Georges Perec allerdings zu sehr tiefgründigen sprachphilosophischen Erkundungen genutzt worden ist. Bei Dunn und Ahrens steht es ganz im Dienst der Abrechnung mit Ordnungswahn und hoheitlicher Deutungsmacht durch angemaßte Sprachgewalt - eine grimme Satire, deren Schurken echte Abkömmlinge jener akademischen Sprachreformer sind, die Jonathan Swift dereinst in seinem "Gulliver" verspottete.
Doch zum Glück gibt es in "Nollops Vermächtnis" auch Helden, unbeugsame Individualisten, die es wie in jeder guten amerikanischen Geschichte schließlich unternehmen, die allgemeine Rettung zu organisieren. Sie widersetzen sich der Staatsmacht und nehmen die Herausforderung an, das Monopol des Gründungsvaters dadurch zu brechen, daß sie ein neues Pangramm finden, das seines sogar übertrifft. Dafür wird ein Satz gesucht, der alle Buchstaben des Alphabets enthält und selbst nur genau 39 Buchstaben umfaßt. Gewiefte Sprachdenksportler dürfen an dieser Stelle ihre eigenen Vorschläge abgeben. Alle anderen lesen den Roman, der übrigens ganz in reformierter deutscher Rechtschreibung erscheint. Nicht vorzustellen, was das nun wieder zeigt.
TOBIAS DÖRING
Mark Dunn: "Nollops Vermächtnis". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Henning Ahrens. marebuchverlag, Hamburg 2004. 240 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fortschreitender Buchstabenverlust: Mark Dunns Romansatire
Man stelle sich vor: Die Regierung eines Landes will Verfügungsmacht über die Sprache ausüben. Sie erläßt Gesetze, die allen Bürgern den einzig zulässigen Gebrauch von Wort und Schrift vorschreiben, bestimmte Buchstaben verbieten, andere verordnen und jeden Verstoß mit harten Strafen ahnden. Dabei begründet sie das selbstherrliche Reglement mit den alleredelsten Motiven: Die Pflege eines großen kulturellen Erbes fordere solche Sprachanpassung, sonst stehe ein historisches Vermächtnis auf dem Spiel. Doch die Folgen des Reformwahns sind verheerend. Bücher werden eingezogen oder eingestampft, Briefe abgefangen und zensiert, Lehrer verraten, Schüler verwirrt. In der hilflosen Bevölkerung bleibt Widerständlern, die auf selbstbestimmtem Sprachgebrauch beharren, nur der Weg in die Emigration. Eine absurde Vorstellung? Man lese selbst.
Diesem kleinen Roman gelingt nämlich das große Kunststück, eine scheinbar unglaubwürdige Geschichte nicht nur vergnüglich zu erzählen, sondern buchstäblich so vorzuführen, daß man als Leser ihre absonderliche Wirkung miterleben kann. So abwegig auch ihre Grundkonstellation sein mag: Was sich daraus entwickelt, wirkt plausibel, ja fast beunruhigend bekannt.
Eine Inselgesellschaft hat sich dem Gedenken eines Gründervaters namens Nollop verschrieben, der einst eine spezielle Wortfolge austüftelte, die alle Buchstaben des Alphabets mit nur sehr wenigen Wiederholungen enthält. Dieser Satz, ein sogenanntes Pangramm, wird mit einem öffentlichen Denkmal, auf Kacheln aufgemalt, zur Schau gestellt. Eines Sommertages aber löst sich eine Kachel, fällt zu Boden und zerbricht. Sie zeigte zufällig das Z. Doch nach Auffassung des Inselrats muß ihrem Fall ein tiefer Sinn, der Wille Nollops gar, zugrunde liegen, weshalb die Obrigkeit verfügt, daß dieser Buchstabe fortan nicht mehr zu gebrauchen sei. Statt "Herz" muß man daher "blutpumpender Muskel" sagen; aus "schwarz" wird "nachtfarben", aus "Zebra" "nachtfarben-weiß gestreiftes pferdeähnliches Tier". Infolge der drakonischen Reform wuchern die bürokratischen Ersatzleistungen.
Und das ist erst der Anfang. Mit der nächsten Kachel, die unweigerlich zerbricht, verbietet man das Q. Bald fällt das J, dann auch das D - bis schließlich nur noch ganze sechs Buchstaben zur Verfügung stehen, ein jämmerliches Rumpfalphabet, mit dem die Insulaner sich verzweifelt gegen das erzwungene Verstummen wehren. Wie dies geschieht, verfolgen wir als Leser mit. Denn die Geschichte wird durchweg in Briefen der Betroffenen dargeboten, immer strikt auf dem jeweiligen Reformstand abgefaßt, so daß die sprachliche Verarmung wie auch die kompensatorischen Maßnahmen für uns direkt erfahrbar werden. Um den fortschreitenden Buchstabenverlust auszugleichen, erläßt die Regierung beispielsweise folgende Verordnung zur neuen Schreibweise: "Ap sovort türfen sich alle Pürger - allertings ploß schrivtlich - glangverwantter Schrivttseichen petienen." Damit ist den Nollopianern jedoch kaum geholfen: "Palt liegt tie Sprache gants in Trümmern . . ."
Der amerikanische Autor Mark Dunn, bislang vor allem als Dramatiker bekannt, hat sich diese Sprachzertrümmerungsgeschichte vor drei Jahren ausgedacht, doch wie auch andere Parabeln des Absurden wird sie womöglich von der Wirklichkeit zuweilen unversehens eingeholt. Daß darüber jetzt deutsche Leser nachgrübeln können, ist vor allem dem Übersetzer Henning Ahrens zu verdanken, dessen artistische Findigkeit in der buchstäblichen Neuerfindung eines derartigen Textes schlichtweg virtuos ist. Die vorsätzliche Auslassung bestimmter Buchstaben, das sogenannte Lipogramm, ist ein sprachspielerisches Verfahren, das von der literarischen Avantgarde immer wieder eingesetzt, dabei von Autoren wie Georges Perec allerdings zu sehr tiefgründigen sprachphilosophischen Erkundungen genutzt worden ist. Bei Dunn und Ahrens steht es ganz im Dienst der Abrechnung mit Ordnungswahn und hoheitlicher Deutungsmacht durch angemaßte Sprachgewalt - eine grimme Satire, deren Schurken echte Abkömmlinge jener akademischen Sprachreformer sind, die Jonathan Swift dereinst in seinem "Gulliver" verspottete.
Doch zum Glück gibt es in "Nollops Vermächtnis" auch Helden, unbeugsame Individualisten, die es wie in jeder guten amerikanischen Geschichte schließlich unternehmen, die allgemeine Rettung zu organisieren. Sie widersetzen sich der Staatsmacht und nehmen die Herausforderung an, das Monopol des Gründungsvaters dadurch zu brechen, daß sie ein neues Pangramm finden, das seines sogar übertrifft. Dafür wird ein Satz gesucht, der alle Buchstaben des Alphabets enthält und selbst nur genau 39 Buchstaben umfaßt. Gewiefte Sprachdenksportler dürfen an dieser Stelle ihre eigenen Vorschläge abgeben. Alle anderen lesen den Roman, der übrigens ganz in reformierter deutscher Rechtschreibung erscheint. Nicht vorzustellen, was das nun wieder zeigt.
TOBIAS DÖRING
Mark Dunn: "Nollops Vermächtnis". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Henning Ahrens. marebuchverlag, Hamburg 2004. 240 S., geb., 19,90 [Euro].
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