Rainer Maria Rilkes Gottesvorstellung ist aus vielen Perspektiven untersucht worden, aber dieser Aufsatz versucht das Verhältnis des Dichters zu Gott und Christus aus einem bisher unerforschten Blickwinkel zu beleuchten. Rilkes Verhältnis zu seinen Eltern - besonders zu seiner Mutter -, sein familiäres Umfeld und seine Sozialisation werfen eine Reihe von Zusammenhängen auf. Im Mittelpunkt des Aufsatzes stehen die Bindung an die Eltern, die familiäre Sozialisation und das Wesen der Gottesbeziehung. Durch eine interdisziplinäre Forschung ist deutlich geworden, dass die Beziehung zwischen Eltern und Kind mit dem späteren Gottesbild zusammenhängt. Die vorliegende Arbeit spannt den Bogen von Rilkes Kindheit bis hin zu seiner zweiten Russlandreise. Im Mittelpunkt stehen Rilkes Gedichte, Briefe und Notizen, die helfen, das Gottesbild des Dichters, sein Verhältnis zu Mutter, Vater und Christus zu entschlüsseln. Als Ergebnis der Untersuchung kann festgestellt werden, dass Rilkes frühe Bindung und Sozialisation mit seinem späteren Gottesbild, dem Kind auf der Suche nach Sicherheit und Stabilität und dem Dichter auf der Suche nach einem Orientierungspunkt, in Verbindung gebracht werden kann.