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Im Zentrum des vorliegenden Bandes steht Emil Krebs, ein Mitarbeiterdes Auswärtigen Amts, der zu seiner aktiven Zeit (1893-1930) in besonderer Weise aus einer ohnehin außergewöhnlichen Schar von Beschäftigten herausragte. Es heißt, der Jurist Emil Krebs habe nachweislich mehr als 60 Sprachen beherrscht. Ersammelte Sprachkenntnisse mit einer Leidenschaft, die nie fragwürdigen Ruhm oder populistische Rekordsucht zum Ziel hatte,sondern allein dem Phänomen der menschlichen Sprache galt. Dabei ging es Krebs nicht in erster Linie darum, in allen seinen Sprachen zu kommunizieren ("Er schwieg in 45…mehr

Produktbeschreibung
Im Zentrum des vorliegenden Bandes steht Emil Krebs, ein Mitarbeiterdes Auswärtigen Amts, der zu seiner aktiven Zeit (1893-1930) in besonderer Weise aus einer ohnehin außergewöhnlichen Schar von Beschäftigten herausragte. Es heißt, der Jurist Emil Krebs habe nachweislich mehr als 60 Sprachen beherrscht. Ersammelte Sprachkenntnisse mit einer Leidenschaft, die nie fragwürdigen Ruhm oder populistische Rekordsucht zum Ziel hatte,sondern allein dem Phänomen der menschlichen Sprache galt. Dabei ging es Krebs nicht in erster Linie darum, in allen seinen Sprachen zu kommunizieren ("Er schwieg in 45 Sprachen", sagte eine seiner Tischdamen nach einem offiziellen Essen), er wollte vielmehr den Aufbau und die "Philosophie hinter der Sprache" verstehen.Damals wie heute ist Kommunikation die Grundlage aller Diplomatie. Sprachkenntnisse gelten zu Recht als eine Schlüsselqualifikationdes Auswärtigen Dienstes. Das Auswärtige Amt trug dieser Tatsache bereits 1887 Rechnung, indem es die sogenanntenDragomane, also Dolmetscher und Übersetzer für den Verkehrzwischen den Landesbehörden und den Gesandtschaften und Konsulaten im Orient ausbildete und die Reichsregierung dafürdas "Seminar für Orientalische Sprachen" gründete. Seit Einrichtung eines organisierten Sprachendienstes 1921 im AuswärtigenAmt ist die Dolmetsch- und Übersetzungskunst zunehmend professionalisiert worden, nicht zuletzt durch einschlägige Studiengänge an Hochschulen und Universitäten. Herausgeber Peter Hahn vermochte es, ein Buch mit historischwie inhaltlich übergreifender Thematik gekonnt zusammenzustellen. Eckhard Hoffmann, der Großneffe von Emil Krebs, hat dafür unermüdlich Material zusammengetragen und eigene Forschungenangestellt. Er hat darüber hinaus die Kollegen unseres Sprachendienstes zu weiteren Untersuchungen animiert, die zu Ausstellungen über das Sprachgenie Krebs und eben auch zu diesemBuch geführt haben. Dr. Harald Braun, Staatssekretär des Auswärtigen Amts
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2012

Genie in der Wilhelmstraße
Dolmetscher Emil Krebs

Seine Tischdame habe er in 45 Sprachen angeschwiegen, sie später geheiratet, Gespräche mit ihr nur nach vorheriger Terminabsprache geführt und sie zum Geburtstag überrascht mit einem persischen Gedicht, das er für sie ins Lateinische - ihr unverständlich - übersetzte. Nun wird er geehrt, dieser sonderbare Herr, dessen Berufung an das Seminar für Orientalische Sprachen in Berlin 1923 trotz überragender Sprachkenntnisse und nachgewiesener Befähigung scheiterte, denn er sei "ein Mann, der sich im persönlichen Verkehr schwer einzuordnen vermag". Emil Krebs war "ein Sprachgenie im diplomatischen Dienst", dessen Leben in einem reichbebilderten Taschenbuch nachgezeichnet wird. Kernstücke sind biographische Aufzeichnungen seines Großneffen Eckhard Hoffmann.

1867 als erstes von zehn Kindern eines schlesischen Zimmermeisters geboren, fiel Krebs schon als Schüler durch seine Begabung für Mathematik und Sprachen auf. Zum Abitur beherrschte er acht Sprachen, später waren es 69. Seine Bibliothek mit Werken in 111 Sprachen wurde nach seinem Tod 1930 von der Library of Congress, Washington D. C. erworben. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft und der chinesischen Sprache war Krebs von 1893 bis 1917 als Dolmetscher-Dragoman an der deutschen Gesandtschaft in Peking tätig, hochgeschätzt am chinesischen Kaiserhof, unterbrochen 1898 bis 1900 von seiner Abordnung zum Leiter der chinesischen Kanzlei in der Kolonie Kiautschou. Die Beförderung zum Konsul lehnte er ab, weil es ihm nicht zuzumuten sei, nun noch die konsularische Laufbahnprüfung abzulegen. Wilhelm II. ernannte den knorrigen Beamten daraufhin dann doch zum Legationsrat. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte das Auswärtige Amt zunächst keine rechte Verwendung, er wurde 1921 dem Chiffrierbüro für japanische Angelegenheiten zugeteilt und fand erst 1923 im neugegründeten Sprachendienst des AA als Übersetzer wieder eine angemessene Aufgabe.

Ergänzt werden diese biographischen Angaben durch die Erzählung "To-tu-to-lo oder Wie Emil Türke wurde" von Otto Julius Bierbaum, der mit Krebs am Seminar für Orientalische Sprachen studiert hatte und den skurrilen Freund warmherzig und sympathisch skizziert. Weitere Aufsätze befassen sich mit der deutschen Kolonialpolitik in China, die nach der Ermordung von zwei Steyler Missionaren 1897 zur militärischen Intervention und zur Gründung der Kolonie Kiautschou führte. Das brutale Auftreten des Grafen von Waldersee an der Spitze der internationalen Militärexpedition nach dem Boxer-Aufstand 1900 missbilligte Krebs ebenso wie die entwürdigende Sühne-Mission des Prinzen Chun, der am 4. September 1901 vor Wilhelm II. im Neuen Palais zu Potsdam Abbitte leisten musste.

Beiträge über Sprache und Diplomatie, zum Sprachendienst des AA und zu seinem Sprachlernzentrum runden den Band ab. Die Vielfalt der Aufgaben des Sprachendienstes, der auch für Bundeskanzler und Bundespräsident arbeitet, und seine Wurzeln seit der Gründung des Seminars für Orientalische Sprachen in Berlin 1887 werden unterhaltsam und am Beispiel von Emil Krebs exemplarisch präsentiert.

HANS JOCHEN PRETSCH

Peter Hahn: Emil Krebs. Kurier des Geistes. Oase Verlag, Badenweiler 2011. 263 S., 14,80 [Euro].

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