Räubergeschichten und Fabelwesen, große Tiere und wundervoll farbige Blumenwelten - wohl nur wenige Bilder der Kunstgeschichte eignen sich so sehr zur Betrachtung durch Kinder wie die des Malers Emil Nolde.
Der Kinderbuchautor Mario Giordano lädt ein zu einem Spaziergang durch das Leben von Emil Nolde. Er lässt die Kinder die Bilder erleben und einen Maler entdecken, der nur unter großen Schwierigkeiten und gegen den Widerstand seines Vaters seinen Lieblingsberuf ergreifen konnte. Er zeigt ihnen einen ehrgeizigen Nolde und einen, der seine Frau Ada über alles liebte, einen Nolde, der - zutiefst unglücklich - trotz Verbot der Nationalsozialisten winzigkleine Bilder malte, damit sie niemand entdecken konnte, und einen Nolde, dem Märchengeschichten und geheimnisvolle Troll- und Ungeheuerwelten über alles gingen.
Der Kinderbuchautor Mario Giordano lädt ein zu einem Spaziergang durch das Leben von Emil Nolde. Er lässt die Kinder die Bilder erleben und einen Maler entdecken, der nur unter großen Schwierigkeiten und gegen den Widerstand seines Vaters seinen Lieblingsberuf ergreifen konnte. Er zeigt ihnen einen ehrgeizigen Nolde und einen, der seine Frau Ada über alles liebte, einen Nolde, der - zutiefst unglücklich - trotz Verbot der Nationalsozialisten winzigkleine Bilder malte, damit sie niemand entdecken konnte, und einen Nolde, dem Märchengeschichten und geheimnisvolle Troll- und Ungeheuerwelten über alles gingen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2006Emils Düstergeheimnis
Etwas fehlt: Mario Giordano bildet kleine Kunstkenner aus
Pablo, Vincent, Claude, Leonardo - so heißen die Helden einer neuen Kinderbuchkultur. Mario Giordano, bereits Autor von Kinderbüchern über Paul Klee und Pablo Picasso, beschäftigt sich diesmal mit Emil. Emil Nolde, der als Maler nicht nur eine immense Fülle von Werken aus unterschiedlichsten Schaffensperioden hinterlassen hat, sondern darüber hinaus ein ebenso ehrgeiziges schriftstellerisches Werk aus vier Büchern, Manuskripten und Briefen.
Die Geschichte des kleinen Emil, der sich später nach seinem dänischen Geburtsort Nolde benennt, beginnt mit seiner glücklichen Kindheit am väterlichen Bauernhof. Das Füttern der Tiere wird ihm jedoch bald "eine sehr langweilige Arbeit", er malt und zeichnet viel lieber. Gegen den Willen seines Vaters und später gegen den Widerstand von spöttischen Kritikern bekennt er sich zu seiner Berufung als Künstler. Er lernt, mit ersten Erfolgen und Niederlagen umzugehen und in Zeiten existentieller Not zu seinen Idealen zu stehen. Er übersteht Jahre der Schmähung, die Zeit der Verfemung und des Malverbots im Zweiten Weltkrieg, in der seine "ungemalten Bilder" in Briefmarkengröße entstehen. Erst wenige Jahre vor seinem Tod 1956 wird der Traum Noldes von der langersehnten internationalen Anerkennung endgültig wahr. Das Märchen des kleinen Bauernbuben hat ein gutes Ende: "Seine Bilder erzielen Höchstpreise, und Emil gilt nun als einer der größten Künstler des 20. Jahrhunderts."
Giordano erzählt in sehr einfacher, kindgerechter Sprache. Die für eine Künstlerbiographie typische Auflistung von Lebensdaten, Lehrstationen und Reisen - von St. Gallen über München, Paris, Kopenhagen, Berlin, auf Südseereise, zurück an die schleswigsche Nordseeküste, um nur einiges zu nennen - wird mit einprägsamen Anekdoten aus seinem Privatleben und Originalzitaten verwoben. Darüber hinaus informieren graphisch hervorgehobene Seiten über weitere künstlerische Techniken Noldes: Radierung, Holzschnitt, Aquarell, Lithographie.
Bei soviel Text bleibt leider kaum Zeit und Platz, die Bilder für sich sprechen zu lassen. Eine Auswahl von rund fünfzig Arbeiten aus Noldes Werk - darunter skurrile Zeichnungen, Bergpostkarten, farbenprächtige Malereien und Aquarelle - wird mit wissenswerten oder humorvollen Kommentaren versehen. Darf man aber einem Sieben- bis Zehnjährigen keine eigenen, freien Assoziationen mehr zutrauen? Kinder sind immer noch die besseren Beobachter, und es wirkt müßig, ihnen etwa die aufgewühlte Stimmung eines Landschaftsbildes, die strahlende Farbkraft oder Zartheit in Noldes Blumen und Tieren, die ekstatischen Bewegungen seiner Tänzerinnen oder das Düster-Geheimnisvolle seiner Ungeheuerwelten in wenigen Sätzen vorzukauen. Um die Fantasie und das intuitive Gespür der Kinder aus der Reserve zu locken, sie in die Kunst eintauchen zu lassen, ihnen auch den schlichten Spaß genau daran zu vermitteln, dazu wird hier wohl zuviel vorweggenommen und durch jede Menge Wissen ersetzt.
Als braves Bildungsbuch ist das vorliegende Werk ein unprätentiöses und gutrecherchiertes Beispiel. Aber angesichts der Vielzahl von Kunst-Kinderbüchern, die den Markt derzeit überschwemmen, stellt sich natürlich die grundsätzliche Frage, was man den Kindern zuletzt damit eigentlich vermitteln will: das kleine Einmaleins der Kunstgeschichte? Den vielzitierten "Zugang zu Kunst" - indem man die Folie einer Künstlerfigur vorspannt, damit die kleinen Kunstkenner zumindest von der Biographie Noldes oder Picassos schon bald viel zu erzählen wissen? Oder geht es auch darum, eine echte Neugierde für Kunst zu wecken - mit all ihrer Schärfe, den Ecken, Kanten, Ungereimtheiten? Dann läge wohl das weitaus größere und spannendere Potential darin, den Stier bei den Hörnern zu packen und ebendort anzufangen, wo der Künstler aufgehört hat: beim Kunstwerk.
NINA HOLLEIN
Mario Giordano: "Emil Nolde für Kinder". Dumont Buchverlag, Köln 2006. 62 S., geb., 16,90 [Euro]. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Etwas fehlt: Mario Giordano bildet kleine Kunstkenner aus
Pablo, Vincent, Claude, Leonardo - so heißen die Helden einer neuen Kinderbuchkultur. Mario Giordano, bereits Autor von Kinderbüchern über Paul Klee und Pablo Picasso, beschäftigt sich diesmal mit Emil. Emil Nolde, der als Maler nicht nur eine immense Fülle von Werken aus unterschiedlichsten Schaffensperioden hinterlassen hat, sondern darüber hinaus ein ebenso ehrgeiziges schriftstellerisches Werk aus vier Büchern, Manuskripten und Briefen.
Die Geschichte des kleinen Emil, der sich später nach seinem dänischen Geburtsort Nolde benennt, beginnt mit seiner glücklichen Kindheit am väterlichen Bauernhof. Das Füttern der Tiere wird ihm jedoch bald "eine sehr langweilige Arbeit", er malt und zeichnet viel lieber. Gegen den Willen seines Vaters und später gegen den Widerstand von spöttischen Kritikern bekennt er sich zu seiner Berufung als Künstler. Er lernt, mit ersten Erfolgen und Niederlagen umzugehen und in Zeiten existentieller Not zu seinen Idealen zu stehen. Er übersteht Jahre der Schmähung, die Zeit der Verfemung und des Malverbots im Zweiten Weltkrieg, in der seine "ungemalten Bilder" in Briefmarkengröße entstehen. Erst wenige Jahre vor seinem Tod 1956 wird der Traum Noldes von der langersehnten internationalen Anerkennung endgültig wahr. Das Märchen des kleinen Bauernbuben hat ein gutes Ende: "Seine Bilder erzielen Höchstpreise, und Emil gilt nun als einer der größten Künstler des 20. Jahrhunderts."
Giordano erzählt in sehr einfacher, kindgerechter Sprache. Die für eine Künstlerbiographie typische Auflistung von Lebensdaten, Lehrstationen und Reisen - von St. Gallen über München, Paris, Kopenhagen, Berlin, auf Südseereise, zurück an die schleswigsche Nordseeküste, um nur einiges zu nennen - wird mit einprägsamen Anekdoten aus seinem Privatleben und Originalzitaten verwoben. Darüber hinaus informieren graphisch hervorgehobene Seiten über weitere künstlerische Techniken Noldes: Radierung, Holzschnitt, Aquarell, Lithographie.
Bei soviel Text bleibt leider kaum Zeit und Platz, die Bilder für sich sprechen zu lassen. Eine Auswahl von rund fünfzig Arbeiten aus Noldes Werk - darunter skurrile Zeichnungen, Bergpostkarten, farbenprächtige Malereien und Aquarelle - wird mit wissenswerten oder humorvollen Kommentaren versehen. Darf man aber einem Sieben- bis Zehnjährigen keine eigenen, freien Assoziationen mehr zutrauen? Kinder sind immer noch die besseren Beobachter, und es wirkt müßig, ihnen etwa die aufgewühlte Stimmung eines Landschaftsbildes, die strahlende Farbkraft oder Zartheit in Noldes Blumen und Tieren, die ekstatischen Bewegungen seiner Tänzerinnen oder das Düster-Geheimnisvolle seiner Ungeheuerwelten in wenigen Sätzen vorzukauen. Um die Fantasie und das intuitive Gespür der Kinder aus der Reserve zu locken, sie in die Kunst eintauchen zu lassen, ihnen auch den schlichten Spaß genau daran zu vermitteln, dazu wird hier wohl zuviel vorweggenommen und durch jede Menge Wissen ersetzt.
Als braves Bildungsbuch ist das vorliegende Werk ein unprätentiöses und gutrecherchiertes Beispiel. Aber angesichts der Vielzahl von Kunst-Kinderbüchern, die den Markt derzeit überschwemmen, stellt sich natürlich die grundsätzliche Frage, was man den Kindern zuletzt damit eigentlich vermitteln will: das kleine Einmaleins der Kunstgeschichte? Den vielzitierten "Zugang zu Kunst" - indem man die Folie einer Künstlerfigur vorspannt, damit die kleinen Kunstkenner zumindest von der Biographie Noldes oder Picassos schon bald viel zu erzählen wissen? Oder geht es auch darum, eine echte Neugierde für Kunst zu wecken - mit all ihrer Schärfe, den Ecken, Kanten, Ungereimtheiten? Dann läge wohl das weitaus größere und spannendere Potential darin, den Stier bei den Hörnern zu packen und ebendort anzufangen, wo der Künstler aufgehört hat: beim Kunstwerk.
NINA HOLLEIN
Mario Giordano: "Emil Nolde für Kinder". Dumont Buchverlag, Köln 2006. 62 S., geb., 16,90 [Euro]. Ab 6 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Skeptisch betrachtet Rezensentin Nina Hollein das Buch "Emil Nolde für Kinder", das Mario Giordano vorgelegt hat. Dabei findet sie die Idee durchaus gut, Kinder an die Kunst heranzuführen. Im vorliegenden Fall werden hierzu Daten und Fakten aus Noldes Leben mit Anekdoten und Originalzitaten und mit einer Auswahl von Bildern und Zeichnungen des Künstlers garniert. Entstanden ist nach Holleins Ansicht ein "braves Bildungsbuch". Sie hält Giordano allerdings vor, der kindlichen Fantasie und Intuition zu wenig Raum zu geben. Die Kommentierung der Bilder nimmt ihres Erachtens zuviel vorweg. Den Kindern bleibe kaum mehr etwas zum Selbstentdecken. Das Buch scheint Hollein vielleicht für die Ausbildung kleiner Kunstkenner geeignet. Aber sie bezweifelt, dass es bei Kindern "echte Neugierde" auf die Kunst wecken wird.
© Perlentaucher Medien GmbH
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