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Zahllos sind die Legenden, die sich um Lady Hamilton (1765 - 1815) ranken. Das bigotte 19. Jahrhundert hielt sie für eine Prostituierte, weil sie arm war und sich von einem reichen Mann angeln und heiraten ließ. Auf der weißen Weste des englischen Nationalhelden Nelson war sie der dunkle Fleck. Sicher ist, sie war die prominenteste, die erfolgreichste Aufsteigerin ihrer Zeit, nicht zletzt wegen ihrer Schönheit die meist porträtierte Frau des 18. Jahrhunderts, eine Berühmtheit ihrer besonderen Darstellungskunst wegen. Gilbert Sinoué lässt die ungewöhnliche Biographie dieser Frau wieder vor uns…mehr

Produktbeschreibung
Zahllos sind die Legenden, die sich um Lady Hamilton (1765 - 1815) ranken. Das bigotte 19. Jahrhundert hielt sie für eine Prostituierte, weil sie arm war und sich von einem reichen Mann angeln und heiraten ließ. Auf der weißen Weste des englischen Nationalhelden Nelson war sie der dunkle Fleck. Sicher ist, sie war die prominenteste, die erfolgreichste Aufsteigerin ihrer Zeit, nicht zletzt wegen ihrer Schönheit die meist porträtierte Frau des 18. Jahrhunderts, eine Berühmtheit ihrer besonderen Darstellungskunst wegen.
Gilbert Sinoué lässt die ungewöhnliche Biographie dieser Frau wieder vor uns erstehen.
Mit Lady Hamilton lernen wir das Leben in der englischen Weltmetropole am Ende des 18. Jahrhunderts kennen, das Neapel der Bourbonen mit Maria Karolina, der Schwester Marie Antoinettes, dem Botschafter Lord Hamilton und den vielen erlauchten Gästen; wir durchreisen mit der "Tria juncta in uno" im Jahr 1800 Europa, Lady Hamilton singt zu Haydns Musik beim Fürsten Esterhazy und lauscht Klopstock in Hamburg; überall wird Nelson, der Feind Napoleons, mit Beifallsstürmen begrüßt - und Lord Hamilton, der auf der Reise häufig unpäßlich ist, beklagt den "Nonsense" mit der inzwischen von Nelson schwangeren Emma und seinem besten Freund. Gilbert Sinoué, bekannt und berühmt geworden für seine historischen Romane, läßt die ungewöhnliche Biographie dieser Frau, die mit 50 Jahren verarmt starb, wieder vor uns erstehen. Sein Gespür für Gefühle, sein kunstvoller Erzählstil schaffen Nähe zu "Emma", die für die einen tragisch scheiterte, von den andern bevorzugt ignoriert, von fast allen aber bewundert wurde.
Autorenporträt
Holger Fock, geboren 1958 in Ludwigsburg, übersetzt seit 25 Jahren französische Literatur. Er lebt zusammen mit der Übersetzerin Sabine Müller und zwei Kindern im Raum Heidelberg.
Gemeinsam mit Sabine Müller wurde er 2011 mit dem "Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis" ausgezeichnet und 2015 erhielt er den "Prix Lémanique de la Traduction".
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ihre Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen haftete Emma Hamilton trotz allen Ruhms als Makel an, meint Marion Löhndorf; gerade oder weil sie als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit galt, verheiratet mit dem englischen Botschafter in Neapel, Lord Hamilton, liiert mit Lord Nelson, dem späteren Kriegshelden der englischen Flotte. Was war an dieser Frau so faszinierend, was hat ihre Anziehungskraft wirklich ausgemacht, fragt sich Löhndorf trotz soeben erfolgter Lektüre der Hamilton-Biografie von Gilbert Sinoue. Obwohl Sinoue ganz dicht - im Präsens - am biografischen Geschehen bleibe, bringe es der Autor nur zu pauschalen Urteilen, beklagt Löhndorf. Wo der Verfasser nicht mit belegten Quellen und Fakten aufwarten kann, greift er offen zur Fiktion, berichtet Löhndorf, indem er seine Spekulationen pseudo-dokumentarisch in Fragen kleide, den Gegenstand seiner Betrachtungen dabei aber im Grunde banalisiere, kritisiert Löhndorf. Negativ überrascht sie auch, dass Sinoue kaum Passagen aus Hamiltons eigener Korrespondenz zitiert, sondern nur andere zu Wort kommen lässt. Der Verfasser habe selbst ein ambivalentes Verhältnis zu Emma Hamilton, vermutet Löhndorf und spürt Herablassung in seiner Lebensbeschreibung. So degradiert auch diese Biografie Emma Hamilton noch einmal zum Objekt, stellt Löhndorf abschließend fest.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.08.2003

Zur Geliebten geboren
In Gilbert Sinoués Biographie bleibt Lady Hamilton dennoch blaß

Die spektakuläre Lebensgeschichte der Lady Hamilton ist eine Aschenputtel-Geschichte - allerdings mit wenig märchenhaftem Ende. Jetzt hat sich der in Ägypten geborene Romancier Gilbert Sinoué den Fall erneut vorgenommen. In seiner Biographie berichtet er, wie Emma Hamilton, aus ärmsten Verhältnissen stammend, als Vierzehnjährige 1779 nach London kam, dort als Dienstmädchen arbeitete, von einem jungen Adligen geschwängert und sitzengelassen wurde, von einem seiner Freunde aufgenommen, wiederum verlassen und schließlich an seinen Onkel Lord Hamilton buchstäblich weitergereicht wurde. Hamilton, zu jener Zeit Botschafter in Neapel und dreißig Jahre älter, heiratete die junge Frau.

Im Jahre 1793 traf Emma auf Lord Nelson (der damals erst Kapitän und noch kein Kriegsheld war) und begann bald darauf ihre berühmt gewordene Liebesaffäre mit ihm. Nelson und das Ehepaar Hamilton reisten und lebten gemeinsam in einer offenbar jahrelang gut funktionierenden ménage à trois. Hämische Karikaturen und Schilderungen illustrierten das skandalöse Verhältnis; die Tagebücher der Zeitgenossen, die ihnen begegneten, sind voll davon. Wenige Jahre nach dem Tod von Lord Nelson und Lord Hamilton starb Lady Hamilton verarmt in Calais.

Emma Hamilton galt als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit und wurde unzählige Male porträtiert. George Romney verfiel ihr geradezu und stellte sie über die Jahre immer wieder auf die schmeichelhafteste Weise dar. Dennoch hatte sie, wie aus den vielen von Sinoué zitierten Quellen hervorgeht, nicht nur Bewunderer. Zeitgenossen ließen in ihren - oft sehr widersprüchlichen - Beschreibungen vor allem ihrer Herablassung freien Lauf. Gerade ihre Anziehungskraft und den gesellschaftlichen Aufstieg aus armen Verhältnissen verzieh man ihr nicht. Immer wieder weisen Zeitgenossen aus der sozialen Sphäre, in die sie als verheiratete Adelige, als Botschaftergattin und schließlich als Geliebte des Seehelden der Nation geriet, auf den Makel ihrer Herkunft hin. Auch die Liebesgeschichte mit Lord Nelson war ihrer Beliebtheit wenig dienlich. Neue Nahrung fand die Häme, als sie gegen Ende ihres nur fünfzigjährigen Lebens fülliger wurde und zu trinken begann.

In ihrer Glanzzeit wurde sie reich und berühmt nur dafür, sie selbst - an der Seite berühmter und einflußreicher Männer - zu sein: ohne eigenes Dazutun, ohne Verdienst und Beruf. Damit scheint sie die Illustriertenstars von heute in mancher Hinsicht vorwegzunehmen, mit dem Unterschied allerdings, daß die Auswahlmöglichkeiten in ihrer Situation begrenzt waren. Ob sie, von Anfang an gewohnt und dazu erzogen, ihr Leben von anderen bestimmen zu lassen, es vielleicht in einem anderen geschichtlichen Kontext selbst hätte in die Hand nehmen können - Gilbert Sinoué spekuliert nicht einmal darüber. Auch die wohl leichter zu beantwortende Frage, ob und inwiefern Emma ihr Leben zu steuern in der Lage war oder sie nur ein Spielball der sozialen Verhältnisse (und der Männer, denen sie begegnete) war, bleibt offen.

Gilbert Sinoué erzählt Lady Hamiltons Geschichte ganz dicht am Geschehen, im Präsens. Er zitiert - nur gelegentlich genau belegte - Quellen, beruft sich auf andere Biographen und läßt, wo keine Belege zur Hand sind, Phantasie und Intuition walten. Dabei vermischt er Fiktion und Fakten, sein Trick aber besteht darin, die Fiktion als solche zu kennzeichnen. So bezieht er den Leser oft scheinbar in seine Überlegungen ein, indem er seine Spekulationen über dokumentarisch nicht belegte Fakten in Fragen kleidet. Auch über die Gefühlsregungen seiner Helden und Heldinnen wird in melodramatisch ausgekleideten Einzelsituationen spekuliert ("Wo ist sie in ihren Gedanken?"). Der Autor benutzt die Sprache von Trivialromanen, was ihm vor allem dazu zu dienen scheint, den Mangel an gründlicher Information und Überlegung mit großer Geste und der Ausschmückung mit Banalem oder längst Bekanntem zu überdecken. So wird Emma gleich auf der ersten Seite entsprechend vorgestellt: "Unter ihrem Wollkleid wölbt sich schon ihr Busen. Ihr ovales Gesicht, von schwerem, goldbraunem Haar umrahmt, ist vollkommen regelmäßig. Sie hat von Natur aus einen Kirschenmund, und ihr Lächeln ist verführerisch und arglos zugleich. Über ihren tiefblauen Augen liegt ein violetter Schimmer. Im Zittern ihrer Mundwinkel deutet sich alle Sinnlichkeit der Welt an."

Anstelle von Spekulationen über das Zittern ihrer Mundwinkel hätte man gern Genaueres über ihren Charakter, ihre Konflikte und Widersprüche erfahren und über das, was ihre Anziehungskraft tatsächlich ausgemacht haben könnte. Doch Sinoués Wesensbeschreibungen der Heldin fallen pauschal aus: "Sie war ein von Grund auf guter Mensch, großzügig in jeder Hinsicht." Insgesamt wird ein ambivalentes Verhältnis des Biographen zur Porträtierten spürbar: Er banalisiert sie mit derselben freundlichen Herablassung wie viele ihrer Zeitgenossen. Die häufigen Originalzitate erscheinen wie Inseln in seinem eigenen Wortgeplätscher, auch wenn sie oft aus Spott für die Hauptfigur bestehen. Zuletzt überrascht es wenig, daß Emma Hamilton fast ausschließlich in den Aussagen anderer erscheint. Ganz selten finden sich Passagen aus ihren eigenen Briefen: So degradiert die Biographie Emma Hamilton noch einmal zum Objekt, anstatt sie als Subjekt seiner Betrachtung ernst zu nehmen.

MARION LÖHNDORF

Gilbert Sinoué: "Emma". Das Leben der Lady Hamilton. Aus dem Französischen übersetzt von Sabine Müller und Holger Fock. Verlag C. H. Beck, München 2003. 319 S., 12 Abb., geb., 19,10 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Gilbert Sinoué schildert das turbulente Auf und Ab im Leben der Emma Hamilton mit viel Einfühlungsvermögen, lässt verschiedene Stimmen zu Wort kommen, auch die kritischen und neidischen ... Mit Wohlwollen, auch Sympathie breitet er die ungewöhnliche Biographie einer ungewöhnlichen Frau vor dem Leser aus." (Südwest Presse)