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Emmanuel Bove ist ein unerklärlicher Mythos: Zu Lebzeiten ein anerkannter, gefeierter Literat, wurde er nach seinem Tod 1945 schnell vergessen. Erst in den siebziger Jahren kam es zu einer Renaissance, im deutschsprachigen Raum durch die Übersetzungen von Peter Handke: Meine Freunde, Armand und Becon-les-Bruyeres. Emmanuel Bove wird am 20. April 1898 in Paris geboren, seine Kindheit und Jugend sind gekennzeichnet von großer Armut. Nach dreijähriger Militärzeit heiratet er die Lehrerin Suzanne Valois und lebt vorübergehend wegen des günstigen Wechselkurses in Österreich. Hier beginnt er zu…mehr

Produktbeschreibung
Emmanuel Bove ist ein unerklärlicher Mythos: Zu Lebzeiten ein anerkannter, gefeierter Literat, wurde er nach seinem Tod 1945 schnell vergessen. Erst in den siebziger Jahren kam es zu einer Renaissance, im deutschsprachigen Raum durch die Übersetzungen von Peter Handke: Meine Freunde, Armand und Becon-les-Bruyeres. Emmanuel Bove wird am 20. April 1898 in Paris geboren, seine Kindheit und Jugend sind gekennzeichnet von großer Armut. Nach dreijähriger Militärzeit heiratet er die Lehrerin Suzanne Valois und lebt vorübergehend wegen des günstigen Wechselkurses in Österreich. Hier beginnt er zu schreiben. Mit seinem Erstling Meine Freunde wird er sogleich bekannt. Dennoch kann er die Fesseln seiner Kindheit nicht abstreifen. Seine Helden sind stets "antriebsschwache Eigenbrötler, die ihre Tage in ärmlichen Zimmern oder auf den Boulevards von Paris verrinnen lassen, in mehr oder weniger optimistischer Erwartung einer Wende, die ihnen zu Glück und Ansehen verhelfen soll", so Andreas Nentwich. Der unerklärliche Mythos, der um Bove entstanden war, bildet den Ausgangspunkt für die Biographie von Raymond Cousse, dessen Pionierarbeit von Jean-Luc Bitton nach dessen Tod abgeschlossen wurde. Nach mehr als zehn Jahren minutiöser Recherchen gelingt es, den Schleier um Emmanuel Bove und sein Werk zu lüften.
Autorenporträt
Raymound Cousse, geboren 1942 in Saint-Germain-en-Laye, war Schriftsteller und Theaterregisseur. 1991, noch mitten in der Arbeit an dieser Biographie, setzte er seinem Leben überraschend ein Ende. Jean-Luc Bitton, geboren 1959 in Lyon, lebt in Paris und arbeitet schwerpunktmäßig in den Bereichen Film, Video und Medien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.1995

Krümel auf der Hose
Bekannter Unbekannter: Zur Biographie von Emmanuel Bove

Kaum einer kennt Bove. Man sucht ihn, dessen Werke zwischen 1924 und 1945 erschienen, vergebens in dem "Lexikon der französischen Literatur", das sonst nie versagt, und findet in seiner Biographie eine lange Aufzählung der Nachschlagewerke, in denen er nicht vorkommt. Kopfschütteln allenthalben. Und doch: Rilke war neugierig auf ihn, Beckett war begeistert, und in unseren Tagen hat Peter Handke, ein Liebhaber der Verkannten, ihn wiederentdeckt und übersetzt.

Er hatte und hat eine Gemeinde, die Bovianer, er lebt weniger von Neuauflagen als von Begeisterungen. Die Biographie ist nützlich, ihn näher kennenzulernen, eine unglückliche Person, die mit siebenundvierzig Jahren an Herzschwäche und Malaria starb, und die unglücklichen Umstände, die immer nur ein zeitweiliges Aufflackern des Interesses an dem aparten Schriftsteller und armen Teufel erlauben. Man muß ihn schon selbst lesen, um zu erfahren, was an ihm dran ist, aber sein Hauptwerk, "Meine Freunde", ist zur Zeit vergriffen. So schaut man eben in seine von Handke übersetzte Erzählung "Armand" hinein.

Dieser Armand hat einen Freund, Lucien, aus der Zeit seiner bitteren Armut, aber nun hat Armand, mit Jeanne, eine gute Partie gemacht, und er kann den Kumpel nicht mit nach Hause bringen. Er trifft ihn zufällig, sie gehen in ein Café. "Lucien nahm den Hut ab, legte ihn auf ein Rundtischchen, wurde jäh unsicher, ob man einen Hut auf einen Tisch legen durfte, und hob ihn sogleich wieder auf." Später, als sie gehen, hat er Croissantkrümel in den Hosenaufschlägen. Von solchen kleinen Beobachtungen wimmelt es in Boves vielen Romanen und Erzählungen, die eigentlich mehr oder weniger ausgeführte Augenblicksbilder sind - so daß einer seiner Kritiker von der "aufsehenerregenden Monotonie" seines Schreibens gesprochen hat. Auch von einem kristallinen Sprachstil ist die Rede, und gemeint ist damit die saubere Plazierung der Gesten und Gegenstände, ihre sehr scharfe Beleuchtung und Fixierung. Der "Nouveau Roman" der sechziger Jahre hat das fortgesetzt, und als man Bove in den Siebzigern wiederentdeckte, haben bedeutende Künstler seine Erzählungen in bibliophilen Ausgaben illustriert.

Das große Publikum freilich war und ist mit dieser Beschreibungskunst, die die Gefühle an den Rand verbannt und die Krümel sammelt, nur schwer zu gewinnen. Es ist der fremde Blick, der auf die Dinge fällt, der des radikal Außenstehenden, den die 1994 erschienene und nun von Thomas Laux ins Deutsche übersetzte Biographie ihrerseits mit den zugehörigen Details ausstattet. Emmanuel Bobovnikoff kommt 1898 als Sohn eines mittellosen russischen Juden in Paris auf die Welt. Die Mutter, eine deutschsprechende Luxemburgerin, muß als Dienstmädchen arbeiten. Dann findet der Vater eine reiche englische Jüdin und zieht mit ihr nach Genf, Emmanuel wird mitgenommen und besucht mit wenig Glück englische Schulen. Leider verliert Emily, die Engländerin, durch den Krieg ihr ganzes Vermögen; Emmanuel muß auf eigenen Füßen stehen und verdient sein bescheidenes Geld als Taxifahrer und Hilfsarbeiter in Paris, nun wieder bei seiner Mutter und seinem Bruder Léon. Die Familie wird wegen Mietschulden häufig auf die Straße gesetzt, er selbst ist der Polizei verdächtig und wird einen Monat lang in der Santé inhaftiert. Er heiratet die Lehrerin Suzan Valois und zieht mit ihr "wegen des günstigen Wechselkurses" nach Tulln bei Wien, "aber das Leben dort erweist sich als weniger leicht als erwartet".

Von Knabenzeiten an hat Emmanuel, der sich nun Bove nennt, geschrieben, mit sechsundzwanzig hat er zum ersten Mal Erfolg, Colette sorgt dafür, daß "Mes amis" gedruckt wird. Sacha Guitry lobt ihn überschwenglich im "Candide". Die Karriere könnte beginnen, ja, sie scheint gesichert, als er 1929 die 50000 Francs des Prix Figuière erhält und 1930 Louise Ottensooser heiratet, die aus einer reichen jüdischen Bankiersfamilie stammt. Nur - Bove ist der Pechvogel, der er sein will, zu dem er geboren ist. Louises Bank macht Bankrott, ihr Kind stirbt bei der Geburt. 1936 erkrankt er selber schwer, 1940 wird er eingezogen und arbeitet in einer Gießerei. Er hat sich der Volksfront angeschlossen und muß mit seiner jüdischen Frau fliehen. In Algier konnte, durfte er wieder schreiben, er wird als blaß und ausgemergelt beschrieben; "sah man ihn auf der Straße, hatte man das Gefühl, daß er bald verschwinden würde". Nach Frankreich zurückgekehrt, erlebte er noch die Veröffentlichung seiner letzten Romane, einen Monat später war er tot.

Er wäre arriviert, wenn ihm sein Elend nicht angehangen, wenn ihn das Milieu der Arrivierten akzeptiert hätte. Er blieb linkisch, mißtrauisch, im Grunde waren ihm Kaviar und Entenragout à la Bourgogne zuwider, er redete nicht, sondern hörte zu, notierte innerlich, zog sich in sein Zimmer zurück. Nur einsames Golfspielen bereitete ihm in der kurzen Glanzperiode seines Lebens Vergnügen. Doch gerade weil er sich so zurückzog, konnte er der Beobachter von einem anderen Stern werden.

Nur verwandten Seelen fiel er auf. Eine davon war der Schauspieler Raymond Cousse, der zehn Jahre lang die Spur Boves verfolgte, seinen Bruder und seine Tochter erzählen ließ, den Überseekoffer öffnete, den Madame Louise, als sie einundachtzigjährig starb, unter dem Bett stehen hatte, das Hin und Her seiner literarischen Bemühungen in Ordnung brachte und der sich, als das erste Kapitel fertig war, das Leben nahm. Jean-Luc Bitton hat das Buch zu Ende geschrieben. Es enthält viele Bilder und einen Anhang mit verstreuten Texten.

Vorangestellt ist ein Brief Peter Handkes an Jean-Luc Bitton, der auf anderthalb Seiten Wesentliches sagt. Handke zitiert Max Jacob: "Hier stellt die Analyse keinen Luxus dar wie bei Proust . . . Ihre Analyse jedenfalls hebt nicht wegen irgendwelcher Luxus- und Kunstbagatellen vom Boden ab." Und er verkündet: "Emmanuel Bove müßte zum Schutzpatron der (reinen) Schriftsteller erkoren werden, noch mehr als Kafka und genau so wie Anton Tschechow und Francis Scott Fitzgerald."

Im letzten Kapitel der Biographie, auf der letzten Seite, steht ein Satz Emmanuel Boves, den man dem vorherigen anreihen könnte: Was er suche, sei nicht das Geld, die Freundschaft und auch nicht der Ruhm. "Es ist ein Platz unter den Menschen, ein Platz für mich, ein Platz, den sie als den meinigen anerkennen würden, neidlos, weil er gar nichts Beneidenswertes an sich hätte." WERNER ROSS

Raymond Cousse/Jean-Luc Bitton: "Emmanuel Bove", Biographie. Aus dem Französischen übersetzt von Thomas Laux. Deuticke Verlag, Wien 1995. 336 Seiten, geb., 49,80 DM.

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