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Produktdetails
  • Verlag: Plon
  • Erscheinungstermin: Mai 2017
  • Französisch
  • Abmessung: 200mm x 133mm x 22mm
  • Gewicht: 275g
  • ISBN-13: 9782259217057
  • ISBN-10: 2259217052
  • Artikelnr.: 48345070
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2017

Mission Großmutter
Ein Mann mit Wirkung: Die Journalistin Anne Fulda versucht sich an einem Porträt Emmanuel Macrons

Irgendwann hat sie ihn doch so weit. Da sitzen sie beide nach einem Wahlkampfauftritt in der französischen Provinz im Wagen, der Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron und die Journalistin Anne Fulda, die an einem Buch über ihn schreibt. Und sie stellt die Frage, auf die dieses Buch, das in Frankreich kurz vor dem ersten Wahlgang erschien, dann oft zurückkommt: Ob er denn das alles letztlich wegen seiner Großmutter tue? Wegen jener von ihm so geliebten Großmutter, der passionierten Schuldirektorin, der er nicht nur im autobiographischen Rückblick seines Buchs "Revolution" ein Denkmal gesetzt hat, sondern von der er auch oft bei seinen Auftritten spricht. Überrascht sei er von dieser Frage gewesen, schreibt Anne Fulda, wenn sie gegen Ende ihres Buchs diese Szene einschaltet: "Er schaut mit verlorenem Blick aus dem Fenster und murmelt ,Ja, vielleicht'."

Macron mag von der Frage überrascht gewesen sein oder auch höflicherweise so getan haben gegenüber einer Journalistin, deren Hang zu tief anmutenden psychologischen Einblicken ihm vielleicht nicht entgangen war. Der Leser des Buches ist es, wenn er zu dieser Passage kommt, allerdings kaum mehr. Dieser Großmutter ist er schließlich - neben der Gattin Brigitte - schon auf den ersten fünfzig Seiten von Anne Fuldas Buch immer wieder begegnet, in denen es um die Familiengeschichte Macrons geht. Oder besser: um die Familiengeschichten im Plural. Denn die Mutter Macrons darf sich hier im Gespräch unter Frauen sachte darüber beklagen, zuerst hinter der Großmutter zurückgestanden zu haben, und dann hinter der zweiten, größeren Familie, zu der ihr Sohn schließlich durch die Heirat mit seiner mehr als zwei Jahrzehnte älteren ehemaligen Professorin - sie leitete die Theatergruppe am katholischen Institut in Amiens - kam.

Anne Fulda gibt da eigentlich bereits die Antwort auf die Frage, von der sie später erst berichtet: Ob es dann nicht durchaus die Großmutter sein könnte, an die Macron sich richtet, wenn er einen Wahlkampfauftritt in Paris "wie der Gekreuzigte mit ausgestreckten Armen beendet, oder wenn er in Lyon, die Hand auf dem Herzen, mit geschlossenen Augen die Marseillaise singt? Wie verzaubert und in die wunderbare Welt seiner Kindheitsträume entrückt." Die gewählte Form der rhetorischen Frage ist charakteristisch - und die Neigung, ausgebreitete Arme gleich der christlichen Ikonographie zuzuordnen, auch: Solche Vermutung zu hegen ist für diese Autorin einfach viel zu einladend, als dass sie auf sie verzichten wollte.

Es ist auch nicht einmal gesagt, dass sie mit ihnen ganz falsch liegt, bloß ist ihr Erkenntniswert recht bescheiden. Er reicht kaum über das hinaus, was Macron selbst über seine Großmutter geschrieben und gesagt hat. Anne Fulda hält das zwar einerseits für eine "Idealisierung", folgt den Winken aber andererseits willig - und das ist nicht untypisch für ihr Verfahren insgesamt. Womit die Autorin zu kämpfen hat, das macht sie selbst hinreichend klar: mit der Tatsache, einem durch und durch exzeptionellen Mann nachzuspüren. Wen immer sie spricht, wessen Erinnerungen und Äußerungen sie auch heranzieht, alle bezeugen sie eine durchschlagende Wirkung. Von Schulkameraden über Mitstudenten an der Kaderschmiede der nationalen Verwaltungshochschule ENA über die durchaus geerdete Ehefrau und die Kollegen der Bank Rothschild bis zu den Patres aus Wirtschaft und Politik, die seine Karriere förderten, alle sprechen sie von seiner Offenheit, seiner Intelligenz, seiner Arbeitskraft, seinem Charisma.

Vor diesem Hintergrund nimmt es sich wie Notwehr aus, wenn die Autorin hin und wieder ansetzt, doch ein wenig an diesem Bild zu kratzen. Dann gehen die Vermutungen in die Richtung, dass sich hinter dieser strahlenden Oberfläche vielleicht doch ein kühl kalkulierender und selbstbezogener Technokrat verbirgt. Bloß keine ihrer Beobachtungen, keine ihrer Quellen lässt sich für diesen Verdacht wirklich einspannen. Dass Faszinierende an der Wirkung Macrons, wie sie hier dokumentiert wird, scheint vielmehr gerade, dass er dieser Aufrechnung von Substanz gegen Schauseite entgeht.

Die Vorzüge des Technokraten hat er durchaus, doch dort, wo man sonst dessen Schwächen verortet, da steht bei ihm die offensichtlich mitreißende Kunst eines offenen Umgangs mit Gesprächspartnern aus ganz verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Ob man viel gewinnt, wenn man diese Verführungskraft mit der Autorin als die eines "asexuellen Don Juan" charakterisiert, bleibt der Einschätzung des Lesers überlassen. Die Besonderheit des Paares Macron treibt halt viele um. Worauf Anne Fulda so gut wie gar nicht eingeht, das ist die politische Mission, der Macron sich verschrieben hat. Aber selbst wenn sie es getan hätte: ihr Porträt schlicht als "Die Biographie" anzupreisen, wie es die deutsche Ausgabe tut, ist verlegerische Großspurigkeit.

HELMUT MAYER

Anne Fulda: "Emmanuel

Macron". Die Biographie.

Aus dem Französischen von N. Denis, F. Mayer, B. Sund und V. Zimmermann. Aufbau Verlag, Berlin 2017. 224 S., br., 18,- [Euro].

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