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Richard Wollheim, einer der angesehensten Philosophen der Gegenwart, stellt in seinem neuen Buch eine ebenso weitreichende wie tiefgehende analytische Betrachtung über das Phänomen der Emotionen an. In einem ersten Schritt läßt er - im ständigen Rückgriff auf Literatur, Psychoanalyse und Kunst - deutlich werden, warum Emotionen eine eigenständige psychologische Kategorie bilden. Diese sind, so Wollheim in einem zweiten Schritt, nichts weniger als seelische Veranlagungen oder grundlegende psychische Kräfte, die, ähnlich wie Begierden oder Überzeugungen, uns plötzlich bewußt werden. Doch im…mehr

Produktbeschreibung
Richard Wollheim, einer der angesehensten Philosophen der Gegenwart, stellt in seinem neuen Buch eine ebenso weitreichende wie tiefgehende analytische Betrachtung über das Phänomen der Emotionen an. In einem ersten Schritt läßt er - im ständigen Rückgriff auf Literatur, Psychoanalyse und Kunst - deutlich werden, warum Emotionen eine eigenständige psychologische Kategorie bilden. Diese sind, so Wollheim in einem zweiten Schritt, nichts weniger als seelische Veranlagungen oder grundlegende psychische Kräfte, die, ähnlich wie Begierden oder Überzeugungen, uns plötzlich bewußt werden. Doch im Unterschied zu diesen sind Emotionen eine bestimmte Form der Geisteshaltung bzw. der Einstellung zur Welt. Sie sind eine mentale Disposition ganz eigener Art. Wollheims Nachdenken darüber, was Emotionen sind, wie sie sich in unserem Alltag zeigen und weshalb sich "gewöhnliche" von moralischen Emotionen unterscheiden, hat zu einem facettenreichen, klar argumentierenden Buch geführt, das viele traditionelle Vorstellungen in Zweifel zieht. Es ist gleichzeitig Ausdruck des Bemühens, Emotionalität zu repsychologisieren, um so die Ausdrucksformen des menschlichen Geistes für Psychologie und Philosophie zurückzugewinnen.
Autorenporträt
Richard Wollheim, Professor für Philosophie und Psychoanalytiker, leitet das Institut für Philosophie der University of California in Berkeley (USA). In Deutschland machten ihn vor allem seine Arbeiten zum Begründer der Psychoanalyse (Sigmund Freud, München 1972) und zur Kunst (Objekte der Kunst, Frankf./M. 1982) bekannt.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2001

Wünsch dir was, dann fühlst du was
Mit Schulterblick: Richard Wollheim bereitet den Emotionen ein eigenes Plätzchen in der Philosophie / Von Manuela Lenzen

Bei Richard Wollheim herrscht Ordnung. Auf der Karte des menschlichen Geistes, wie er sie in seinem neuen, auf die Ernst-Cassirer-Vorlesungen von 1991 zurückgehenden Buch zeichnet, zieht sich ein breiter Graben durch die mentale Landschaft. Auf der einen Seite dieses Grabens wohnen die mentalen Zustände, die "Lebensäußerungen des Geistes": Sinneswahrnehmungen und Empfindungen zum Beispiel, Vorstellungen und Gedanken. Auf der anderen Seite leben die mentalen Dispositionen: Überzeugungen und Wünsche, Wissen und Erinnerungen, Fähigkeiten und Gewohnheiten, Ängste, Laster und Tugenden. Anders als ihre flüchtigen Nachbarn sind sie beständige Gesellen, die die Menschen über längere Strecken ihres Lebens begleiten.

Unter den Dispositionen trifft man die Emotionen an, jene Phänomene, die die Philosophenzunft meist eher mit spitzen Fingern angefaßt hat, galten sie doch die längste Zeit als Widerpart der Vernunft. Die Zeiten haben sich geändert. Emotionen sind heute als essentielle Bestandteile der menschlichen Intelligenz akzeptiert. Was sie allerdings genau sind, zu dieser Frage fanden Forscher bei der Durchsicht der Fachliteratur schon in den achtziger Jahren mehr als hundert verschiedene Antworten.

Die mentalen Phänomene machen den Philosophen vor allem ontologische Bauchschmerzen: Welche der Begriffe, mit denen wir alltäglich über die Vorgänge in unserem Kopf reden, bezeichnen etwas, was es wirklich gibt? Während die Realität mentaler Zustände selten in Zweifel gezogen wird, sieht es bei den Dispositionen anders aus. Könnten sie nicht einfach Muster sein, die ein Beobachter in unserem Verhalten entdeckt? Nein, meint Wollheim. Er hat sich die "Repsychologisierung" der Dispositionen und mit ihnen der Emotionen auf die Fahne geschrieben, den Nachweis, daß es sich um echte mentale Phänomene eigener Art handelt. Und damit natürlich um einen legitimen Gegenstand der Philosophie und - der Autor ist nicht nur Philosophieprofessor in Berkeley, sondern auch Psychoanalytiker - um einen der Psychologie.

Wenn Dispositionen bloße Muster wären, fragt Wollheim, wie könnten wir von unseren eigenen Dispositionen wissen, sagen, daß unser Glaube stark oder schwach ist? Wie könnte man sie zur Erklärung der Handlungen anderer Menschen verwenden, etwa wenn man sagt, daß er aus Eifersucht, Angst oder Ehrlichkeit handelte? Auf diese Fragen haben die einschlägigen Autoren, Wollheim bezieht sich vor allem auf Gilbert Ryle, durchaus Antworten, die der Autor aber nicht weiter diskutiert.

Interessanter wird die Realität der Dispositionen, wenn Wollheim den Charakter von Wünschen behandelt: Es sei zu intellektualistisch, anzunehmen, man könne die Gehalte von Wünschen in daß-Sätzen ausdrücken, die allezeit in konsistenten Beziehungen der Art "Wer x will und glaubt, y zu tun, sei der richtige Weg, x zu erreichen, der wird y tun, es sei denn, es kommt etwas dazwischen" stehen. Worauf ein Wunsch zielt, so eine von Wollheims schönsten Einsichten, kann auch für den Wünschenden eine Frage von Versuch und Irrtum sein. Dies wäre schwer zu verstehen, wäre ein Wunsch nur ein Handlungsmuster und kein echtes mentales Phänomen.

Die Wünsche sind ohnehin die heimlichen Helden in Wollheims Buch. Denn die Emotionen kann man seiner Ansicht nach nur verstehen und identifizieren, wenn man zweierlei kennt: die Rolle, die sie im menschlichen Geist spielen, und ihre Entstehungsgeschichte. Die Rollen der mentalen Phänomene sind in Wollheims wohlaufgeräumter Geistesstube schnell behandelt: Die Überzeugungen liefern dem Menschen eine Karte seiner Welt. Seine Wünsche sagen ihm, wohin die Reise gehen soll. Und die Emotionen liefern ihm die Orientierung, die Einstellung zur Welt, indem sie diese bunt machen - oder auch grau, je nachdem. Die Entstehungsgeschichte der Emotionen macht dagegen den größten Teil des Werkes aus. Und in dieser spielen die Wünsche eine zentrale Rolle.

Emotionen, betont Wollheim, entstehen nicht einfach so. Sie treten "gleichsam auf den Schultern unserer Wünsche in unser Leben"; sie entstehen, wenn Wünsche erfüllt oder enttäuscht werden. Positive Emotionen im ersten Fall, negative im zweiten. Dies ist nicht unmittelbar einleuchtend. Wenn ich Angst bekomme, weil ich in einer dunklen Gasse Schritte hinter mit höre, bekomme ich dann Angst, weil mein Wunsch, heil nach Hause zu kommen, enttäuscht zu werden droht? Oder weil mein Wunsch, mir mögen in der dunklen Gasse keine Schritte folgen, enttäuscht wurde? Die Frage stellt sich, ob Wollheim den Begriff des Wunsches hier nicht zur Unerkennbarkeit überdehnt.

Ähnlich steht es mit Wollheims These, Emotionen motivierten nicht. Zwar sagen wir, daß wir aus Angst weglaufen, doch damit ist nach Wollheim nur eine Konjunktion aus Emotionen und gewöhnlich folgenden Handlungen gemeint. Emotionen lassen Wünsche entstehen: Wer eine Frau liebt, wünscht, daß es ihr gutgeht. Und diese Wünsche können zusammen mit instrumentellen Überzeugungen darüber, was zu welchem Zweck zu tun ist, Handlungen auslösen. Emotionen selbst können das nicht. Ich nehme also nicht aus Angst die Beine in die Hand, sondern wegen meines Wunsches wegzulaufen. Ist ein Wunsch erfüllt oder enttäuscht worden, real oder in der Vorstellung, läßt der Wünschende zuerst noch seine Gedanken schweifen. Das, woran sie hängenbleiben, macht der Wünschende als Ursache der Erfüllung oder Enttäuschung seines Wunsches aus. Ob er damit richtig liegt, ist für die Entstehung einer Emotion nicht so wichtig. Dann entwickelt der Mensch eine Haltung oder Einstellung zu diesem auslösenden Faktor.

Eine echte Emotion entwickelt sich erst, wenn die ursprüngliche Erfahrung transformiert wird und der Wünschende eine "Korrespondenz" zwischen der Erfüllung oder Nichterfüllung des Wunsches und dem, was er für die Ursache hält, identifiziert. Diese Korrespondenz ist ein Verhältnis, wie es etwa zwischen Lächeln und freudiger Stimmung besteht. Diesen Gedanken genauer zu erläutern, sieht sich der Autor leider außerstande.

Wenn dieser Transformationsprozeß zu weit geht, wenn etwa jemand die Erfüllung oder Enttäuschung seiner Wünsche nicht ertragen kann und mit Abwehrmechanismen oder Angst reagiert, entstehen fehlgebildete Emotionen wie zum Beispiel Neid. Mit den moralischen Emotionen, Wollheim widmet sich Schuld und Scham, scheint es sich auf den ersten Blick anders zu verhalten. Sie entstehen nicht aus Erfüllung oder Enttäuschung, sondern, so Wollheim, durch Abwertung des Selbstbildes. Doch auch ihr Kern ist das Erzeugen einer Haltung, einer Haltung der Feindseligkeit, die die Person zu sich selbst einnimmt. Dabei introjiziert die Person eine zweite Person mit eigenen Eigenschaften und eigenem Verhaltensrepertoire, die als Kritiker fungiert.

Und wozu das Ganze? Erst wenn Menschen Emotionen ausgebildet haben, so Wollheim, sind ihre Handlungen wirklich ihre: "Unsere Antwort hängt jetzt nämlich davon ab, wie wir selbst sind, wie wir selbst die Welt wahrnehmen, und letztendlich von unserer Lebensgeschichte." Im andauernden Streit, ob eine Emotion eher so etwas wie ein Gedanke oder so etwas wie eine Empfindung ist, schlägt Wollheim sich auf die kognitive Seite. Der Kern der Emotion ist eine Haltung, eine positive, eine negative oder auch eine neutrale, aber jedenfalls kein Gefühl. Eine Emotion hat keine Phänomenologie. Man spürt sie nicht. Was man spürt, sind die körperlichen Veränderungen, die mit Emotionen einhergehen. Damit rückt Wollheim die Emotionen in die Nähe der Überzeugungen. Und damit drängen sich Zweifel auf, ob derart abgespeckte Emotionen noch gute Objekte für das ursprüngliche Vorhaben sind, den Emotionen einen eigenen Platz unter den mentalen Phänomenen zu sichern.

Wollheim philosophiert mit einer bei modernen Autoren selten anzutreffenden Ruhe. Sein Buch besticht durch die unglaublich filigrane Führung der Argumentation und ermüdet durch seinen staubtrockenen Stil. Er gesteht sich selbst mit einem Vorgehen, das er ein wenig unorthodox als "angewandte Philosophie" bezeichnet, einen tiefen Griff in den Methodentopf zu. Auf "Beobachtung und Experiment, auf den Alltagsgebrauch und traditionelle Überlieferungen, aber auch die Weisheit früherer Zeiten" will er sich stützen. Tatsächlich greift er vor allem auf klassisch philosophische Argumentationen, auf Romanzitate und auf die Psychoanalyse zurück, deren Ergebnisse er dem Leser ohne weitere Begründung als Wahrheiten präsentiert. Man kann nicht sagen, daß Wollheims Werk sich in die Reihe aktueller Neuerscheinungen zum Thema Emotionen einfügt. Es ragt eher wie eine etwas altertümliche Festung zwischen diesen hervor.

Richard Wollheim: "Emotionen". Eine Philosophie der Gefühle. Aus dem Englischen von Dietmar Zimmer. Verlag C.H.Beck, München 2001. 296 S., geb., 49,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2001

Feuchtbiotop
Richard Wollheim badet
im Meer der Gefühle
In dem Ratgeber-Buch von Stephen Covey „The 7 Habits of Highly Effective Families”, das zum Glück nicht ins Deutsche übersetzt ist, wird folgende Geschichte geschildert: Ein Mann beklagt den Niedergang der gegenseitigen Zuneigung zwischen ihm und seiner Gattin. „Was soll ich tun?”, fragt er Covey. Dessen Antwort: „Lieben Sie sie!” Die Erwiderung: „Ich habe doch gesagt, dass das Gefühl nicht mehr da ist.” Covey wiederholt: „Lieben Sie sie! Wenn das Gefühl nicht da ist, so ist dies gerade ein guter Grund, sie zu lieben.” Die ratlose Rückfrage: „Aber wie können Sie lieben, wenn Sie nicht lieben?” Coveys endgültiger Bescheid: „Mein Freund, Lieben ist eine Tätigkeitswort. Liebe – das Gefühl – ist eine Folge des Liebens, der Tätigkeit. Also: Lieben Sie!”
Stephen Covey träumt, man soll‘s nicht glauben, von der Machbarkeit der Liebe. Richard Wollheim hat nun ein Buch gegen diesen Traum oder Albtraum geschrieben: „Emotionen. Eine Philosophie der Gefühle”. Feinsinnig und akademisch, wie dieses Buch ist, erwähnt es Covey nicht, wohl aber dessen ernst zu nehmende Verbündete – all jene nämlich, die den selbstbestimmten Umgang der Person mit der Welt und sich selbst zu übersteigern pflegen. Um dieses Bild zu korrigieren, entwirft Richard Wollheim ein komplexes Modell von Geist und Seele des Menschen, in dem den Emotionen eine Schlüsselrolle zufällt.
Es ist, genauer gesagt, die Schlüsselrolle in einem Dreigestirn. Die Emotionen sind bei Wollheim eingefasst einerseits von „Überzeugungen”, mit denen sich das menschliche Wesen „ein Bild der Welt, in der es lebt”, macht, andererseits von „Wünschen”, die ihm „Ziele” vorgeben. Daraus ergibt sich ein Leben als Wechselspiel: Während wir uns zur Bildung von „Überzeugungen” an den Tatsachen ausrichten, versuchen wir zugleich, die Welt nach dem Bilde unserer Wünsche zu formen. Emotionen treten nun „gleichsam auf den Schultern unserer Wünsche in unser Leben”.
Wenn im Wunsch-Welt-Mechanismus nicht alles glatt aufgeht, wenn es einen positiven oder negativen Überschuss gibt, dann entwickeln sich emotionale Haltungen. Sie leiten unsere „Einstellung zur Welt”, sind aber direkter „rationaler Beeinflussung” oft „nicht zugänglich”. Deren „Machbarkeit” vom Subjekt her hält sich also in Grenzen. Nach Wollheim sind die Emotionen freilich auch nicht bloß Anhängsel körperlicher Prozesse: An dem Satz „Wir fühlen uns traurig, weil wir weinen” sei etwas faul, die Tatsache des Weinens könne nicht als Begründung für Trauer herhalten.
Reise in die Hinterwelt
Man spürt hier, wie die drei geistigen Paten, die Wollheim im Vorwort nennt – Hume, Freud und Montaigne – zusammenfinden: Die empirische Anbindung an Tatsachen, die psychoanalytische Komplikation seelischer Reaktionen auf die Wirklichkeit und die subtile Erforschung des eigenen Selbst, bei der wir „Geschichten mit unseren Emotionen assoziieren”, spielen ineinander.
Von wem sonst würde man sich lieber zu einer Reise in die emotionalen Hinterwelten der Person einladen lassen als von Wollheim, dem Philosophen und Psychoanalytiker aus Berkeley, der uns vom Umschlagbild weise und verschmitzt anblickt? Leider entspricht die Lust unterwegs nicht den Erwartungen vorab. Getrübt wird sie durch brüsk hingestellte Thesen (wonach etwa dem „Brustneid” des Säuglings, streng nach Melanie Klein, schwerwiegende Bedeutung zukommt); vergeblich wartet man auf ein Wort zu der Frage, wie die Emotionen bei ihrer Aufgabe, „Orientierung und eine Einstellung zur Welt” bereitzustellen, mit sozialen Normen zusammenwirken.
Amerikanische Philosophen werden gerühmt für ihre glasklare Argumentation. Oft ist diese durch Borniertheit erkauft, durch Eingrenzung des Blickfelds. Letzteres kann man Wollheim nicht ankreiden. Mit großer Gelehrsamkeit spaziert er durch Welt und Weltliteratur. Umgekehrt freilich ist bei ihm ein rapider Niedergang an Eleganz zu verzeichnen. Ständig gerät man an Querverweise, unscharfe Ankündigungen und vorläufige Resümees, und fast scheint es, als wäre der Autor, voll Hass über die Abstraktheit mancher Kollegen, mutwillig ins Bad der Welt gesprungen und würde nun um sich schlagen, bis die Sahne steif geschlagen ist, in der er zu ertrinken droht. Am Ende ist sie ihm zu Butter verklumpt.
Nichts gegen Butter: Stückweise bleibt die Lektüre ein Genuss, etwa in den Passagen über Schuld und Scham. Hier schreibt Wollheim subtil über das Aufkommen der Scham beim Aktmodell, das plötzlich die Begehrlichkeit im Blick des verehrten Künstlers bemerkt. Eindrucksvoll sind auch seine Überlegungen im Anschluss an Primo Levi, in denen er zu verstehen sucht, wie die aus dem KZ Entlassenen, die unschuldigen Opfer, gleichwohl Scham empfinden konnten.
Was wäre ein Buch über Emotionen, in dem sich nicht ein Gedanke zur aktuellen Situation finden ließe? Wollheim: „Von Montaigne stammt der berühmte Ausspruch ,Am meisten Angst habe ich vor der Angst.‘ Damit machte er auf die Tatsache aufmerksam, dass Angst weitere Angst gleichsam anzieht, sich selbst verstärkt. Bei vielen negativen Emotionen lässt sich ähnliches beobachten, etwa bei Hass und Zorn.”
DIETER THOMÄ
RICHARD WOLLHEIM: Emotionen. Ei
ne Philosophie der Gefühle. Aus dem Englischen von Dietmar Zimmer. Verlag C. H. Beck, München 2001. 296 Seiten, 49,90 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Eine große Leistung, die die Rezensentin Manuela Lenzens da vollbringt. Gut verständlich und sehr sorgfältig erklärt sie die Konstruktion der mentalen Phänomene, um die es Richard Wohlheim in seinem Buch "Emotionen" geht. Die ontologische Grundlage dieser "Philosophie der Gefühle" bildet die Frage, welche mentalen Phänomene real sind. Die "Realität" von Gedanken, Sinneswahrnehmungen und Vorstellungen, meint Lenzen, wird selten in Zweifel gezogen, die der Dispositionen, also der Überzeugungen und Wünsche, Ängste und Gewohnheiten schon. Am interessantesten findet Lenzen den Teil des Buches, in dem Wohlheim den Charakter der Wünsche behandelt. Hierin sieht sie auch seine schönste Einsicht: "Worauf ein Wunsch zielt, kann auch für den Wünschenden eine Frage von Versuch und Irrtum sein." Dies wäre, schreibt Lenzen, schwer zu verstehen, wäre ein Wunsch nur ein Handlungsmuster und kein echtes mentales Phänomen. Denn dann würde jeder immer x tun, um y zu erreichen, was in dieser Stringenz jedoch nur selten vorkäme. Das Kapitel über die Gefühle selbst, die Wohlheim durch die Erfüllung oder Versagung von Wünschen entstehen sieht, findet sie dagegen zwar sehr interessant, aber nicht gänzlich überzeugend. Insgesamt fällt ihr Urteil über Wohlheim zwiespältig aus: "Sein Buch besticht durch die unglaublich filigrane Führung der Argumentation und ermüdet durch seinen staubtrockenen Stil."

© Perlentaucher Medien GmbH"