The Great Recession is more than four years old - and counting. Yet, as Paul Krugman points out in this powerful volley, "Nations rich in resources, talent, and knowledge - all the ingredients for prosperity and a decent standard of living for all - remain in a state of intense pain." With characteristic lucidity and insight, Krugman pursues the questions of how bad the situation really is, how we got stuck in what can now be called a depression and above all, how we free ourselves. He has a powerful message for anyone who has suffered over these past four years - a quick, strong recovery is just one step away, if our leaders can find the "intellectual clarity and political will" to end this depression now.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.05.2012Kämpfer für die Konjunktur
Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman zur Krise
In seinem an diesem Montag erscheinenden Aufruf "Vergesst die Krise" (im Original: "End This Depression Now!") hat der amerikanische Nobelpreisträger Paul Krugman im Grunde drei Bücher vereint: eines über die Vereinigten Staaten, sein Heimatland, das ihm besonders am Herzen liegt. Eines über grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge auf einem Niveau, dem auch an der Wirtschaft interessierte Nichtökonomen gut folgen können. Und schließlich ein etwas kürzeres über Europa, in dem er Ursachen der Euro-Krise erläutert.
Vor allem, wenn es um die Finanzkrise und ihre Folgen in und für Amerika geht, belässt es Krugman dabei nicht bei einer reinen Analyse, sondern schlägt als politisch streitbarer und engagierter Bürger - Eigenschaften, die man sich unter Wirtschaftsprofessoren häufiger wünschen würde - auch vor, was aus seiner Sicht konkret zu tun ist. Er bekennt Farbe. Auf einen Nenner gebracht, fordert er, dass der amerikanische Staat mehr Geld ausgibt, die Wirtschaft ankurbelt und Arbeit schafft.
Grundlage seines Appells ist dabei die Diagnose, dass die größte Volkswirtschaft der Welt und insbesondere ihr Arbeitsmarkt weiter in der Krise stecken. Im Dezember 2011 waren 13 Millionen Amerikaner offiziell arbeitslos - also grundsätzlich erwerbsfähig und auf der Suche nach einem Arbeitsplatz. Diese Zahl ist, worauf Krugman eindringlich hinweist, nicht nur doppelt so hoch wie vier Jahre zuvor. Sie zeigt auch lange nicht das ganze Drama. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 17 Prozent.
In einer Kenngröße, die von der amerikanischen Statistikbehörde Bureau of Labor Statistics unter dem Kürzel U6 geführt wird, verbergen sich 24 Millionen Menschen, die ganztags arbeiten wollen, aber entweder nicht mehr aktiv nach einer Stelle suchen oder nur eine Teilzeitbeschäftigung gefunden haben - umgerechnet sind das 15 Prozent der Erwerbsfähigen. Und schließlich nennt er eine zumal für den informellen Gesellschaftsvertrag der Vereinigten Staaten erschreckende Größe: Vier Millionen der offiziellen Arbeitslosen suchen demnach bereits seit mehr als einem Jahr eine neue Arbeit, während es im Jahr 2007 nur 700 000 gewesen waren.
Das ist eine substantielle Langzeitarbeitslosigkeit in einem Land mit einem rudimentären sozialen Sicherungssystem, das in der Vergangenheit vor allem deswegen akzeptiert und herausgestellt wurde, weil es sich in einer deutlich niedrigeren Arbeitslosenquote spiegelte, als sie beispielsweise in Europa vorherrscht.
Wenn Krugman nach dem Staat ruft, dann nicht, weil er eingefleischter Sozialist wäre oder mit der Marktwirtschaft abgeschlossen hätte; das Gegenteil ist der Fall. Er nimmt aber an, dass in einer Situation, wie er sie für Amerika derzeit unterstellt, fiskalpolitisch organisierte Konjunkturprogramme eine große Wirkung haben können, während die Geldpolitik eher nicht mehr viel tun kann und die Wirtschaft von selbst nur ganz langsam wieder auf die Beine kommen wird. Krugman beruft sich dabei in erster Linie auf Theorien der Ökonomen John Maynard Keynes und Irving Fisher anlässlich der Weltwirtschaftskrise und auf den in den neunziger Jahren verstorbenen Hyman Minsky, der über das Finanzsystem forschte.
Danach befinden sich vor allem die privaten Haushalte und die Finanzbranche nach der geplatzten Immobilienblase in einem Prozess, in dem sie Schulden verringern und Ersparnis bilden. Als Folge davon geben sie weniger Geld aus, und wenn das - vereinfacht gesagt - nicht nur Einzelne, sondern eben alle gleichzeitig machen, dann bricht die Nachfrage ein, sinkt tendenziell das Preisniveau und werden die Schuldenberge real noch größer, wenn nicht jemand etwas dagegen unternimmt. Dieser jemand ist der Staat, weil die Notenbank bereits die Leitzinsen auf nahe null gesenkt hat und nicht mehr viele Impulse (Liquiditätsfalle) liefern kann. Fängt der Staat auch noch an, zu konsolidieren, verschärft sich in so einer Lage der wirtschaftliche Niedergang nur.
Die betrübliche Gemengelage der Vereinigten Staaten - geplatzte Immobilienblase, hohe Arbeitslosigkeit, Bilanzrezession - stellt Krugman auch für Spanien fest. Das ist der Grund, aus dem er den Sparkurs des iberischen Eurolandes für falsch hält. Und daraus leitet er eine Kritik an der Diskussion in Europa und zumal in Deutschland über die Euro-Krise ab, die eben nicht einfach als Ergebnis verkorkster Finanzpolitik und einer überbordenden Staatsverschuldung infolge der Euroeinführung erklärt werden könne. Krugman zeigt, dass die aggregierte Staatsschuldenquote Italiens, Spaniens, Irlands, Portugals und Griechenlands gemessen am Bruttoinlandsprodukt von 1999 bis 2007 merklich gesunken war und erst infolge der Finanzkrise explodierte. Während die Staatsfinanzen für Griechenlands Probleme ursächlich seien, könne das etwa für Spanien und Irland nicht gesagt werden.
Hingegen leidet der gemeinsame Währungsraum auch nach Ansicht des Euroskeptikers Krugman an der unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Mitgliedsländer, der mangelnden Mobilität der Arbeitskräfte und der fehlenden kompletten politischen Union. Und an einem recht merkwürdigen Phänomen: Die Mitgliedsländer sind zwar in Euro verschuldet, aber trotzdem in fremder Währung, weil sie eben nicht wie beispielsweise Großbritannien notfalls die Druckerpresse hinter sich wissen - erst so wird ein "Run" auf ein Land möglich. Das ist ein Punkt, der infolge der Krise viele überraschte.
Den Euro abzuschaffen, obwohl er ihn selbst nicht eingeführt hätte, hält Krugman dennoch für fraglich. Die Kosten und Risiken für das Finanzsystem, viele rechtliche Unklarheiten und schließlich der schwer kalkulierbare politische Rückschlag für Europa und den Rest der Welt hält er für zu groß.
Vor seinem auf einfacher Zahlungsbilanzarithmetik beruhenden Rettungsrezept fürchten sich gerade die Deutschen: eine wie auch immer ausgesprochene Garantie der Staatsschulden durch die Europäische Zentralbank und eine Inflationsrate von drei bis vier Prozent in Ländern mit dauerhaften Außenhandelsüberschüssen. Nachdem die Peripherieländer stabilisiert sind, müssen sie schließlich ihre Haushalte in Ordnung bringen.
ALEXANDER ARMBRUSTER.
Paul Krugman: Vergesst die Krise!
Campus Verlag, Frankfurt 2012. 270 Seiten, 24,99 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman zur Krise
In seinem an diesem Montag erscheinenden Aufruf "Vergesst die Krise" (im Original: "End This Depression Now!") hat der amerikanische Nobelpreisträger Paul Krugman im Grunde drei Bücher vereint: eines über die Vereinigten Staaten, sein Heimatland, das ihm besonders am Herzen liegt. Eines über grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge auf einem Niveau, dem auch an der Wirtschaft interessierte Nichtökonomen gut folgen können. Und schließlich ein etwas kürzeres über Europa, in dem er Ursachen der Euro-Krise erläutert.
Vor allem, wenn es um die Finanzkrise und ihre Folgen in und für Amerika geht, belässt es Krugman dabei nicht bei einer reinen Analyse, sondern schlägt als politisch streitbarer und engagierter Bürger - Eigenschaften, die man sich unter Wirtschaftsprofessoren häufiger wünschen würde - auch vor, was aus seiner Sicht konkret zu tun ist. Er bekennt Farbe. Auf einen Nenner gebracht, fordert er, dass der amerikanische Staat mehr Geld ausgibt, die Wirtschaft ankurbelt und Arbeit schafft.
Grundlage seines Appells ist dabei die Diagnose, dass die größte Volkswirtschaft der Welt und insbesondere ihr Arbeitsmarkt weiter in der Krise stecken. Im Dezember 2011 waren 13 Millionen Amerikaner offiziell arbeitslos - also grundsätzlich erwerbsfähig und auf der Suche nach einem Arbeitsplatz. Diese Zahl ist, worauf Krugman eindringlich hinweist, nicht nur doppelt so hoch wie vier Jahre zuvor. Sie zeigt auch lange nicht das ganze Drama. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 17 Prozent.
In einer Kenngröße, die von der amerikanischen Statistikbehörde Bureau of Labor Statistics unter dem Kürzel U6 geführt wird, verbergen sich 24 Millionen Menschen, die ganztags arbeiten wollen, aber entweder nicht mehr aktiv nach einer Stelle suchen oder nur eine Teilzeitbeschäftigung gefunden haben - umgerechnet sind das 15 Prozent der Erwerbsfähigen. Und schließlich nennt er eine zumal für den informellen Gesellschaftsvertrag der Vereinigten Staaten erschreckende Größe: Vier Millionen der offiziellen Arbeitslosen suchen demnach bereits seit mehr als einem Jahr eine neue Arbeit, während es im Jahr 2007 nur 700 000 gewesen waren.
Das ist eine substantielle Langzeitarbeitslosigkeit in einem Land mit einem rudimentären sozialen Sicherungssystem, das in der Vergangenheit vor allem deswegen akzeptiert und herausgestellt wurde, weil es sich in einer deutlich niedrigeren Arbeitslosenquote spiegelte, als sie beispielsweise in Europa vorherrscht.
Wenn Krugman nach dem Staat ruft, dann nicht, weil er eingefleischter Sozialist wäre oder mit der Marktwirtschaft abgeschlossen hätte; das Gegenteil ist der Fall. Er nimmt aber an, dass in einer Situation, wie er sie für Amerika derzeit unterstellt, fiskalpolitisch organisierte Konjunkturprogramme eine große Wirkung haben können, während die Geldpolitik eher nicht mehr viel tun kann und die Wirtschaft von selbst nur ganz langsam wieder auf die Beine kommen wird. Krugman beruft sich dabei in erster Linie auf Theorien der Ökonomen John Maynard Keynes und Irving Fisher anlässlich der Weltwirtschaftskrise und auf den in den neunziger Jahren verstorbenen Hyman Minsky, der über das Finanzsystem forschte.
Danach befinden sich vor allem die privaten Haushalte und die Finanzbranche nach der geplatzten Immobilienblase in einem Prozess, in dem sie Schulden verringern und Ersparnis bilden. Als Folge davon geben sie weniger Geld aus, und wenn das - vereinfacht gesagt - nicht nur Einzelne, sondern eben alle gleichzeitig machen, dann bricht die Nachfrage ein, sinkt tendenziell das Preisniveau und werden die Schuldenberge real noch größer, wenn nicht jemand etwas dagegen unternimmt. Dieser jemand ist der Staat, weil die Notenbank bereits die Leitzinsen auf nahe null gesenkt hat und nicht mehr viele Impulse (Liquiditätsfalle) liefern kann. Fängt der Staat auch noch an, zu konsolidieren, verschärft sich in so einer Lage der wirtschaftliche Niedergang nur.
Die betrübliche Gemengelage der Vereinigten Staaten - geplatzte Immobilienblase, hohe Arbeitslosigkeit, Bilanzrezession - stellt Krugman auch für Spanien fest. Das ist der Grund, aus dem er den Sparkurs des iberischen Eurolandes für falsch hält. Und daraus leitet er eine Kritik an der Diskussion in Europa und zumal in Deutschland über die Euro-Krise ab, die eben nicht einfach als Ergebnis verkorkster Finanzpolitik und einer überbordenden Staatsverschuldung infolge der Euroeinführung erklärt werden könne. Krugman zeigt, dass die aggregierte Staatsschuldenquote Italiens, Spaniens, Irlands, Portugals und Griechenlands gemessen am Bruttoinlandsprodukt von 1999 bis 2007 merklich gesunken war und erst infolge der Finanzkrise explodierte. Während die Staatsfinanzen für Griechenlands Probleme ursächlich seien, könne das etwa für Spanien und Irland nicht gesagt werden.
Hingegen leidet der gemeinsame Währungsraum auch nach Ansicht des Euroskeptikers Krugman an der unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Mitgliedsländer, der mangelnden Mobilität der Arbeitskräfte und der fehlenden kompletten politischen Union. Und an einem recht merkwürdigen Phänomen: Die Mitgliedsländer sind zwar in Euro verschuldet, aber trotzdem in fremder Währung, weil sie eben nicht wie beispielsweise Großbritannien notfalls die Druckerpresse hinter sich wissen - erst so wird ein "Run" auf ein Land möglich. Das ist ein Punkt, der infolge der Krise viele überraschte.
Den Euro abzuschaffen, obwohl er ihn selbst nicht eingeführt hätte, hält Krugman dennoch für fraglich. Die Kosten und Risiken für das Finanzsystem, viele rechtliche Unklarheiten und schließlich der schwer kalkulierbare politische Rückschlag für Europa und den Rest der Welt hält er für zu groß.
Vor seinem auf einfacher Zahlungsbilanzarithmetik beruhenden Rettungsrezept fürchten sich gerade die Deutschen: eine wie auch immer ausgesprochene Garantie der Staatsschulden durch die Europäische Zentralbank und eine Inflationsrate von drei bis vier Prozent in Ländern mit dauerhaften Außenhandelsüberschüssen. Nachdem die Peripherieländer stabilisiert sind, müssen sie schließlich ihre Haushalte in Ordnung bringen.
ALEXANDER ARMBRUSTER.
Paul Krugman: Vergesst die Krise!
Campus Verlag, Frankfurt 2012. 270 Seiten, 24,99 Euro.
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