Die chinesische Führung unter Xi Jinping stellt mit alternativen globalen Ordnungsvorstellungen, der Missachtung individueller Rechte und subventionsgetränktem Staatskapitalismus Deutschlands wirtschaftliches und damit auch sein gesellschaftliches und politisches Fundament infrage. Wie sollen wir in Deutschland und Europa darauf reagieren? Es ist wichtig, China nicht mehr als regionalwissenschaftliches Phänomen zu betrachten, sondern als globale Frage und gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Ohne Panikmache, aber mit Mut und Sinn für Details. Denn es geht nicht um abstrakte Außenpolitik, es geht um künftige Macht- und Wohlstandsverteilung in der Welt. Es geht um richtig viel.
»Das 'Ende der China-Illusion' ist ein Gegengift gegen Selbstbetrug und Bequemlichkeit. Es sei empfohlen all jenen, die sich gerne mal das Hirn durchpusten und vom Schutt alter falscher Wahrheiten befreien lassen möchten. Und allen anderen erst recht.« Kai Strittmatter, Süddeutsche Zeitung
»Es ist ein kluges Buch, analytisch und faktenreich, und mit einer klaren Botschaft: Ein schlichtes Weiter-So sollte es mit China nicht geben.« China.table
»Das 'Ende der China-Illusion' ist ein Gegengift gegen Selbstbetrug und Bequemlichkeit. Es sei empfohlen all jenen, die sich gerne mal das Hirn durchpusten und vom Schutt alter falscher Wahrheiten befreien lassen möchten. Und allen anderen erst recht.« Kai Strittmatter, Süddeutsche Zeitung
»Es ist ein kluges Buch, analytisch und faktenreich, und mit einer klaren Botschaft: Ein schlichtes Weiter-So sollte es mit China nicht geben.« China.table
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein wichtiges Buch über Chinas Großmachtstreben hat Janka Oertel geschrieben, so die Rezensentin Anna Schiller. Die Sinologin Oertel moralisiert darin nicht, freut sich Schiller, sondern macht ihre Warnungen vor China an der Politik der Kommunistischen Partei fest, die keineswegs immer ökonomisch rational handele, sondern vor allem um ihre eigene Macht besorgt sei. Außerdem sieht die chinesische Politik laut Oertel den liberalen Westen in der Tat als ein gefährliches Gegenmodell zur eigenen autoritären Herrschaft und versucht dementsprechend, Einfluss in internationalen Organisationen zu gewinnen, referiert die Kritikerin. Die Politik soll, das ist der Rezensentin zufolge Oertels Fazit, die Zeichen der Zeit erkennen und, zur Not auch gegen Widerstände der deutschen Wirtschaft, einen härteren Kurs gegen China einschlagen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Das 'Ende der China-Illusion' ist ein Gegengift gegen Selbstbetrug und Bequemlichkeit. Es sei empfohlen all jenen, die sich gerne mal das Hirn durchpusten und vom Schutt alter falscher Wahrheiten befreien lassen möchten. Und allen anderen erst recht.« Süddeutsche Zeitung 20230918
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2023Vom Umgang mit der neuen Supermacht
Die Deutschen sind ihren eigenen Illusionen zu China aufgesessen - zwei Autorinnen schlagen vor, wie es besser ginge.
Von Anna Schiller
Aus politischer Sicht ist es mit China wie mit dem Klimawandel. Alle wissen, dass da etwas auf uns zukommt. Eigentlich müsste sich die Politik dringend darum kümmern. Aber immer kommt eine wichtigere Krise dazwischen (die Pandemie, die Kriege). Wahlen lassen sich mit dem Thema auch nicht gewinnen.
Dieser Umstand hat die Sinologin Janka Oertel dazu bewogen, ein aufrüttelndes Buch zu schreiben - und darin das "Ende der China-Illusion" einzuleiten. Nun sind Sinologen nicht unbedingt dafür bekannt, in die Öffentlichkeit zu drängen. Oertel selbst schreibt, der Wissenschaft sei lange daran gelegen gewesen, Neutralität und Besonnenheit auszustrahlen. Wenn eine von ihnen Alarm schlägt, lohnt es sich also hinzuhören.
Oertel, die das Asienprogramm der Denkfabrik European Council on Foreign Relations leitet, warnt: "Die chinesische Führung unter Xi stellt mit alternativen globalen Ordnungsvorstellungen, Missachtung individueller Rechte und subventionsgetränktem Staatskapitalismus Deutschlands wirtschaftliches und damit auch sein gesellschaftliches und politisches Fundament infrage." Dass es so weit kommen konnte, haben wir uns laut Oertel selbst zu verdanken, weil wir uns im Blick auf China vielen Illusionen hingegeben haben. Diese suggerierten uns, "dass entweder kein Handlungsdruck besteht oder dass wir es mit alternativlosen Umständen zu tun haben". Die große Stärke des Buches ist es, dass Oertel nicht moralisch argumentiert, sondern Rückschlüsse aus dem bisherigen Verhalten der chinesischen Führung zieht.
In sieben Kapiteln seziert sie eine Illusion nach der anderen. Zum Beispiel die Annahme, die Kommunistische Partei sei auf wirtschaftliches Wachstum angewiesen, um ihre Macht zu legitimieren, und handele deswegen stets rational. Oertel schreibt, die Partei sei im Gegenteil immer wieder willens gewesen, "wirtschaftliche Verluste für den Erhalt der Macht in Kauf zu nehmen". Sie erinnert an Maos Großen Sprung nach vorne und die Kulturrevolution, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen. Oder die erratische Null-Covid-Politik Xi Jinpings, die Wirtschaft und Leben in China zum Erliegen brachte - und dafür sorgte, dass Fahrradwege desinfiziert und tiefgefrorene Fische auf Covid getestet wurden.
Eine weitere Fehlannahme lautet, so Oertel, dass China keinen Systemwettbewerb wolle. Oertel schreibt hingegen über die Volksrepublik: "Die reine Existenz eines funktionierenden, machtvollen, liberalen Alternativmodells wird als Bedrohung der eigenen Herrschaftsgrundlage wahrgenommen (...)." Das westliche System politischer und gesellschaftlicher Ordnung lehne die chinesische Führung daher offen ab. Um seine Ausgangslage im Systemwettstreit zu verbessern, baue Peking unter anderem seinen Einfluss in internationalen Organisationen aus. Oertel nennt etwa die UN-Ernährungsorganisation FAO als Beispiel. Eine ARD-Recherche legte im Juni Unregelmäßigkeiten bei der Wahl des Generaldirektors Qu Dongyu 2019 offen. Seit seiner Amtsübernahme gingen viele wichtige Posten in der Organisation an Chinesen.
Zum chinesischen Ordnungsmodell gehört laut Oertel auch die digitale Kontrolle. Diesem Aspekt widmet sich die Sinologin Kristin Shi-Kupfer in ihrem Buch "Digit@l China" genauer. Shi-Kupfer ist Professorin an der Universität Trier und für das China-Institut Merics tätig. Sie kritisiert, dass Chinas Digitalisierung im Ausland gemeinhin als von der chinesischen Führung gesteuert wahrgenommen werde. Die chinesische Bevölkerung käme "nur als unterstützende Masse, getriebene Mitläufer oder heroische Einzelkämpfer" vor. Daher widmet sie sich den Lebensläufen chinesischer Aktivisten, Hacker, Influencer, IT-Unternehmer und Beamter, die Chinas Digitalisierung "aktiv mitgestaltet" hätten. Die Porträtierten, etwa die Erfinderin des sozialen Bonitätssystems Huang Wenyun oder die Internetunternehmerin Lucy Peng, verfügen in der Beschreibung Shi-Kupfers über Innovationsgeist, müssen ihre Ideen jedoch oftmals gegen Chinas autoritäres - und unberechenbares - System verteidigen. Die Autorin kommt daher zu dem Schluss: "Die Dynamiken und Effekte des digitalen China waren, sind und werden durch Wendungen und Brüche gezeichnet."
Doch welche Schlüsse lassen sich daraus für den Umgang mit der Volksrepublik ziehen? In diesem Punkt bleibt Shi-Kupfer vage. Sie plädiert im Blick auf China für eine "Perspektive der Ambivalenz". Auf der einen Seite stehen bei ihr Überlegungen zur Sicherheit, etwa dass chinesische IT-Unternehmen im Krisenfall "letztlich immer unter dem Befehlsdruck der Kommunistischen Partei" stünden. Shi-Kupfer leitet daraus jedoch keine direkte Empfehlung für die Zusammenarbeit mit chinesischen Technologieunternehmen ab. Auf der anderen Seite mahnt Shi-Kupfer, Chinesen, "die gegenüber liberal-demokratischen Strukturen offen sind", auch als Verbündete zu begreifen.
Oertel hingegen macht konkrete Vorschläge für die deutsche China-Politik. Einfach abzuwarten ist für sie die denkbar schlechteste Strategie im Umgang mit Peking. Die Wirtschaft will sie stärker in die Verantwortung nehmen. Es reiche nicht, "deutsche Unternehmen nur freundlich zu bitten, sich doch einmal ihr China-Risiko anzuschauen", schreibt Oertel. Wenn es die politische Einschätzung gebe, dass in einem Bereich zu große Abhängigkeit von China bestehe, müsse eine politische Entscheidung dazu führen, dies zu ändern. Im internationalen Wettbewerb verlangt Oertel von uns mehr Selbstbewusstsein. Deutschland sei ein attraktiver Partner "nicht trotz der demokratischen Strukturen und kontroversen Debatte, sondern gerade deswegen". Wenn wir schon nicht sagen wollten, dass wir den Systemwettbewerb gewinnen wollen, sollte aus Oertels Sicht "zumindest Einigkeit darüber bestehen, dass man ihn lieber nicht verlieren sollte".
Dass gerade die Einschränkungen für die Wirtschaft zu einem Preis kommen werden, verschweigt Oertel nicht. Doch sie traut es der Politik zu, den Bürgern einen Kurswechsel in der China-Politik und dessen Folgen zu vermitteln. Zumal uns die Folgen des Nichtstuns wie beim Klimawandel teuer zu stehen kommen könnten. Die Bundesregierung habe alle Zutaten in der Hand, schreibt Oertel - sie muss sich nur trauen, sich dieser auch zu bedienen.
Janka Oertel: Ende der China-Illusion. Wie wir mit Pekings Machtanspruch umgehen müssen.
Piper Verlag, München 2023. 304 S., 24,- Euro.
Kristin Shi-Kupfer: Digit@l China. Überwachungsdiktatur und technologische Avantgarde.
C. H. Beck Verlag, München 2023. 190 S., 16,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Deutschen sind ihren eigenen Illusionen zu China aufgesessen - zwei Autorinnen schlagen vor, wie es besser ginge.
Von Anna Schiller
Aus politischer Sicht ist es mit China wie mit dem Klimawandel. Alle wissen, dass da etwas auf uns zukommt. Eigentlich müsste sich die Politik dringend darum kümmern. Aber immer kommt eine wichtigere Krise dazwischen (die Pandemie, die Kriege). Wahlen lassen sich mit dem Thema auch nicht gewinnen.
Dieser Umstand hat die Sinologin Janka Oertel dazu bewogen, ein aufrüttelndes Buch zu schreiben - und darin das "Ende der China-Illusion" einzuleiten. Nun sind Sinologen nicht unbedingt dafür bekannt, in die Öffentlichkeit zu drängen. Oertel selbst schreibt, der Wissenschaft sei lange daran gelegen gewesen, Neutralität und Besonnenheit auszustrahlen. Wenn eine von ihnen Alarm schlägt, lohnt es sich also hinzuhören.
Oertel, die das Asienprogramm der Denkfabrik European Council on Foreign Relations leitet, warnt: "Die chinesische Führung unter Xi stellt mit alternativen globalen Ordnungsvorstellungen, Missachtung individueller Rechte und subventionsgetränktem Staatskapitalismus Deutschlands wirtschaftliches und damit auch sein gesellschaftliches und politisches Fundament infrage." Dass es so weit kommen konnte, haben wir uns laut Oertel selbst zu verdanken, weil wir uns im Blick auf China vielen Illusionen hingegeben haben. Diese suggerierten uns, "dass entweder kein Handlungsdruck besteht oder dass wir es mit alternativlosen Umständen zu tun haben". Die große Stärke des Buches ist es, dass Oertel nicht moralisch argumentiert, sondern Rückschlüsse aus dem bisherigen Verhalten der chinesischen Führung zieht.
In sieben Kapiteln seziert sie eine Illusion nach der anderen. Zum Beispiel die Annahme, die Kommunistische Partei sei auf wirtschaftliches Wachstum angewiesen, um ihre Macht zu legitimieren, und handele deswegen stets rational. Oertel schreibt, die Partei sei im Gegenteil immer wieder willens gewesen, "wirtschaftliche Verluste für den Erhalt der Macht in Kauf zu nehmen". Sie erinnert an Maos Großen Sprung nach vorne und die Kulturrevolution, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen. Oder die erratische Null-Covid-Politik Xi Jinpings, die Wirtschaft und Leben in China zum Erliegen brachte - und dafür sorgte, dass Fahrradwege desinfiziert und tiefgefrorene Fische auf Covid getestet wurden.
Eine weitere Fehlannahme lautet, so Oertel, dass China keinen Systemwettbewerb wolle. Oertel schreibt hingegen über die Volksrepublik: "Die reine Existenz eines funktionierenden, machtvollen, liberalen Alternativmodells wird als Bedrohung der eigenen Herrschaftsgrundlage wahrgenommen (...)." Das westliche System politischer und gesellschaftlicher Ordnung lehne die chinesische Führung daher offen ab. Um seine Ausgangslage im Systemwettstreit zu verbessern, baue Peking unter anderem seinen Einfluss in internationalen Organisationen aus. Oertel nennt etwa die UN-Ernährungsorganisation FAO als Beispiel. Eine ARD-Recherche legte im Juni Unregelmäßigkeiten bei der Wahl des Generaldirektors Qu Dongyu 2019 offen. Seit seiner Amtsübernahme gingen viele wichtige Posten in der Organisation an Chinesen.
Zum chinesischen Ordnungsmodell gehört laut Oertel auch die digitale Kontrolle. Diesem Aspekt widmet sich die Sinologin Kristin Shi-Kupfer in ihrem Buch "Digit@l China" genauer. Shi-Kupfer ist Professorin an der Universität Trier und für das China-Institut Merics tätig. Sie kritisiert, dass Chinas Digitalisierung im Ausland gemeinhin als von der chinesischen Führung gesteuert wahrgenommen werde. Die chinesische Bevölkerung käme "nur als unterstützende Masse, getriebene Mitläufer oder heroische Einzelkämpfer" vor. Daher widmet sie sich den Lebensläufen chinesischer Aktivisten, Hacker, Influencer, IT-Unternehmer und Beamter, die Chinas Digitalisierung "aktiv mitgestaltet" hätten. Die Porträtierten, etwa die Erfinderin des sozialen Bonitätssystems Huang Wenyun oder die Internetunternehmerin Lucy Peng, verfügen in der Beschreibung Shi-Kupfers über Innovationsgeist, müssen ihre Ideen jedoch oftmals gegen Chinas autoritäres - und unberechenbares - System verteidigen. Die Autorin kommt daher zu dem Schluss: "Die Dynamiken und Effekte des digitalen China waren, sind und werden durch Wendungen und Brüche gezeichnet."
Doch welche Schlüsse lassen sich daraus für den Umgang mit der Volksrepublik ziehen? In diesem Punkt bleibt Shi-Kupfer vage. Sie plädiert im Blick auf China für eine "Perspektive der Ambivalenz". Auf der einen Seite stehen bei ihr Überlegungen zur Sicherheit, etwa dass chinesische IT-Unternehmen im Krisenfall "letztlich immer unter dem Befehlsdruck der Kommunistischen Partei" stünden. Shi-Kupfer leitet daraus jedoch keine direkte Empfehlung für die Zusammenarbeit mit chinesischen Technologieunternehmen ab. Auf der anderen Seite mahnt Shi-Kupfer, Chinesen, "die gegenüber liberal-demokratischen Strukturen offen sind", auch als Verbündete zu begreifen.
Oertel hingegen macht konkrete Vorschläge für die deutsche China-Politik. Einfach abzuwarten ist für sie die denkbar schlechteste Strategie im Umgang mit Peking. Die Wirtschaft will sie stärker in die Verantwortung nehmen. Es reiche nicht, "deutsche Unternehmen nur freundlich zu bitten, sich doch einmal ihr China-Risiko anzuschauen", schreibt Oertel. Wenn es die politische Einschätzung gebe, dass in einem Bereich zu große Abhängigkeit von China bestehe, müsse eine politische Entscheidung dazu führen, dies zu ändern. Im internationalen Wettbewerb verlangt Oertel von uns mehr Selbstbewusstsein. Deutschland sei ein attraktiver Partner "nicht trotz der demokratischen Strukturen und kontroversen Debatte, sondern gerade deswegen". Wenn wir schon nicht sagen wollten, dass wir den Systemwettbewerb gewinnen wollen, sollte aus Oertels Sicht "zumindest Einigkeit darüber bestehen, dass man ihn lieber nicht verlieren sollte".
Dass gerade die Einschränkungen für die Wirtschaft zu einem Preis kommen werden, verschweigt Oertel nicht. Doch sie traut es der Politik zu, den Bürgern einen Kurswechsel in der China-Politik und dessen Folgen zu vermitteln. Zumal uns die Folgen des Nichtstuns wie beim Klimawandel teuer zu stehen kommen könnten. Die Bundesregierung habe alle Zutaten in der Hand, schreibt Oertel - sie muss sich nur trauen, sich dieser auch zu bedienen.
Janka Oertel: Ende der China-Illusion. Wie wir mit Pekings Machtanspruch umgehen müssen.
Piper Verlag, München 2023. 304 S., 24,- Euro.
Kristin Shi-Kupfer: Digit@l China. Überwachungsdiktatur und technologische Avantgarde.
C. H. Beck Verlag, München 2023. 190 S., 16,- Euro.
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