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Er hatte gesagt, ich bin zurück, bevor es Nacht wird. Sie wartete lange, setzte sich ans Klavier, doch sein Schreibheft verwaiste auf dem Tisch. Er, von dem sie immer noch ein Foto in der Tasche trägt. Er, den sie auf einer Seinebrücke kennengelernt hat, wo er Musik machte. Er, der sich mit Leib und Seele der Literatur verschrieben hatte, der erst keinen Verlag fand und dann international gefeiert wurde, mit dem sie zusammenlebte und Reisen in die USA unternahm, er fehlt. Für immer. Jahre später ist Valentine mit einer Gruppe von Schauspielern auf Theatertournee. Abend für Abend spricht sie…mehr

Produktbeschreibung
Er hatte gesagt, ich bin zurück, bevor es Nacht wird. Sie wartete lange, setzte sich ans Klavier, doch sein Schreibheft verwaiste auf dem Tisch.
Er, von dem sie immer noch ein Foto in der Tasche trägt. Er, den sie auf einer Seinebrücke kennengelernt hat, wo er Musik machte. Er, der sich mit Leib und Seele der Literatur verschrieben hatte, der erst keinen Verlag fand und dann international gefeiert wurde, mit dem sie zusammenlebte und Reisen in die USA unternahm, er fehlt. Für immer.
Jahre später ist Valentine mit einer Gruppe von Schauspielern auf Theatertournee. Abend für Abend spricht sie ihre paar Verse auf den Bühnen von Lausanne, Hamburg, Zürich, Wien, Bochum, München und anderswo. Das Leben in hundert Hotelzimmern befördert sie in einen Tunnel der Erinnerungen, wirft sie zurück in eine Zeit verrückten Glücks, das ihr unter den Händen zerbrach.
Marie Modiano verwebt in diesem autofiktionalen Roman das unbehauste Dasein einer jungen Künstlerin, die erstmals die Härten des Theaterbetriebs zu spüren bekommt, mit dem Widerhall einer frühen, tiefen Liebe. Aus Spiel, Traum und Wirklichkeit kristallisiert sich eine feinsinnige, völlig nostalgiefreie Erzählung - ein Abschied in jener Art, wie man einem Kometen hinterhersieht.
Autorenporträt
Marie Modiano ist Musikerin, Schriftstellerin, Schauspielerin. Geboren 1978 in Paris, Schauspielausbildung an der Royal Academy, London. Weitere Auslandsaufenthalte, u.a. in den USA und in Berlin. Verschiedene Filmrollen und Theaterengagements, Zusammenarbeit u.a. mit Luc Bondy; Veröffentlichung mehrerer Bücher und CDs mit Chansons. _Ende der Spielzeit_ ist Modianos zweiter Roman und die erste Buchveröffentlichung auf Deutsch.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.07.2018

Ich glaube an die Notwendigkeit in der Kunst

Eine Begegnung mit der französischen Chansonsängerin und Schriftstellerin Marie Modiano, die eine neue Platte veröffentlicht hat, einen Gedichtband und einen Roman auf Deutsch

Ein Moderator des französischen Fernsehsenders France 3 stellte Marie Modiano vor ein paar Monaten einmal mit folgenden, irgendwo zwischen Kompliment und Unverschämtheit schwankenden, Worten vor: "Sie hat einen Namen und hat sich einen Vornamen gemacht." Es ist der erste halbwegs erträgliche Spätnachmittag in Paris seit drei Wochen, der erste unter dreißig Grad.

Marie Modiano sitzt im schattigen Hinterhof des "Hotel de l'Abbaye" in Saint-Germain-des-Prés und wartet. Sie trägt ein himbeerrotes Kleid mit feinen weißen Streifen am Kragen, mehrere ineinander verworrene Ketten um den Hals, ein paar Armbänder, altrosa Espadrilles. Ihr dunkler Pony liegt wie ein schweres Brett über ihren braunen Augen. Sie sieht cool aus. Mehr nach Rive Droite als nach Rive Gauche.

Dabei ist sie natürlich, schon allein weil sie die Tochter des Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano ist, der Inbegriff dieser Seite der Seine. Der des Pariser Kulturadels, der großen Verlagshäuser, der Grandes Écoles, der sogenannten Elite, in deren Kreisen sie jeder kennt. "Ah Marie!", schwärmte noch ein paar Stunden zuvor ein Bekannter, Journalist bei der Zeitschrift "Les Inrockuptibles", "sie ist absolut reizend." Das stimmt. Im Gegensatz zu manch anderen ihres Milieus pflegt Marie Modiano, vielleicht weil sie von Natur aus dazu gehört, keinerlei Attitüden. Sie strahlt, als würde man sich schon lange kennen, bestellt einen Ananassaft, entschuldigt sich mehrmals dafür, dass es mit unserem Treffen so schnell gehen musste und erzählt in schnellem Takt drauflos. Morgen fliege sie mit ihrem Mann, dem deutsch-schwedischen Musiker Peter von Poehl, in die Vereinigten Staaten: "Wir spielen auf einem Privatevent. In Colorado. Waren Sie schon mal da? Ich auch nicht. Ich freue mich sehr darauf." Ebenso sehr freue sie sich darüber, dass ihr Roman, ihr zweiter, jetzt auf Deutsch erscheint: "Ich habe schon immer eine starke Beziehung zu Deutschland gehabt. Aus mysteriösen Gründen hat es mich immer wieder dort hingezogen, vor allem nach Berlin. Dort habe ich vor dreizehn Jahren auch meinen Mann kennengelernt und meine erste Platte aufgenommen. Deshalb bedeutet es mir sehr viel, dass meine erste Übersetzung jetzt von dort kommt."

In Frankreich hieß der Roman "Lointain", was die Melancholie, die in ihren Zeilen liegt, ganz gut wiedergab. Auf Deutsch ergibt das, etwas weniger suggestiv: "Ende der Spielzeit". Worum geht es? Nein, nicht um Fußball. Um, wie die Zeitung "Le Monde" schrieb, "Den Liebhaber, dessen Leben sie nicht hatte retten können"? Um ihre Liebesgeschichte mit dem amerikanischen Schriftsteller Tristan Egolf, diesem jungen Mann, den sie mit sechzehn Jahren kennenlernte, der dank des Zutuns ihres Vaters zu Gallimard und damit zum Erfolg kam und der sich 2005 im Alter von dreiunddreißig Jahren das Leben nahm? Kurz: Ist diese Geschichte der jungen Valentine, einer neunzehnjährigen Schauspielerin, die durch Europa tourt und dabei von ihrem verschwundenen Liebhaber träumt, eine Autobiographie, die Erinnerungen der Marie Modiano? "Ja und nein. Natürlich spiegelt vieles mein Leben wieder. Ich habe mich als Neunzehnjährige auch als Schauspielerin versucht, ich hatte damals eine kleine Rolle in ,Phädra'. Und hatte, wie Sie ja schon wissen, auch eine Liebesgeschichte mit einem amerikanischen Schriftsteller. Trotzdem ist sehr vieles erfunden. Ich glaube, ich bin gar nicht in der Lage, etwas rein Autobiographisches zu schreiben. Ich brauche die Fiktion. Sie erhellt diese etwas düsteren Momente, über die ich da schreibe."

Düster, ja, teilweise, aber vor allem nostalgisch. Weil es in "Ende der Spielzeit" nicht nur um diese Liebesgeschichte mit einem gequälten Schriftsteller geht, auch nicht nur um die Tour einer Theatertruppe, die Marie Modiano, die das Leben unterwegs durch ihre Musikkarriere gut kennt, sehr amüsant beschreibt. Sondern vor allem auch um eine vierzigjährige Frau, die sich zurückerinnert an diese paar Jahre zwischen 16 und 20, in denen alles groß, verwirrend und unendlich aufregend und voller Möglichkeiten wirkt. Modiano, der es offenbar großen Spaß bereitet, Unklarheit zu schaffen, springt immer wieder hin und her zwischen dem frischen Blick der jungen Valentine und der etwas ermüdet-deprimierten Wirklichkeit ihres sich erinnernden vierzigjährigen Selbst. "Ich wollte, dass man irgendwann nicht mehr genau weiß, was die Gegenwart und was die Vergangenheit, was real und was Einbildung ist. Auch weil die erwachsene Valentine sich ja nie ganz von dieser Jugend verabschiedet hat. Sie ist wie eine zerkratzte Platte, die sich immer weiter dreht", sagt sie, zieht Konzentrationsgrimassen und zeichnet mit den Händen in der Luft herum, so, als hätte sie Angst, man würde sie falsch verstehen.

Auf der Bühne, als Sängerin, meint sie, fühle sie sich immer sehr wohl, aber wenn es um ihre Romane oder Gedichte gehe, falle ihr das Sprechen schwer. Ein bisschen so wie ihrem Vater. Ist es nicht einschüchternd, Bücher zu schreiben, wenn man Patrick Modiano als Vater hat? "Doch, natürlich. Ich glaube, ich habe es auch deshalb lange weggeschoben, aber irgendwann hatte ich das Gefühl, es muss einfach sein. Ich glaube an die Notwendigkeit in der Kunst. Vor allem, wenn es um das Schreiben geht: Wenn man nicht das dringende Bedürfnis verspürt, lässt man es bleiben." In Frankreich hat sie gerade ein neues Album und einen dazugehörigen Gedichtband herausgebracht. "Pauvre chanson" lebt, wie auch "Das Ende der Spielzeit", von seiner Nostalgie, von Träumen, verwirrten Frauen, Verrückten, Verliebten. Und natürlich von Paris, dessen Geister und dessen Magie sie mit einer ähnlich behutsamen Sensibilität wie ihr Vater greift. Der hat ihr für ihr Album erstmals einen Song geschrieben. Er heißt "Le chien noir du chagrin": "Erinnere dich, dass du sagtest, du würdest ihn in deinen Träumen sehen. Er kam immer zur gleichen Zeit. Um sieben Uhr, um sieben Uhr abends. Der schwarze Hund der Trauer." Es ist sieben Uhr Abends in Saint-Germain-des-Prés in Paris. Marie Modiano wirkt kein bisschen traurig.

ANNABELLE HIRSCH

Marie Modiano: "Ende der Spielzeit". Roman. Aus dem Französischen von Gabriela Zehnder. Rotpunktverlag / Edition Blau, 180 Seiten, 22 Euro. Das Album heißt "Pauvre chanson" (Nest & Sound).

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