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Die Geschichte eines politisch korrekten Spießers vom armen Schwein zum It-Man der Kunst- und Medienszene - dank Kokain!
»Ein irres Buch, in dem nichts stimmt und alles wahr ist...Der große Lügner Joachim Lottmann sollte der Schriftsteller unseres Vertrauens sein.« Süddeutsche Zeitung
Ein rührend normaler, leider zu dicker Gutmensch, der nie wild, aufregend und hemmungslos gelebt hat, erhält die furchtbare Diagnose: noch maximal drei Jahre Lebenserwartung bei weiter zunehmendem Bluthochdruck und Bewegungslosigkeit. Der frühpensionierte TV-Redakteur fasst einen verzweifelten Entschluss,…mehr

Produktbeschreibung
Die Geschichte eines politisch korrekten Spießers vom armen Schwein zum It-Man der Kunst- und Medienszene - dank Kokain!

»Ein irres Buch, in dem nichts stimmt und alles wahr ist...Der große Lügner Joachim Lottmann sollte der Schriftsteller unseres Vertrauens sein.« Süddeutsche Zeitung

Ein rührend normaler, leider zu dicker Gutmensch, der nie wild, aufregend und hemmungslos gelebt hat, erhält die furchtbare Diagnose: noch maximal drei Jahre Lebenserwartung bei weiter zunehmendem Bluthochdruck und Bewegungslosigkeit. Der frühpensionierte TV-Redakteur fasst einen verzweifelten Entschluss, als er erfährt, dass nur harte Drogen gegen seine monströse Fettsucht helfen: Er beginnt eine »Kokain-Diät«. Der geborene Spießer protokolliert penibel Dosis und Wirkung, doch bald schon wird er immer rauschhafter, wilder, offener - und dünner! Sein Charakter löst sich auf. Er lügt, fälscht, betrügt, hat plötzlich Sex im Übermaß und steigt mit jedem verlorenen Pfund auf zur schrulligen Kultfigur der Wiener und schließlich auch der Berliner Kunstboheme. Nur ein Zufall kann ihn vor seinem naiven Optimismus und dem sicheren Drogenende retten.Joachim Lottmanns Roman ist die eindrückliche Seelenstudie eines Mannes, der in einen Strudel dekadenter Abenteuer gerät. Ein furioser Anti-Entwicklungsroman, der zugleich das Porträt einer lebensgierigen Szene abseits der »normalen« krisenbesessenen Jammergesellschaft zeichnet.

»Es ist, nach zwanzig Jahren Pause, wieder die Zeit von Kokain.« Thomas Draschan in »Profil«
Autorenporträt
Joachim Lottmann, geboren 1959 in Hamburg, studierte Theatergeschichte und Literaturwissenschaft in Hamburg. 1987 erschien bei KiWi sein literarisches Debüt 'Mai, Juni, Juli', das als erster Roman der deutschen Popliteratur gilt. Lottmans zweiter Roman 'Deutsche Einheit' erschien 1999, es folgten bislang sieben weitere Bücher bei KiWi, am erfolgreichsten 'Die Jugend von heute' (2004), 'Der Geldkomplex' (2009) und 'Endlich Kokain' (2014). 2010 nahm Lottmann den Wolfgang-Koeppen-Preis entgegen. Der Autor schreibt u.a. für taz, FAS und Welt und lebt in Wien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.07.2014

Der Piranha im Goldfischteich des Gegenwartsromans

Das Liebesleben der Möchtegern-Schickeria ist auch nicht immer der Brüller, wie Joachim Lottmann weiß. Mit "Endlich Kokain" hat er eine bissig-witzige Kunstbetriebsfarce über die Sehnsucht nach Pop, Glamour und Celebrities geschrieben.

Stephan Braum traut sich nicht mehr auf den Balkon. Der könnte unter ihm brechen. Der "schwergewichtige ehemalige Leiter des kleinen Fernsehspiels" bei einem öffentlich-rechtlichen Sender ist am Ende. Mit seinen hundertfünfunddreißig Kilo wirkt der Mittfünfziger zehn Jahre älter. Bluthochdruck, Herzrasen, ein ruinöser Tablettencocktail - noch zwei Jahre gibt der Arzt dem Frühpensionär mit Gehhilfe und Behindertenabzeichen auf dem Kleinwagen.

Da gerät Braum durch glückliche Fügung an den rettenden Appetitzügler: Kokain. Hatte nicht schon Sigmund Freud ein Lob auf den stimulierenden Stoff gesungen? Mäßig, aber regelmäßig, das ist fortan die Dosierungsanleitung für Braums kulturgeschichtlich unterfütterte Kokain-Diät, damit schädliche Nebenwirkungen erst einmal vermieden werden. In den Achtzigern war Kokain die Droge der Erfolgreichen, Gierigen, der großen Hedonisten; später bekam es den Ruf als Jedermannsdroge für Überstunden und Partys, bis kürzlich eine dealende Seniorin in Berlin Schlagzeilen machte. Lottmanns Kokain-Diät setzt die Profanierung der Droge konsequent fort.

"Abnehmen, leicht werden, gesund und glücklich werden, es war doch noch möglich! Die nie erlebte Jugendzeit - sie konnte kommen." Bald wagt sich Braum wieder unter Menschen und in die Wiener Szene-Bars. "Die Welt interessierte ihn wieder, seitdem er Drogen nahm." Dank Kokain erfährt er einen Relaunch seiner Männlichkeit. Das E-Bike wird zum Ausweis wiedergewonnener Mobilität und Lebensfreude. Literatur und Utopie, dieser alte Heuler der Literaturexegese - bei Lottmann wird ein schräger Akkord daraus.

Dazu kommt eine Kunstbetriebsfarce. Der Brachial-Künstler Josef Hölzl (das Vorbild Martin Kippenberger scheint durch) fällt nach Drogenexzessen ins Koma, und eher aus Gründen eines rührseligen Missverständnisses rutscht Braum in die Rolle des Nachlassverwalters: viel Angefangenes, Unvollendetes, fertig zu Fälschendes, das sich zu Geld machen lässt. Plötzlich ist er ein gefragter Mann in der Kunstszene. Daraus ergibt sich der Schlachtruf für das letzte Drittel des Romans: Sex, Koks und Galerien - bis der scheintote Hölzl wider Erwarten ins Leben zurückkehrt.

Das Liebesleben in den angesagten Kreisen erweist sich allerdings als ziemlich bescheuert: Schier alle Frauen sehnen sich nach Erniedrigung und Sadomaso, wollen hart angefasst und an Kühlschränke gekettet werden. Braum handelt sich mit der hübschen Doreen ein kapriziöses Girlie ein, einen "Klon aus der fabelhaften Welt der Amelie". Sie pflegt strapaziösen Psycho-Talk und gibt unaufhörlich Selbstanalytisches von sich, Sätze wie: "Ich habe mir immer die Männer gesucht, die dem Schmerz entsprechen, der mich im Inneren ausfüllte von Anfang an." Nicht gerade ein Kompliment. "Da konnte der gemeine Mann nur das Weite suchen. Aber der freundliche Kokainist wusste einen Weg: einfach selber losschrammeln! Der eigene Laberflash trug einen über alle Abgründe des anderen." Das Liebesleben, wie Lottmann es inszeniert, ist eine Geschlechterkomödie, voller Missverständnisse, nachgetragener Enttäuschungen und sexistischer Sehnsüchte. Aber es ist nicht nur Wunscherfüllungsprosa. Wenn der abgespeckte Braum Hölzls Assistentin Ursula Töle bedienen muss - da soll der fiese Name hier Andeutung genug sein.

Sehr komisch auch die Passagen, als "direkt aus der öffentlich-rechtlichen Fernsehwelt der achtziger Jahre" der Bruder Manfred angereist kommt, um Braum schlecht gelaunt zur Rede zur stellen. Reichlich irritiert bewegt Manfred sich in den verkoksten Künstlerkreisen und versucht, den Bruder ins Gehege des politisch korrekten Journalismus und des abgehangenen Pop-Diskurses eines Diedrich Diederichsen, mit dem man doch zuletzt noch so schön Weihnachten gefeiert habe, zurückzuscheuchen. Schimären des Highlifes und Schreckgespenster der Realität - das ergibt die zündende Lottmann-Mischung. Völlig unglamourös sind seine Aufzeichnungen aus den Sackgassen und Kellerlöchern des Lebens, und gerade deshalb sind seine "Romane" durchzogen von einer geradezu wahnwitzigen Sehnsucht nach Pop, Glamour und Celebrity. Früher empfahlen sich manche Bücher mit dem Hinweis, die Figuren seien erfunden, "Verwechslungen mit lebenden Personen" bei aller Realitätsschärfe nicht beabsichtigt. Bei Lottmann findet man die Umkehrung dieser Methode: Verwechslungen mit erfundenen Personen sind nicht im Sinn des Autors. Wir sollen vielmehr glauben, dass alles echt und erlebt ist. Deshalb geistern zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens durch Lottmanns Romane, deshalb wächst auch in "Endlich Kokain" die Dichte an Prominenz, je höher Braums Erfolgskurve führt. Im letzten Teil, der wieder in Berlin spielt, begegnet der Leser einer umjubelten Helene Hegemann, einem Kai Diekmann, der im Borchardts von einer "Art-Section" bei Bild.de schwadroniert, oder einem aufgeschwemmten Boris Becker, der kein gern gesehener Gast ist. Lottmann hat die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit auch gezielt unterwandert, indem er kürzlich im Wiener "Standard" sein Kokain-Experiment im Stil eines Forschungsberichts beschrieb und mit reichlich belletristischen Schlussfolgerungen krönte: Es gebe ja gar nichts Gesünderes als Kokain. Wer die Frage stellt, inwieweit Lottmann selbst der Droge zugesprochen hat und ob er wie Braum seinen Teint mit einer Lotion, gemischt aus Kokain, Mineralwasser und Kokosmilch, auffrischt, ist schon auf diesen Schelmenroman hereingefallen.

Das Buch schwankt wie üblich bei diesem Autor zwischen scharfkantiger Satire, skurriler Geschwätzigkeit, Lust an politischer Unkorrektheit (viel Grünen-Bashing) und vorsätzlicher Unbedarftheit, Sätzen wie: "Nun war alles wieder eitel Sonnenschein." Lustig klappern die hölzernen Dialoge. Als Parodist nimmt Lottmann die Sprechblasen des österreichischen Vizekanzlers Schwindelacker (was für ein Name!) aufs Korn, zu dessen Wahlpartys Braum eingeladen wird: "Nur dann nämlich, wenn die Wirtschaft wirklich wächst, meine Freunde, haben wir am Ende auch Wirtschaftswachstum, und dafür werde ich sorgen. . . . Nicht weiter abwärts soll es gehen, meine Freunde, nein, ich sage es euch, und ihr sagt es den Leuten auf der Straße: Aufwärts soll es gehen".

Lottmanns Helden schwanken bipolar zwischen Jammer und Euphorie. Aufwärts soll es gehen, aber in ihrem Element sind seine Erzähler, wenn sie Orte höchsten Unwohlseins aufsuchen - unvergessen die Reportage über einen "Übernachtungsversuch" im hässlichsten Hotel Deutschlands an der Avus. In diesem Roman nun sind es Beschreibungen eines Multiplexkinos voller Teenager mit Popcorneimern oder Hasstiraden über Fußgängerzonen, die etwas von Entzugshorror haben. Lottmann ist der Piranha im Goldfischteich des deutschen Subventionsromans. Wenn Loriot ein Hiphop-Video gedreht hätte, sähe es ungefähr so aus wie "Endlich Kokain".

WOLFGANG SCHNEIDER

Joachim Lottmann: "Endlich Kokain". Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 256 S., br., 9,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Loriot dreht ein Hiphop-Video und herauskommt dieser Roman. Wolfgang Schneider stellt es sich so vor, kann aber auch ganz direkt den Autor loben als Zeremonienmeister von Jammer und Euphorie, Satire und politischer Unkorrektheit, hölzernen Dialogen und ungeheurer Prominenzdichte. Keiner zeigt die Sehnsucht der Highlife-Gespenster nach Glam und Pop schöner, meint Schneider. Joachim Lottmanns Kunstbetriebsfarce um den dicken, abgehalfterten Herrn Baum, der dank Koks die zweite oder dritte Jugend erlebt, findet er rundum komisch bzw. bissig-witzig.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Eine bissig-witzige Kunstbetriebsfarce über die Sehnsucht nach Pop, Glamour und Celebrities (...) Lottmann ist der Piranha im Goldfischteich des deutschen Subventionsromans. Wenn Loriot ein HipHop- Video gedreht hätte, es sähe ungefähr so aus.« Wolfgang Schneider FAZ 20140704