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Der Band versammelt die wichtigsten Texte des Philosophen und Transzendental-Belletristen Odo Marquard zum Thema Altern. Er enthält 'Einwilligung in das Zufällige', 'Vernunft und Humor' und 'Zum Lebensabschnitt der Zukunftverweigerung', sodann die bereits bei Reclam erschienenen 'Verweigerung der Bürgerlichkeitsverweigerung' und 'Zeit und Endlichkeit', vor allem aber ein neues Interview 'Das Alter - mehr Ende als Ziel', das Franz Josef Wetz, sein Schüler und der Herausgeber des Bandes, mit dem Philosophen geführt hat: »Man kann sich traurig und freudig fühlen, müde und wach, aber 70- oder…mehr

Produktbeschreibung
Der Band versammelt die wichtigsten Texte des Philosophen und Transzendental-Belletristen Odo Marquard zum Thema Altern. Er enthält 'Einwilligung in das Zufällige', 'Vernunft und Humor' und 'Zum Lebensabschnitt der Zukunftverweigerung', sodann die bereits bei Reclam erschienenen 'Verweigerung der Bürgerlichkeitsverweigerung' und 'Zeit und Endlichkeit', vor allem aber ein neues Interview 'Das Alter - mehr Ende als Ziel', das Franz Josef Wetz, sein Schüler und der Herausgeber des Bandes, mit dem Philosophen geführt hat: »Man kann sich traurig und freudig fühlen, müde und wach, aber 70- oder 80-jährig, das geht meines Erachtens nicht ... Und wenn man das Greisenalter erreicht hat, kommt noch als weiterer Vorzug hinzu, sich nichts mehr beweisen zu müssen, ja sich unterbieten zu dürfen. Dies sorgt für mehr Gelassenheit. Man lernt über Fehler und Schwächen leichter hinwegzusehen, und wenn die Mängel nicht schwerer sind als das, was da ist, sogar großzügig darüber hinwegzusehen.« (Odo Marquard)
Autorenporträt
Franz Josef Wetz, geboren 1958, studierte Philosophie, Germanistik und Theologie; 1989 Promotion und 1992 Habilitation an der Universität Gießen. Seit 1992 verschiedene Lehrstuhlvertretungen; Gastprofessur in Warschau und ab 1994 Professor für Philosophie an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Zahlreiche Publikationen.

Prof. Dr. Dr. h. c. Odo Marquard, geboren 1928 in Stolp (Pommern), studierte Philosophie, Germanistik und Theologie. 1963 Habilitation und Privatdozent in Münster. Ab 1965 war er ordentlicher Professor für Philosophie in Gießen, 1993 emeritiert. Für seine Werke erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt den Hessischen Kulturpreis für Wissenschaft (1997). Odo Marquard verstarb im Mai 2015.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Martin Meyer versucht, nicht allzu melancholisch zu werden mit diesem Sammelband mit Aufsätzen und Frage-Antwort-Situationen des Philosophen Odo Marquard. Marquard geht darin dem alten Skandal des Altern zum Tode hin nach, skeptisch, nüchtern, ohne Erlösungsfantasien zu entwickeln, wie Meyer erleichtert feststellt, der hier und dort auch ein klein wenig Bitterkeit erkennt, etwa wenn der Autor die Unvollendetheit eines jeden Lebens beklagt. Zum Überleben bietet der Band laut Meyer allerdings ausreichend Anregungen - lebensweltliche, lebensdienliche.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2013

Humor gibt das rechte Maß
Odo Marquard nimmt das Altern in den Blick

Alter ist eine Frage der Definition. Odo Marquard ist wirklich alt - im Februar wurde er 85 -, also kein "best-ager" von Anfang oder Mitte sechzig, nicht im sogenannten dritten Lebensalter, sondern einer, der über echtes Alter, das vierte, Auskunft geben kann. Für einen Menschen hat sich mit Mitte achtzig die Welt so grundlegend umgewälzt, dass kaum noch Vertrautes bleibt. Aber genau auf diese Lage hatte Odo Marquard sich mit seiner eigenen Philosophie auch vorbereitet, indem er schon früh zeigte, dass den Beschleunigungen und Vergänglichkeiten auf der anderen Seite eine stets wachsende Neigung zur Bewahrung von Traditionsbeständen entspricht. Ja, er hat seine eigene Aufgabe, die des "Geisteswissenschaftlers", just als solche "Kompensation" beschrieben. So konnte er zugleich maßvoll modern und maßvoll konservativ sein.

Die Literatur zum Alter ist breit, von Ciceros "De senectute" bis zu Jacob Grimms Rede über das Alter und vor allem zu den vielfachen Überlegungen der Kunst- und Literaturwissenschaftler des vergangenen Jahrhunderts über Alters- und Spätstile. Reflexionen wie die von Marquard, dem diese Deutungen natürlich vertraut sind, mögen auch insofern an der Zeit sein, als die Deutschen ein alterndes Volk sind. Marquard gibt aber viel weniger Trost als Cicero, der einer Klage über das Alter hatte entgegentreten wollen; regelrecht ideologiekritisch merkt er im Gespräch mit Franz Josef Wetz an, Ciceros Absicht sei es gewesen, "die gesellschaftliche Stellung älterer Männer als Kapitäne von Kultur und Politik zu sichern". Im Grunde also stimmt er der Altersklage zu: Man ist weniger aktiv, die Krankheiten nehmen zu, und die sinnlichen Freuden kann man kaum noch genießen.

Indem beim alten Menschen die Zukunftshorizonte schwinden, werde er, und das ist Marquards gute Nachricht, frei von der Zukunftshörigkeit und -gläubigkeit, der "future correctness", die den Jüngeren unausweichlich ist. Er kennt indes auch die Rolle des "Revoltiergreises", der (wie Herbert Marcuse 1968) den Enkeln süße Bonbons zusteckt.

Endlichkeit ist das Schlüsselwort dieser Essays und Gespräche. Endlichkeit des Menschenlebens, Endlichkeit auch der Welt, die stets und überall Bedingtheiten gegen die Wünsche geltend macht. Marquards Lösungsvorschlag ist der Humor. Der Humor scheint ihm die einzige Haltung zu sein, die einer allseitigen Begrenztheit gerecht werden kann, indem er sie anerkennt und zugleich relativiert. Vor allem der humoristische Roman des neunzehnten Jahrhunderts ist sein Paradebeispiel - und man glaubt ihn förmlich beim Lesen eines Romans Wilhelm Raabes zu sehen, dessen Werke man ja auch erst ab einem gewissen Alter schätzen lernt.

Marquards Lösungsvorschlag des Humors als mentaler Balance der Abbauprozesse ist - plausibel für einen Angehörigen der "skeptischen Generation" - quietistisch und versöhnend: "Endliches zeigt sich als das Menschliche nicht dadurch, dass es aufhört, das Endliche zu sein, sondern dadurch, dass bekräftigt wird, dass es das Endliche ist. Endliches wird humoristisch nicht durch Unendliches, sondern durch anderes Endliches distanziert, in dem man - sozusagen - die Endlichkeit auf die Schultern möglichst vieler Phänomene verteilt: Geteilte Endlichkeit ist lebbare Endlichkeit." Und gleich stellt sich die Frage, ob aus der allgemeinen Endlichkeit sich nicht mit gleichem Recht existentialistisch-aktivistische oder gar aktionistische Maximen ableiten ließen. Weil die Welt überall die Wünsche begrenzt und ihnen grundsätzlich nie genügen wird, gibt es Bewegungen und Kämpfe. Und weil die Lebenszeit begrenzt ist, kann man die Teilnahme an solchen Kämpfen nicht aufschieben, sondern ist dabei aufs Jetzt verwiesen.

"Verwirrende Lehre zu verwirrtem Handel waltet über die Welt, und ich habe nichts angelegentlicher zu tun als dasjenige was an mir ist und geblieben ist wo möglich zu steigern und meine Eigentümlichkeiten zu kohobieren, wie Sie es, würdiger Freund, auf Ihrer Burg ja auch bewerkstelligen", schrieb Goethe im höchsten Alter (aber da war er immer noch jünger als Marquard) an Wilhelm von Humboldt. So könnte man es auch von diesen philosophischen Überlegungen sagen, wenn man das "Steigern" nicht mehr als Expansion versteht, sondern als Verdichtung.

LORENZ JÄGER

Odo Marquard: "Endlichkeitsphilosophisches". Über das Altern.

Hrsg. v. Franz Josef Wetz. Philipp Reclam Verlag, Stuttgart 2013. 98 S., br., 8,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Auch wer nicht jede seiner Überzeugungen teilt, wird doch zugestehen, dass man lange suchen muss, bevor man einen Philosophen findet, der besser schreibt als er. [...] Gerade in grimmigen Wahlkampfzeiten, wenn Parteien ebenso hemmungs- wie besinnungslos aufeinander losgehen, tut es gut, sich an unhysterische Einsichten wie die Marquards zu erinnern.« FOCUS, 31/2021