Während der deutschen Besatzung Frankreichs wurden von dort rund 76.000 Juden in die Vernichtungslager deportiert, darunter über 11.000 Kinder, die nach dem Transport sofort ermordet wurden. Etwa 800 dieser Kinder stammten aus Deutschland und Österreich. Von dort waren sie mit ihren Eltern vor den Nationalsozialisten nach Frankreich geflohen. Mit großem Engagement haben Beate und Serge Klarsfeld alle verfügbaren Informationen über diese Kinder zusammengetragen, um an ihr Schicksal zu erinnern und sie vor dem Vergessen zu bewahren. Es finden sich Briefe der Kinder an ihre Eltern und Freunde, teilweise in Handschrift, und andere Dokumente wie Kopien von Reisepässen, Deportationslisten oder Zeitungsartikel. Viele Lebensläufe lassen sich so gut dokumentieren. Neben Lebensdaten, Herkunftsort der Kinder und Nummer ihres Transports blicken uns auf etwa 200 Fotos ihre Gesichter an. Mit diesem Buch soll an das Leben der ermordeten Kinder erinnert werden. Es hebt sie aus der anonymen Masseder Opfer heraus und macht sie wieder als Individuen sichtbar.Ein Vorwort von Serge Klarsfeld leitet das Buch ein. Es folgen die rekonstruierbaren Lebensläufe von 163 Kindern mit Fotos und anderen Dokumenten sowie eine vollständige Liste der ermittelten Kinder.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2008Höllenfahrt
Vichy und Auschwitz
Wenigstens in der Erinnerung sollen sie leben, nachdem sie früh und bis dato oft unerkannt in den Gaskammern ermordet worden waren. Beate und Serge Klarsfeld, seit Jahrzehnten als Jäger von NS-Massenmördern und als Kämpfer gegen das Vergessen des Holocaust tätig, erinnern an jüdische Kinder, die zwischen 1942 und 1944 aus Frankreich in die Vernichtungslager im Osten deportiert wurden und dort bis auf wenige Ausnahmen umkamen. Die Autoren wählten an die zweihundert deutsche und österreichische Kinder aus, die zum Teil mit ihren Eltern, zum Teil unter der Obhut von Hilfsorganisationen in Frankreich Zuflucht gefunden hatten. Ab Sommer 1940 gelang es den deutschen Siegern, die französische Polizei als Helfer sowohl im von der Wehrmacht besetzten Nordfrankreich als auch im zunächst noch freien Südfrankreich zu gewinnen. Kein Ruhmesblatt für unser Nachbarland, das - auf einen von Marschall Pétain vom Badeort Vichy aus gelenkten Satellitenstaat von Hitlers Gnaden reduziert - die deutschen Direktiven zur Judenverfolgung oft von sich aus übertraf.
Den antisemitischen Eifer bezahlten an die 76 000 Juden mit dem Leben, darunter 11 400 Kinder. In Jahrzehnte dauernder Kleinarbeit trugen die Klarsfelds die Lebensdaten der von Frankreich aus in den Tod geschickten Kinder zusammen und stellen eine Auswahl von ihnen im vorliegenden Buch mit Fotos vor. Geburtsort, Geburtsdatum, Adresse vor der Festnahme, Ort der Internierung und Nummer des Transportes in eines der Vernichtungslager, meist Auschwitz, ist das Informationsminimum. Dahinter verbergen sich furchtbare Leidenswege, die mitunter durch Briefe der Opfer und Dokumente Dritter erhellt werden. In ihnen mischen sich Trennungsschmerz, Berichte über Verhör und Folter, Klagen über unmenschliche Transportbedingungen in überfüllten Viehwaggons, Zukunftsangst und Durchhaltewillen. Die Autoren bedauern, dass es eine vergleichbare Untersuchung über aus Deutschland deportierte jüdische Kinder noch nicht gibt. Der Rezensent bedauert, dass die verdienstvolle Erinnerungsarbeit in einem Fall nicht richtig gelingt. Ruth Drucker und Sonia Kieslowicz, die im Sommer 1942 nach Auschwitz kamen, sind zweimal mit demselben Foto abgebildet. Wer ist wer?
PETER HÖLZLE
Beate und Serge Klarsfeld: Endstation Auschwitz. Die Deportation deutscher und österreichischer jüdischer Kinder aus Frankreich. Ein Erinnerungsbuch. Böhlau Verlag, Wien 2008. 187 S., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vichy und Auschwitz
Wenigstens in der Erinnerung sollen sie leben, nachdem sie früh und bis dato oft unerkannt in den Gaskammern ermordet worden waren. Beate und Serge Klarsfeld, seit Jahrzehnten als Jäger von NS-Massenmördern und als Kämpfer gegen das Vergessen des Holocaust tätig, erinnern an jüdische Kinder, die zwischen 1942 und 1944 aus Frankreich in die Vernichtungslager im Osten deportiert wurden und dort bis auf wenige Ausnahmen umkamen. Die Autoren wählten an die zweihundert deutsche und österreichische Kinder aus, die zum Teil mit ihren Eltern, zum Teil unter der Obhut von Hilfsorganisationen in Frankreich Zuflucht gefunden hatten. Ab Sommer 1940 gelang es den deutschen Siegern, die französische Polizei als Helfer sowohl im von der Wehrmacht besetzten Nordfrankreich als auch im zunächst noch freien Südfrankreich zu gewinnen. Kein Ruhmesblatt für unser Nachbarland, das - auf einen von Marschall Pétain vom Badeort Vichy aus gelenkten Satellitenstaat von Hitlers Gnaden reduziert - die deutschen Direktiven zur Judenverfolgung oft von sich aus übertraf.
Den antisemitischen Eifer bezahlten an die 76 000 Juden mit dem Leben, darunter 11 400 Kinder. In Jahrzehnte dauernder Kleinarbeit trugen die Klarsfelds die Lebensdaten der von Frankreich aus in den Tod geschickten Kinder zusammen und stellen eine Auswahl von ihnen im vorliegenden Buch mit Fotos vor. Geburtsort, Geburtsdatum, Adresse vor der Festnahme, Ort der Internierung und Nummer des Transportes in eines der Vernichtungslager, meist Auschwitz, ist das Informationsminimum. Dahinter verbergen sich furchtbare Leidenswege, die mitunter durch Briefe der Opfer und Dokumente Dritter erhellt werden. In ihnen mischen sich Trennungsschmerz, Berichte über Verhör und Folter, Klagen über unmenschliche Transportbedingungen in überfüllten Viehwaggons, Zukunftsangst und Durchhaltewillen. Die Autoren bedauern, dass es eine vergleichbare Untersuchung über aus Deutschland deportierte jüdische Kinder noch nicht gibt. Der Rezensent bedauert, dass die verdienstvolle Erinnerungsarbeit in einem Fall nicht richtig gelingt. Ruth Drucker und Sonia Kieslowicz, die im Sommer 1942 nach Auschwitz kamen, sind zweimal mit demselben Foto abgebildet. Wer ist wer?
PETER HÖLZLE
Beate und Serge Klarsfeld: Endstation Auschwitz. Die Deportation deutscher und österreichischer jüdischer Kinder aus Frankreich. Ein Erinnerungsbuch. Böhlau Verlag, Wien 2008. 187 S., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Beeindruckt berichtet Ludger Heid von dieser Dokumentensammlung, enthält sich aber einer weiteren Bewertung. Ausführlich erzählt er von dem Projekt der Klarsfelds, die mehr als 30 jahre lang Zeugnisse Tausender jüdischer Kinder gesammelt, die von den Nazis aus Frankreich verschleppt und getötet wurden. Heid erinnert auch an das unseligen Verhalten der Bahn unter Hartmut Mehdorn, die sich trotz internationaler Proteste lange geweigert hatte, die Dokumentation der Klarsfelds auszustellen. Und schlißelich bemerkt Heid, dass in Deutschland niemand eine vergleichbare Arbeit geleistet hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH